Klein-Wimbledon jetzt auch mit Erdbeeren

Daumen hoch für die Fotografen: Gut gelaunt zeigen sich (v. l.) Amanda Anisimova, Maskottchen Hazel, OB Alexander Hetjes und Kurdirektor Holger Reuter vor dem Kurhaus. Foto: js

Bad Homburg (js). Ein Hauch von Klein-Wimbledon, damit gibt man sich in der Kurstadt auch im zweiten Anlauf noch zufrieden. Zeigt aber deutlich den Anspruch und die Attitüde, zurück in die große Tenniswelt zu gelangen. Mit sportlicher Prominenz der Weltklasse beim Rückschlagspiel auf gepflegtem Rasen, mit wachsendem Angebot auf den Nebenschauplätzen, ja sogar mit Erdbeeren und Sahne im Schälchen ganz nach dem großen Vorbild. Am heißesten Wochenende des Jahres haben die „Bad Homburg Open“ begonnen, wohl dem, der einen Kurpark mit so vielen wunderbaren alten und hohen schönen gewachsenen Bäumen hat. Für die optimale Kulisse und den perfekten Schattenwurf.

Erdbeeren mit Sahne wie beim großen Vorbild an der Londoner Church Road gibt es auf der Brunnenallee allerdings nicht. Aber sonst jede Menge Appetitliches je nach Geschmack. Hunger und Durst muss niemand leiden im „Park Village“, im Dorf mit einer Hauptstraße und einer kleinen seitlichen Ausbuchtung Richtung Kaiser-Wilhelms-Bad. Ein bisschen französischen Chic suggeriert der Name des Dorfes, dafür steht einer der Hauptsponsoren Pate. Immer wieder tauchen zwischen den Parkbäumen plötzlich knallblaue Figuren mit einem blauen Koffer in der Hand auf, wie Besucher aus einer anderen Welt.

Erdbeeren mit Sahne gibt’s nur im VIP-Bereich direkt am Centre Court vor dem ehrwürdigen Clubhaus der örtlichen Tenniscracks. Wo zum Sonnenuntergang chillige Lounge-Musik mit Saxofon und Klarinette live gespielt wird.

Auf der Brunnenallee flaniert das Volk, in der Zone mit den zwei Match Courts für die Vorspiele der Tennisdamen ist der Eintritt frei, eine nette Geste der Veranstalter. Geld ausgeben kann man trotzdem genug, für das Turnier-T-Shirt etwa, kostet 28 Euro, als Polo 35 Euro. Am gemeinsamen Stand der Stadt und der Kur bieten nette Damen des „Team Bad Homburg“ Fächer wedelnd Devotionalien im neuen Homburg-Design an, mehrmals täglich kommt „Hazel“ als Glücksbringerin am Glücksrad vorbei. Das Plüsch-Eichhörnchen war bei der Premiere „Star“ des Turniers. Selfie mit Hazel geht immer, wahlweise auch mit „Angie“ Kerber aus Pappe.

Das „Village“ bietet Spaß für die gesamte Familie. So soll es sein, es geht auch um das Publikum der Zukunft. Kurdirektor und Oberbürgermeister betonen gerne, dass die „Open“ ein langfristig erfolgreiches Projekt werden sollen. Das Tennisfieber soll überall in der Stadt spürbar sein, in den Schaufenstern, am Straßenrand. Und im Umfeld des „Heiligen Rasens“ soll sich jeder als Teil der Tennis-Familie fühlen können. Beim Zuschauen auf den Nebenplätzen, ganz nah dran am Stöhnen der schweißtreibend mit ihren Trainern arbeitenden jungen Damen, die auf eine große Karriere hoffen, bei den ersten Turnierspielen der nicht top-gesetzten Ladies. Und jeder darf selbst zum Schläger greifen, auf dem Mini-Tennisplatz für die Kleinen bis hin zur Schlagwand, wo sich muskelbepackte Männer gerne zeigen. Über 170 Stundenkilometer beim Aufschlag schafft einer, da können nur die starken Damen im Elitefeld mithalten.

Apropos, „Aufschlag Bad Homburg“ steht über der Eröffnungspartie. Sie wird auf dem Kurhaus-Vorplatz gespielt, es treten auf die 20-jährige Amanda Anisimova (USA), aktuelle Nummer 25 der Weltrangliste, und OB Alexander Hetjes, die Nummer 1 der Kurstadt, im klassisch weißen Wimbledon-Outfit. So sollen die Spielerinnen und die Gäste in der Stadt begrüßt und das Tennis in die Stadt geholt werden, denn noch immer gilt das Motto vom „Tennis is coming home“, das konnten sich die Kurstädter nicht verkneifen, Schließlich hat man hier, im Kurpark, schon ein Jahr vor den Engländern in Wimbledon zum Schläger gegriffen. Und kooperiert jetzt mit dem wohl berühmtesten Tennisclub, ist offizielles Vorbereitungsturnier für Wimbledon, wo die Spiele am Montag beginnen. Der OB macht gute Figur vor viel örtlicher Prominenz und einigen neuen Tennisfans, es gibt Champagner, die Stadtwerke schenken Wasser aus örtlichen Quellen umsonst aus.

Tennisfieber ist am Startwochenende der „Bad Homburg Open“ im Kurpark auf den Match Courts noch nicht wirklich ausgebrochen. Mag ein bisschen an den Hitzewellen gelegen haben, die überall durch die Stadt waberten, Temperaturen jenseits der Wohlfühlzone bis über die Fiebergrenze hinaus forderten den Tennisfans viel ab. Das Flair und das gewünschte Image vom „Boutique-Turnier“, klein und fein, ist aber wieder sofort rübergekommen. Davon schwärmen Spielerinnen und Publikum gleichermaßen, vielsprachig wird das kleine Wunder von Bad Homburg über TV-Stationen in alle Welt getragen. Um am Sonntagabend wird es dann im letzten Tageslicht auch kurz mal laut, als Andrea Petkovic auf dem Centre Court bei ihrer Erstrunden-Niederlage gegen Daria Kasatkina beim „Heimspiel“ vor vielen Fans ihr Können aufblitzen lässt. Da stand das Stadion noch nicht unter der erlaubten „Volllast“ mit 3500 Zuschauern, von den heutigen Viertelfinal-Paarungen bis zum Endspiel am Samstag wird die Hütte aber jeden Tag proppevoll sein.

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