Die Leiden der Cristina Branco berühren Homburger Publikum

Bad Homburg (rosa). Ganz vorsichtig und langsam, fast schüchtern taucht die portugiesische Sängerin Cristina Branco hinter dunklen Vorhängen auf der Bühne vor dem Kaiser-Wilhelms-Bad auf. Sie ist gekommen, den Bad Homburgern das Leiden, die Sehnsucht und die Schwermut des portugiesischen Fado näherzubringen. Aber sie ist auch gekommen, um mit ihrer unkonventionellen Art im Umgang mit dem Genre Fado sowie ihrer sympatischen, warmen Ausstrahlung und ihrer Fröhlichkeit die Zuhörer im Kurpark in ihren Bann zu ziehen. Dies gelingt ihr vom ersten bis zum letzen Ton an diesem Abend, an dem sie im Rahmen des Rheingau Musik Festivals in der Kurstadt gastiert.

Sie hat sich vor dem Konzert den Knöchel verstaucht, was der Grund für ihr behutsames Betreten des Podiums war, und mit leicht schmerzverzogenem Anlitz setzt sie sich für die erste Weise „Às Vezes Dou Por Mim“ (Manchmal tut es weh) auf einen Barhocker. Doch Knöchelschmerz verwandelt sich im Nu durch Adrenalin und Leidenschaft in Fadoschmerz. Diesen schreit, jammert, haucht, wimmert, intoniert sie leise und laut, in hohen und tiefen Tonlagen, mal sanft, mal fordernd, heraus. Dann ballt sie die Fäuste mit verzerrtem Mienenspiel und öffnet im nächsten Moment die Arme wieder weit. All dies Geschehen wird immer auf den Punkt unterstützt von ihren kongenialen Musikern Bernardo Couto (portugiesische Gitarre), Bernardo Moreira (Kontrabass) und Luis Figueiredo (Klavier), die das schöne Timbre der Fadista unterstreichen.

Ein Pärchen in der sechsten Reihe neigt die Köpfe eng zueinander. Die beiden halten Händchen, wippen mit den Füßen im Takt und genießen die Veranstaltung sichtlich. Nach ihren Intentionen in Sachen portugiesischer Musik gefragt, berichten die Eheleute gerne, dass sie sehr Portugal-affin sind, vor einigen Jahren im Kaiser-Wilhelms-Bad geheiratet haben und sich nun freuen, den Fado an dieser Stelle erleben zu dürfen.

Cristina Branco spürt derweil bestimmt ihren Knöchel nicht mehr, sondern nur noch die Musik. Sie gestikuliert intensiv, fährt sich immer wieder lasziv durch die dunklen Haare und schenkt den Besuchern im Kurpark die „Tonada De La Luna Llena“, in der es um den Vollmond geht wie bei der spanischen Band „Mecano“ in „Hijo De La Luna“ (Kind des Mondes). Und wenn Cristina Branco die zarte Seite ihrer Stimme zeigt, klingt sie ein wenig wie Ana Torroja, die Sängerin von „Mecano“. Es folgen weitere hingebungsvoll vorgetragene Lieder wie etwa „Eu“ (Ich), der „Fado Tango“ und die Zeitbombe „Bomba Relógio“. Manchmal steht sie in ihrem weißen Jumpsuit aus Leinen und den bis zur Schulter reichenden braunen Haaren mit ausgebreiteten Armen und erhobenen Hauptes da wie die Jesus-Statue „Cristo Redentor“ in Rio de Janeiro oder die „ Cristo Rei“ in Lissabon.

Der Blues der Portugiesen

Es ist, als ob sie die Schmerzen tatsächlich auf der Bühne durchleidet, die der Fado in seinen Texten beschreibt. Melancholie, Wehmut, Fernweh, Liebeskummer und die Saudade, der Weltschmerz, sind die Themen, denen sich der Fado widmet, der oft auch als der Blues der Portugiesen bezeichnet wird.

Doch dann wird es noch einmal beschwingt mit „Saber Aqui Estar“, und das zuweilen und in Teilen etwas steife Publikum beginnt zu dieser wunderschönen, energetischen Melodie mitzuklatschen.

Hatte die Sängerin zuvor den Gedanken, ihrem Publikum könne es kalt werden da unten, und es sei vielleicht Zeit nach Hause zu gehen, spricht sie jetzt ins Mikrofon: „Ihr seid wirklich widerstandfähig!“ Sagt’s und platziert ihre Zugabe „Quando Julgas Que Me Amas“ (Wenn du glaubst, dass du mich liebst) mitten in die Herzen aller Anwesenden. „Das ist ein klassischer, alter Fado“, wird hier und da geflüstert, während Cristina Branco sich mit gesenktem Kopf eine Träne aus dem Auge wischt. „Ob sie wohl wirklich weint?“, fragen sich manche Zuschauer. Es wäre authentisch und würde zu den traurigen Geschichten, die der Fado meist erzählt, aber auch zu Cristina Brancos Temperament, völlig in ihrer Musik aufzugehen, passen. Obrigada Cristina, für einen herrlich traurig, bittersüßen Abend voller Poesie.

Cristina Branco hat das Leiden, die Sehnsucht und die Schwermut des portugiesischen Fado mit nach Bad Homburg gebracht. Foto: A. Lachmund

Sängerin Cristina Branco schreit, jammert, haucht, wimmert, intoniert in hohen und tiefen Tonlagen, mal sanft, mal fordernd. Dann ballt sie die Fäuste mit verzerrtem Mienenspiel und öffnet im nächsten Moment die Arme wieder weit. Foto: A. Lachmund

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