Heikles Aufeinandertreffen im schicken Pariser Loft

Noel und Charline (Stefan Jürgens und Helen Kowalsky) werden kritisch beäugt von Melanie und Jeff (Sina-Maria Gerhardt und Volker Zack, v. l.). Foto: Staffel

Bad Homburg (ks). Melanie und Greg (Sina-Maria Gerhardt und Ole Schosshauer) residieren in einem großzügigen Pariser Loft im 6. Stock, „aber ohne Aufzug“. Sie haben ihren Freund Jeff (Volker Zack) eingeladen, um mit ihm einen gemütlichen Abend zu verbringen. Jeff ist zur Zeit Single und hat eine Wohnung an den Champs Elysees. Er wundert sich deshalb nicht, dass er keinen Job findet. Dazu ist er zu wohlhabend.

Mit diesen drei gutsituierten Menschen begegnen die Zuschauer im Kurtheater drei Vertretern der „Bo Bos“, dieser zeitgenössischen französischen Spezies, die die Begriffe „Bourgeois“ (bürgerlich) mit „Bohemien“ (freizügig, unkonventionell) vereinen will. Man schwimmt am Rand des Mainstreams mit, hütet sich aber vor den Strudeln. Im Deutschen gibt es den Begriff „Hipster“ mit ähnlichen Tendenzen. Miteinander haben die drei Freunde keine Probleme. Die treten erst auf, als überraschend Charline (Helene Kowalsky) und Noel (Stefan Jürgens) auf der Bildfläche erscheinen. Ein heikles Aufeinandertreffen, denn Charline war mit Jeff liiert, und wie sich herausstellt, liebt dieser sie noch immer. Jeff hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er Charline zurückerobern kann. Dass die Angebetete mindestens zwei Köpfe größer ist als er stört den kleinen, wendigen Jeff nicht, trägt aber zur Erheiterung der Zuschauer bei.

Jeff, der in diesem raffinierten Spiel allmählich zu tragenden Figur wird, lässt den neuen Liebhaber von Charline nicht aus den Augen. Noel, aalglatt, gestylt und mit protziger goldener Uhr am Handgelenk, entpuppt sich schnell als Macho. Er erzählt, dass er Charline vor einer Vergewaltigung bewahrt habe und seitdem mit ihr zusammen sei. Dabei fällt die Bemerkung von einem Schuss, bei dem ein Mann getroffen wurde. Die drei Freunde sind entsetzt, wollen mehr darüber wissen, doch Noel stellt lakonisch fest „nicht so schlimm, es war ein Latino“. Im Verlauf weiterer Diskussionen äußert sich Noel auch abfällig über die Juden und bringt damit Jeff auf die Palme, der sich als solcher zu erkennen gibt. Auch ein Bo Bo achtet auf „political correctness“.

Der in Tunesien geborene französische Autor Eric Assous hat auch in diesem zeitgenössischen Stück „Der rechte Auserwählte“ den Spannungsbogen wieder so geschickt aufgebaut, dass die komplexen Verstrickungen der beteiligten Personen erst allmählich ans Licht kommen. Dabei spielen auch Krawatten mit dem gleichen Muster eine Rolle, die Greg und Noel um den Hals tragen. Sie stammen von Charline, und damit wird klar, dass auch Greg ein Verhältnis mit ihr hatte.

Jeff geht nun auch dem Freund an den Kragen, und Melanie will den Gatten rausschmeißen und packt seinen Koffer. Soweit geht auch die Toleranz der Bo Bos nicht. In dem ganzen Durcheinander verschwindet Charline, die inzwischen erkannt hat, dass dieser „Rechte“ nicht der rechte Partner für sie ist. Die Freunde rätseln, wo sie geblieben ist, und sind verzweifelt, als sie von einem Überfall hören. Doch dann kommt der rettende Anruf: Sie ist wohlbehalten bei ihren Eltern gelandet. Melanie und Greg versöhnen sich, nicht zuletzt der Kinder wegen, und Jeff hat sich eine Wohnung in Charlines Nähe gesucht, was Melanie mit der Bemerkung kommentiert: „Die einen heiraten aus Liebe, die anderen aus Beharrlichkeit.“

Ein gutes, zeitnahes Stück mit spritzigen Dialogen und einem spielfreudigen Quintett von den Hamburger Kammerspielen, das überzeugte und mit viel Beifall belohnt wurde.



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