Eine kleine Schatzkiste zur Obstkultur

Stolz sind die zahlreichen Unterstützer des Wiederaufbaus des „Tempels der Pomona“ nach historischem Vorbild, beherbergt das kleine Gartenhäuschen im Schlosspark doch nun eine umfangreiche Dauerausstellung zum Thema Obstbaumkultur: Dr. Inken Formann von der SG, Staatssekretärin Ayse Asar, Karl Josef Ernst vom Kuratorium Bad Homburger Schloss und Dr. Kirsten Worms von der hessischen Schlösserverwaltung (3. bis 6. v. l.) feiern mit Gästen und Spendern die Einweihung. Foto: Bergner

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. Beinahe ist es wie im Gedicht „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ von Theodor Fontane: Mit der Wiedereröffnung des „Tempels der Pomona“, des Gartenhäuschens im chinoisen Stil, ist ein Teil der historischen Parkpartie nahe des 1771 angelegten herrschaftlichen Obstgartens wieder erstanden. Das Teehäuschen war auf Initiative von Landgräfin Caroline von Hessen-Homburg vor fast 250 Jahren im unteren Schlosspark errichtet worden.

Die Parallele zum Gedicht liegt nahe, weil das ursprünglich der römischen Göttin der Baumfrüchte und Hüterin der Obstgärten gewidmete Gebäude, wiedererstanden, nun vor allem einem dienen soll: Kindern und auch Erwachsenen die Schönheiten und Besonderheiten von Apfel- und Birnensorten nahezubringen. In Anwesenheit der hessischen Staatssekretärin für Wissenschaft und Kunst, Ayse Asar, zahlreicher Vertreter der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (SG) und Spendern präsentierte SG-Direktorin Kirsten Worms das Tempelchen in einer heiteren Feierstunde.

Eigentlich war das Gartenhäuschen bereits mehrfach in seiner Geschichte wieder errichtet worden, doch nicht in der historisch verbürgten Form als Tempelchen und „Lusthäuschen“ samt Dachdeckung aus Schiefer, Simsverzierung und Drachenelementen. Die vor einem Jahr begonnene und nun vollendete Rekonstruktion, deren Kosten von insgesamt 176 000 Euro zu großen Teilen durch Spenden des Kuratoriums Bad Homburger Schloss und des Landes Hessen getragen wurde, beherbergt ein kleines familiengerechtes Museum zur Obstbaum-Kultur, das jedermann bei freiem Eintritt besichtigen kann. Eine „Schatzkiste zur Obstkultur“ und ein „Raumwunder“ nannte Direktorin Kirsten Worms das in Schilfgrün und Hellgrau gehaltene Häuschen, dessen einziges Originalteil aus der Zeit um 1775, ein kleiner Wasserspeier in Drachenform, ebenfalls im Innern zu sehen ist. Staatssekretärin Asar begrüßte, dass mit dem Tempel der Pomona die Obstbaumkunde und die ehemalige, fast verloren gegangene Vielfalt von Sorten – im 19. Jahrhundert waren es mehr als 20 000 Apfel- und Birnensorten – wieder ins Bewusstsein gerückt werde.

Tritt man durch die Tür des 16 Quadratmeter messenden Häuschens, findet man in sieben Wandnischen 84 Fruchtmodelle, per Hand in Feinarbeit von der Firma Somso aus Pappmaschee hergestellt: 60 Äpfel, eine Quitte und 19 Birnen, teils historische Sorten, heute noch angebaute seltene Sorten und solche, die es in jedem Supermarkt gibt. „Es sind Kunstwerke mit Stellen und Stippen“, erläuterte Dr. Inken Forman, Leiterin des Fachgebiets Gärten der SG. Heutzutage seien europaweit nur etwa 25 Apfel- und Birnensorten erhältlich; sie betonte, wie wichtig es sei, historische Obstsorten zu fördern und lokale Sorten wieder anzubauen. Informationen über Sortennamen und Jahr der Herkunft sowie Züchtungsort, Erntezeit und Lagerfähigkeit der jeweiligen Frucht sind nachzulesen.

Insgesamt sind im Tempelchen 158 Exponate zu sehen, zum Beispiel auch zahlreiche gedrechselte Holzäpfel aus unterschiedlichsten Baumhölzern, die der Drechsler des Hessenparks, Bernd Lukesch, hergestellt und die von der Bad Homburger Geschichtenerzählerin Michaele Scherenberg gestiftet wurden. 68 erläuternde Texte in Hockern mit Vertiefungsthemen behandeln praktische Fragen zu Obst, zum Thema Obst und Gesundheit oder zu angebauten Obstsorten im Schlosspark gestern und heute; besonders für Schulklassen-Besuche sind diese Hocker interessant, die auch vor dem Tempel der Pomona auf der Wiese benutzt werden dürfen. Die narrative, abwechslungsreiche Ausstellung soll zur Kooperation der Schlösser und Gärten-Verwaltung mit Schulen anregen.

Die Schlösserverwaltung hat einen umfangreichen bebilderten Katalog zur Ausstellung und der Geschichte des Tempels der Pomona, des Obstanbaus im Schlosspark sowie zu Obst-Wissen und Kultivierungstechniken herausgegeben (19,95 Euro im Museumsshop des Schlosses). Ein Film auf Youtube (Stichwort: schloesserundgaerten hessen) kann auf den Besuch des kleinen Museums einstimmen. Bis Ende Oktober gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm für Individualbesucher und Gruppen, das auf der Homepage der Schlösserverwaltung einzusehen ist. Spannend ist es auch für Besucher, die Umgestaltung der Parkpartie „Fantasie“ im Umfeld des Tempels zu erleben, die die Schlossgärtnerei nach Pflanzplänen von 1893 und 1898 vorgenommen hat.

!Der Tempel der Pomona im unteren Schlosspark ist kostenfrei an ausgewählten Terminen und nach vorheriger Anmeldung unter Telefon 06172-9262148 oder per E-Mail an info[at]schloesser-hessen[dot]de zu besichtigen. Mittwochs bieten die Schlossgärtner von 14 bis 15.30 eine „Obststunde“ an, in der der Tempel geöffnet ist. Der Ausstellungsraum ist barrierefrei. Für Kinder hält der Museumsshop das spielerische Arbeitsheft „Apfelexpedition“ bereit, und handgedrechselte Holzäpfel werden angeboten.

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