Bad Homburg (nl). Ganz in Weiß gekleidet, mit Mütze und einem verschmitzten Lächeln kommt er auf die Bühne des Kurhauses. Sein Name klingt nicht unbedingt nach Glamour und dem großen Musikabend. Doch er, der sich bescheiden im Hintergrund zu halten versteht, um anderen Musikern nicht in die Parade zu fahren, hat’s in sich. Er ist nicht nur beispiellos vernetzt in Musikerkreisen, was man dem Abend anmerkt, bei dem ein gut instrumentalisierter Song auf den nächsten folgt, sondern er spielt Trompete mit Zartgefühl und unvergleichlichem Können: Rüdiger Baldauf, der vielen als Trompeter von Stefan Raabs „Heavytones“ bekannt ist und sich als Dozent für Jazztrompete an der Musikhochschule Köln um den musikalischen Nachwuchs bemüht, hat als Studiomusiker auf etwa 100 Alben seinen musikalischen Fußabdruck hinterlassen. Denn er spielte schon für James Brown, Seal, Paul Kuhn, Michale Bublé, Udo Jürgens und sogar für die Showgrößen Barbara Streisand und Liza Minelli.
Damit der großen Namen der Musikszene nicht genug. Dieser hochkarätig besetzte Abend wird ergänzt von Thomas Heinz, einem Schwergewicht der deutschen Schlagzeugszene. Trommelte er doch schon für Edo Zanki, Helene Fischer und Laith Al Deen.Christian Frenzen, einer der gefragtesten Keyboarder der jungen deutschen Jazzszene, sorgt – wie Rüdiger Baldauf mit Blick auf den jungen, gutaussehenden Musiker anmerkt – für den „ästhetischen Genuss“ des Abends. Marius Goldhammer, Dozent für E-Bass an der Musikhochschule Köln, hat schon für BAP, Stefanie Heinzmann, Edo Zanki, Peter Maffay bassiert. An diesem Abend begleitet er die Gaststars wie Trompeter Menzel Mutzke, den drei Jahre jüngeren Bruder von Max Mutzke, präsent in vielen Jazzformationen und immer wieder in der Band des großen Bruders.
Es ist ein großartiges Zusammentreffen der Stars der Szene. Geboten wird ein ungewöhnlich abwechslungsreiches Gemisch aus groovigem Rockjazz, Funk und Brass. Fast kommt es einem vor, als sei die Zeit der Band „Level 42“ zurück im Hier und Jetzt. Was Joo Kraus mit seiner Trompete mithilfe von Effektgeräten wie Loop und Flanger herauszuholen vermag, ist unvorstellbar variantenreich und opulent. Weich, dicht, rhythmisch, mal wie eine schreiende Wah-Wah-Gitarre, mal zart wie ein Fender Rhodes Piano.
Schon nach der ersten Interpretation, Michael Jacksons „Working Day And Night“, wird klar, was dieser einmalige Abend an unvergleichlichen Sounds und Klängen noch so alles bereitzuhalten vermag. Und tatsächlich wird niemand enttäuscht werden. Im Gegenteil. Man wünscht sich, der Abend würde noch ein Stündchen länger gehen. Die Musiker entfachen ein Feuerwerk an Improvisation und bieten gleichzeitig ein beeindruckend gekonntes Zusammenspiel, wie es nur mit viel Bühnenreife und Erfahrung gelingen kann.
Nach fünf Liedern kommt dann auch noch er dazu: der Stargast des Abends. Max Mutzke zieht das Publikum mit seiner rauchig-warmen Blues-Soul-Stimme augenblicklich in seinen Bann. „Welt hinter Glas“ gehört zu seinen besten und bekanntesten Stücken. Mutzke hat großen Spaß am großen Auftritt. Er erreicht sein Publikum sofort. Er schafft es, alle im Saal auf der Stelle dazu zu bringen, aufzustehen. Die Zuhörer summen auf Kommando Max Mutzkes Refrains mit. Die Stimmung im Saal so gut im Griff zu haben, davon ist Max Mutzke selbst so sehr überrascht, dass es mit ihm durchgeht und er übermütig im Spaß vorschlägt, nun könnten sich doch eigentlich alle mal freimachen. So befreit scheint ihm wohl das Publikum vorzukommen.
Baldauf hat in letzter Zeit zwei Alben veröffentlicht, eines mit Interpretationen von Songs Michael Jacksons und eines mit Hits von den Beatles. So wird „Come Together“ der Fab Four mit einem fetzigen Gitarrenrock-Intro eingeleitet, bevor Max Mutzke seinen ESC-Hit „Can’t Wait Until Tonight“ aus dem Jahr 2004 zum Besten gibt. Dann zeigt die Band, was sie rockjazzmäßig drauf hat mit verzwickt-komplizierten Bassläufen von Marius Goldhammer, um anschließend in eine Keyboardimprovisation großer Bandbreite überzugehen und mit einem fantastischen Drumsolo abzuschließen, das von Joo Kraus mit Sound- und Loop-Effekten virtuos begleitet wird. Nach der Pause erfährt das Publikum von Rüdiger Baldauf, der ja einst auch bei Paulchen Kuhn trompetet hatte, eines seiner bestgehüteten Geheimnisse: Ein hawaiianischer Regierungsbeauftragter – unglaublich, aber wahr – habe, so erzählt er, per Briefpost bei Paul Kuhn persönlich dementiert, es gäbe kein Bier auf Hawaii. Was darauf folgt, ist ein Medley mit den Michel-Jackson-Titeln „They Don’t Care About Us“, „Billy Jean“ und „Black And White“. Anschließend zeigt die Band, dass sie noch viel mehr kann, zum Beispiel auch türkisch-tunesische Orientklänge oder Country/Western-Style intonieren.
Eine Zugabe muss natürlich sein. Und dass es ganz umsonst war, so eifrig zu klatschen, weil die Band sowieso noch mal auf die Bühne gekommen wäre, wie Max Mutzke großzügig verrät, ist eine dieser sympathisch-uneitlen Gesten, die sich nur einer erlaubt, der zu den Großen zählt. Warum eigentlich ist Max Mutzkes Talent noch nicht in der großen Samstagabend-Show angekommen. Lange kann das nicht mehr dauern.