„Kultur besitzt die Fähigkeit, Grenzen zu überwinden“

Die Gitarristin Julia Zielinsky und die Flötistin Olga Reiser entführen das Publikum in ihrem Konzert „Canciones y Danzas“ in die Klangwelt internationaler Lieder und Tänze. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen in der Ukraine-Krise gewinnt das die Völkerverständigung zwischen Russen und Deutschen stärkende Engagement des gemeinnützigen Vereins „Deutsch-Russische Brücke Bad Homburg“ erneut an Aktualität. Alle Projekte des 1994 gegründeten Vereins sind dem Motto „Vom Partner lernen – sich verstehen, einander begegnen, sich austauschen“ verpflichtet. Damit der Austausch klappt, bietet der Verein seit 1995 Russischkurse in Räumen der Bad Homburger Gesamtschule am Gluckenstein und im „Deutschen Klub“ in der Partnerstadt Peterhof Deutschkurse, jeweils für Erwachsene, an.

Sprachreisen, Treffen, Vorträge, Spiele und Kulturveranstaltungen runden das Angebot ab. Das deutsch-russische Weihnachtsfest Bad Homburg-Peterhof fand online statt. Das geplante traditionelle russische Neujahrsfest „Staryj novyj god“ im Vereinshaus Dornholzhausen musste abgesagt werden.

Umso mehr freute sich Vorsitzende Heike Wehner am Freitagabend, in Zusammenarbeit mit dem Magistrat der Stadt Bad Homburg, zahlreiche Besucher in der Englischen Kirche zum Konzert „Canciones y Danzas“ begrüßen zu können. „Ganz wichtig ist es für uns, in diesen Zeiten Kultur nicht zu vergessen und uns auf Kultur zu besinnen. Kultur besitzt die Fähigkeit, politische Grenzen zu überwinden und den Menschen beider Länder dauerhaft Nähe zu schenken“, betonte Wehner. Die Breite der gemeinsamen kulturellen Basis zwischen beiden Nationen zeige sich auch beim deutsch-russischen Kulturaustausch beider Städte.

Wie eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Russen und Deutschen klingt, ließen die beiden Musikerinnen, Flötistin Olga Reiser und Gitarristin Julia Zielinski, hören. Flötistin Olga Reiser wurde in Norilsk (Russland) geboren, besuchte die Musikschule für besonders begabte Kinder in Jekaterinburg. Ihr Diplom als Solistin, Orchestermusikerin, Kammermusikerin und Musikpädagogin bestand sie am Staatlichen Konservatorium in Jekaterinburg. Anschließend absolvierte sie erfolgreich zusätzlich eine Ausbildung an der Hochschule für Musik in Würzburg, die sie mit einem Konzertdiplom abschloss. Gitarristin Julia Zielinski studierte an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Nach ihrem Diplom folgten ein Aufbaustudiengang in Frankfurt und das Konzertexamen in Hamburg. Beide legte sie mit Bestnote und Auszeichnung ab. Die beiden mehrfach ausgezeichneten Musikerinnen sind international als Interpretinnen auf Musikfestivals und Konzerten gefragt. Sie konzertieren seit 2018 gemeinsam. In der Englischen Kirche präsentierten sie mit dem Programm „Canciones y Danzas“ eine bunte Mischung von Tänzen und tänzerischen Werken aus unterschiedlichsten Epochen und Ländern. Ihr Publikum entführten sie mit ihrem Repertoire auf eine abwechslungsreiche, klangreiche Reise durch mehrere Länder.

Das erste Ziel lag in Argentinien. In seiner „Suite Buenos Aires“ nimmt der klassische Gitarrist und Komponist Maximo Diego Pujol die Zuhörer mit auf eine Stadtrundfahrt. Diese führt die Reisenden durch drei sehr unterschiedlich geprägte Viertel. Erste Station ist der Stadtteil San Telmo, der vor allem für sein Fin-de-Siècle-Flair, Pop-up-Kunstgalerien, Flohmärkte und die Gastro-Szene bekannt ist. Danach geht es weiter durch Palermo, den flächenmäßig größten Stadtteil von Buenos Aires, in dem sich die Haupt-Einkaufsgegend befindet. Der Kurztrip endete in Pompeya, einem armen Arbeiterviertel, in dem der Tango seinen Ursprung fand. Die Suite ist eine Liebeserklärung des Komponisten voller Nostalgie an seine Heimatstadt.

Mit sieben Tänzen aus Béla Bartóks insgesamt 1115 instrumentale Melodien fassenden Sammlung „Rumänische Volkstänze“ reiste das Duo mit den Zuhörern zurück ins Jahr 1905 nach Siebenbürgen, das vor 1918 zu Ungarn gehörte. Auf der Suche nach authentischer Bauernmusik stieß der Komponist auf Dorftänze, die durch ihren rustikalen Charme punkten. Weiter ging es mit der berühmten, schnellen „Tarantella la Danza“ des italienischen Komponisten Gioachino Rossini und „Nocturne La Separation“ von Michail Glinka. In diesem Lied beschreibt der Komponist die Trennung, die in russischen Kirchen herrscht. Im Gottesdienst wird gesungen, aber es erklingen keine Instrumente.

Nach der Pause interpretierten die beiden Musikerinnen so unterschiedliche Stücke wie den feinen Elfentanz „La Ronde des Lutins“ von Antonio Bazzini, die wilden und hemmungslosen Tänze im Irrenhaus „Dances in the Madhouse“ von David Leisner und Astor Piazzollas Klassiker „Histoire du Tango“. Mit der stürmisch herbeigeklatschte Zugabe als Dankeschön für die perfekten Interpretationen und die abwechslungsreiche musikalische Klangreise weckte das Duo die Sehnsucht des Publikums nach dem Frühling.

!Die 140 Mitglieder der „Deutsch-Russischen Brücke“ laden für 1. April zur Präsentation „Eine Reise durch Russland“ von Günther Holle ein. Weitere Infos gibt es vor dem Termin auf der Vereinshomepage www.deutsch-russische-bruecke.de.

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