Großbrand im Reifenlager fordert Wehren

Ein Blick in die ausgebrannte Autowerkstatt mit Reifenlager am Tag danach: THW und Feuerwehr waren bis in die Nachmittagsstunden des Neujahrstags mit den Nachlöscharbeiten und Sicherungsarbeiten am Gebäude beschäftigt. Foto: Sajak

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Ein Feuer in einem Reifenlager im Industriegebiet hat am Silvesterabend einen Großeinsatz von Feuerwehren und Rettungsdiensten aus dem gesamten Kreisgebiet und der Wetterau ausgelöst. Bis zum frühen Morgen am Neujahrstag waren mehr als 200 Rettungskräfte im Einsatz. Aus oberen Stockwerken des mehrgeschossigen Hauses mit dem Reifenlager im Erdgeschoss wurden mehrere Menschen in Sicherheit gebracht, zu Schaden kam dabei niemand.

Mit Sirenen und Alarm wurde die Bevölkerung auf das Geschehen aufmerksam gemacht, da sich schnell eine dichte schwarze Qualmwolke im Umfeld ausbreitete. Die Menschen wurden gebeten, Türen und Fenster geschlossen zu halten und ihre Häuser möglichst nicht zu verlassen. Die Brandursache war auch am Sonntag noch unklar, die Schadenshöhe ist weiterhin unbekannt.

Wie ernst die Lage noch werden sollte, war nicht abzusehen, als am frühen Silvesterabend um 17.40 Uhr der Alarm bei der Feuerwehr einging. In der Siemensstraße waren eingelagerte Autoreifen in einer Werkstatt in einem Gebäudekomplex in zweiter Reihe in Brand geraten, das direkt angrenzende Sportstudio „Happy Fitness“ war da bereits geschlossen, im Umfeld mit Bürohäusern herrschte schon Feiertagsruhe. Dass sich in den oberen Stockwerken auch eine Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen und einzelne Wohnungen befanden, war nicht allgemein bekannt, es erhöhte schnell die Alarmbereitschaft. Einige Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft des Hochtaunuskreises konnten noch in der Nacht in einer Ersatzunterkunft am Niederstedter Weg untergebracht werden, andere fanden über private Netzwerke eine vorübergehende Bleibe. „Die Menschen wurden gut versorgt“, sagte Sozialdezernentin Katrin Hechler bei einem Ortstermin an der Brandstelle am Sonntag.

Die gute Nachricht: Alle Menschen, die sich bei Ausbruch des Feuers in der Siemensstraße aufhielten, konnten das Haus rechtzeitig und ohne großen Aufwand mit Hilfe der ersten Rettungskräfte am Ort verlassen, Drehleitern mussten nicht eingesetzt werden. Doch die Temperaturen im Inneren des Komplexes stiegen schnell, der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbands Hochtaunus, Norbert Fischer, sprach später von um die 800 Grad Celsius Hitze und mehr im Kerngebiet des Feuers. Das Feuer konnte daher nur von außen bekämpft werden, dabei wurden auch zwei ferngesteuerte Löschroboter und Schaumkanonen eingesetzt, im Fachjargon „Löschunterstützungsfahrzeuge“.

Erst Stunden später konnte das Feuer mit vereinten Kräften vieler Wehren unter Kontrolle gebracht werden, die Leitung des Einsatzes hatte Bad Homburgs oberster Brandschützer Daniel Guischard bis um 2 Uhr am Neujahrsmorgen, danach übernahm Tobias Klotz aus dem Führungsteam der Wehr Bad Homburg die Lenkung der Rettungskräfte. Schnell wurde am Abend klar, dass angesichts der Ausbreitung der entstandenen Qualmwolke und der austretenden giftigen Dämpfe eine kritische Lage zu meistern war, die über den Unfallort hinausreichte. Zwei Stunden nach Eingang der ersten Feuermeldung wurde die Bevölkerung über verschiedene soziale Medien und mit allen Warnsirenen in der Stadt alarmiert, auch Fahrzeuge mit Lautsprechern waren vereinzelt in den Kommunen unterwegs. In Oberursel und später in Friedrichsdorf galt der Alarm bezüglich der Ausbreitung der Qualmwolken, die ab 21.30 Uhr nach Osten abzogen. Erst kurz vor Mitternacht konnte offiziell Entwarnung gegeben werden.

Bis zu 10 000 Liter Wasser pro Minute pumpten die Feuerwehren in der heißesten Phase des Brandes in das Gebäude, in zwei speziellen Löschfahrzeugen konnten 150 000 Liter Löschwasser bereitgestellt werden, auch die Wasserentnahme aus dem Schlossteich war bereits vorbereitet, musste dann aber nicht in Anspruch genommen werden. „Das Warnsystem hat funktioniert, der Einsatz war ein Paradebeispiel für gute Zusammenarbeit aller Rettungsdienste“, sagte Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak in seiner Funktion als Feuerwehrdezernent bei einer ersten Bilanz am Sonntagvormittag. In der Brandnacht war er selbst am Einsatzort, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Auch Kreisfeuerwehrchef Norbert Fischer lobte die „sehr gute Aufstellung der gesamten Einsatzkräfte“, die Warnsysteme hätten gut funktioniert, „die Bevölkerung hat sich gut informiert gefühlt“, das seien die Rückmeldungen, die bei ihm eingegangen sind. „Aber es hat nicht alles geklappt“, so Fischer, Warnmeldungen seien etwa noch lange nach der offiziellen Entwarnung über unterschiedliche Kanäle im Radio und sozialen Medien weitergegeben worden. „Das wird aufgearbeitet“, kündigte Fischer an.

Mit Feuerwehrdezernent Jedynak war er einig, dass die Sensibilisierung der Menschen für Verhaltensweisen in kritischer Lage noch eine Aufgabe sei. „Das Warnsystem hat funktioniert, aber es ist ernüchternd, dass viele noch nicht wissen, wie sie sich dann verhalten sollen“, so Jedynak.

Für das Deutsche Rote Kreuz war das Silvesterfeuer der „größte Einsatz der letzten Jahre“, so der stellvertretende Kreisbereitschaftsleiter Stefan Osthoff. Auch das DRK hatte fast 50 Leute im Einsatz, die meisten der rund 200 Helfer waren ehrenamtlich in der Silvesternacht dabei. Feuerwehr, DRK, Polizei und Technisches Hilfswerk (THW) waren noch bis in die Mittagsstunden des Neujahrstages am Ort, von einer „Super-Zusammenarbeit“ spricht Osthoff in seiner Bilanz.

Um die Leute bei Kräften und Laune zu halten, wurden 400 Portionen „Warmverpflegung“ und fast drei Tonnen Getränke verteilt. Drei Wehrleute erlitten bei ihrem Einsatz leichte Rauchgasvergiftungen, einer musste im Krankenhaus behandelt werden, so Fischer.

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