Lesepaten wecken die Lust auf Literatur

Lesen gemeinsam (v. l.): Lesepate Eberhard Wende, Schüler Alois (11, 5bF), Lesepatin Evelyn Hülsmann und Schüler Samuel (11, 5bF). Foto: fch

Bad Homburg (fch). Samuel hat sich erstmals ein Buch in einer Buchhandlung bestellt. „Früher hätte ich nie so einen Aufwand betrieben und wäre extra wegen eines Buchs in die Stadt gefahren“, sagt der Elfjährige. Sein Klassenkamerad Alois nickt und sagt: „Ich habe früher nur dünne Bücher gelesen. Jetzt lese ich dicke Schinken wie Harry Potter.“ Die Aussagen der beiden Schüler aus der Klasse 5bF der Gesamtschule am Gluckenstein (GaG) sind für ihre Zuhörer ein großes Lob. Klassenlehrerin Marianne Gjurin strahlt mit den beiden Lesepaten Eberhard Wende und Evelyn Hülsmann um die Wette.

Erfreut lächeln auch Dagmar Haase vom Lesepaten-Steuerungsteam und Diplom-Sozialarbeiterin Alexandra Kirschner-Wedell aus dem städtischen Integrationsbüro über die Aussage der Buben. Sind sie doch ein Beleg dafür, dass sich der ehrenamtliche Einsatz der 40 Lesepaten, von denen immerhin sieben Männer sind, lohnt. Zwei Mal in der Woche für je 20 Minuten treffen sich bis zu 150 Schüler an sechs Grund- und einer Gesamtschule sowie im Stadtteil und Familienzentrum Kirdorf-Eichenstahl (Juks-Verein) und in der Spiel- und Lernstube in der Altkönigstraße, einzeln oder in Gruppen mit ihren Lesepaten. „Mir hat das Vorlesen sehr geholfen“, bestätigt Samuel. „Bei meinem Lesepaten kann ich auch Wörter aus Texten in anderen Fächern, die ich nicht verstanden habe, nachfragen“, fügt Alois hinzu.

Individuelle Förderung

Beide Schüler sagen, dass sie durch ihre Lesepaten den Spaß am Lesen entdeckt haben und jetzt auch in ihrer Freizeit lesen. Samuel ist derzeit ein eifriger Leser von Mangas wie „Naruto“ von Masashi Kishimoto. Alois favorisiert den Comic-Roman „Toms Meisterwerk“ von Liz Pichon. „Diese individuelle Hilfe, wie ein Lesepate sie geben kann, ist für einen Lehrer mit 20 Kindern in einer Klasse nicht machbar“, sagt die Pädagogin. Die Lesepaten holen die Schüler einzeln oder in kleinen Gruppen bei ihrem jeweiligen Kenntnisstand ab. „Wir helfen Kindern der Klassen eins bis sechs ehrenamtlich beim Lernen der deutschen Sprache“, informiert Dagmar Haase. Ziel sei es, dass die Schüler mit Freude Lesen lernen, das Gelesene verstehen, denn „flottes Lesen heißt nicht, den Text zu verstehen“, und durch das Lesen ihren Wortschatz erweitern. Gefördert werde durch das laute Vorlesen auch die Freude am Schreiben und der kreative Umgang mit der Sprache. „Für Kinder mit Migrationshintergrund ist auch die Aussprache wichtig“, fügt Evelyn Hülsmann hinzu. Das habe sich bei einem Schüler aus China gezeigt.

Beide Seiten profitieren

In Absprache mit den Lehrern helfen die Lesepaten Schülern auch bei Textaufgaben in Mathematik oder andern Fächern. „Selbst Märchen zu verstehen ist für viele Kinder nicht einfach“, hat Eberhard Wende festgestellt. Es gebe viele Defizite auch bei Kindern, die flüssig Deutsch sprechen. „Unser Ziel ist es, Schwachpunkte bei Schülern in den ersten beiden Klassen aufzugreifen und zu beheben. Und nicht erst, wenn es ab der dritten Klasse brennt“, sagt Evelyn Hülsmann. Wichtig sei es, die Schüler für jeden kleinen Fortschritt zu loben, sie zum Weiterlesen zu ermuntern. Über Inhalt, Art und Weise und Umfang der Lesehilfen entscheiden die Lehrer.

Doch nicht nur die Schüler profitieren von den gemeinsamen Treffen, sondern auch die Lesepaten wie Eberhard Wende berichtet. Es sei eine sinnvolle und erfüllende Beschäftig-ung im Ruhestand. „Die Entwicklung und die Zukunft unserer Kinder hängt von der Beherrschung der deutschen Sprache ab. Viele Kinder brauchen zusätzliche Unterstützung, damit sie bessere Chancen in der Schule und im Leben haben. Wir wollen sie beim Erwerb dieser wichtigen Schlüsselkompetenz unterstützen“, sagen die Lesepaten. Sie freuen sich über Unterstützung durch weitere Bürger. Vormittags an den Schulen und nachmittags an den beiden genannten Institutionen.

Die Stadt unterstützt die Lesepaten mit Räumen für Treffen und Schulungen. Über einen Anruf von Interessenten freuen sich die Bad Homburger Lesepaten Dagmar Haase, Telefon 06172-44831, Mobil 0160-97419789, und Evelyn Hülsmann, Telefon 06172-983698 und Mobil 0174-6201882.



X