Bad Homburg (ks). So mancher hat sich die Augen gerieben, als es auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei Otto zwischen Gluckensteinweg und Wiesbadener Straße wieder zu grünen und zu blühen begann. Das kleine Wunder ist einer fünften Generation der Gärtner-Familie zu verdanken, die eine 150-jährige Tradition erhalten und fortsetzen möchte; allerdings unter etwas anderen Voraussetzungen als die Vorfahren.
Florian Otto ist promovierter Politikwissenschaftler, seine Frau Kathrina Liebe Anwältin. Nach zehn erfolgreichen Jahren in London hat das Paar seine Zelte in England abgebrochen und ist zu den Wurzeln zurückgekehrt. Mit dem Brexit habe das aber nichts zu tun. „Wir haben uns über die Jahre hinweg in der Familie immer einmal wieder darüber unterhalten, was man Sinnvolles mit dem Gelände anfangen könnte“, denn ein Verkauf sei für die Eltern Klaus und Vernonika Otto nicht in Frage gekommen. Der Gedanke, an die alte Gärtner-Tradition anzuknüpfen, sei über die Jahre gereift und immmer stärker geworden. Florian Otto hat diese Liebe im Vornamen und von den Vofahren mitbekommen. Seine Frau zu überzeugen war ein Leichtes, denn die Münchnerin liebt die Natur und „die Vision Gärtnerei und Hund“ habe sie fasziniert. Die ist inwischen zur Realität geworden, und der schwarze Retriever signalisiert schwanzwedelnd Zustimmung.
Das Anfang ist gemacht, aber nach den ersten drei Jahren sind weitere Anstrengungen nötig, um das Unternehmen mit dem schönen Namen „Ottos Liebe“ auf Kurs zu bringen. Deshalb arbeitet das Paar noch Vollzeit in seinen Berufen in Frankfurt und widmet sich rund 20 Stunden der Gärtnerei. Lockdown mit Homeoffice hätten zwar etwas Erleichterung gebracht, „aber es ist manchmal schon hart“, gesteht Katharina Liebe. Trotzdem haben beide diesen Neustart nicht bereut und den Mut zum Risiko nicht verloren. .„Wir sind uns klar darüber, dass es ein Versuch mit offenem Ausgang ist“, räumt Florian Otto ein. Bisher scheint ihnen der Zuspruch Recht zu geben. „Kunden der Eltern kommen vorbei und freuen sich, dass es weitergeht. Sie loben die gute Qualität der Ottos, an der auch wir festhalten“, erklärte Florian Otto. Dass es zur Zeit Dahlien in allen Farben und Formen gibt, freue Blumenfreunde besonders. Diese schönen aber auch recht sensiblen Ladys findet man nicht so häufig. „Ich schneide sie am frühen Morgen und binde sie zu Sträußen, die am gleichen Tag verkauft werden. Dann halten sie länger“, erläuterte Katharina Liebe.
„Wir hätten diesen Schritt nicht wagen können, wenn uns mein Vater nicht von Anfang an zur Seite gestanden hätte“, versichert Florian Otto. Seniorchef Klaus Otto bringt nicht nur seine Erfahrungen mit ein, er packt auch tatkräftig mit an. Für ihn, wie zuvor schon für Großvater Georg, gelte die Devise: „Er muss nicht, aber er darf.“ Und der Herr Papa freut sich, dass er „darf“. Georg Otto hatte immerhin bis zum 80. Lebensjahr und sein Sohn bis zum 70. Geburtstag durchgehalten. Als Tochter Julia 2014 den ersten Enkel zur Welt gebracht hatte, gaben Klaus und Veronika Otto das Blumengeschäft auf. Im Verlauf der Jahre sei die Situation zudem immer schwieriger geworden, und die Eltern hätten bei ihrem Qualitätsanspruch nicht mit der preiswerteren Konkurrenz Schritt halten können, sagte der Sohn.
Das junge Paar hatte sich zuvor viele Anregungen geholt und sich auch von der englischen „Slowflower-Bewegung“ inspirieren lassen, die auf Saisonalität, Regionalität und Nachhaltigkeit setzt. Es gibt sie auch in Deutschland, und die Neugärtner haben sich diesem „losen Verbund“ angeschlossen, dessen Mitglieder sich gegenseitig mit Rat und Tat unterstützen. In der Praxis bedeutet diese Ausrichtung „ökologisch aber ohne Zertifikat“ schonende Handarbeit und ein Angebot an Blumen, Gemüse und Früchten, wie sie der Jahreslauf bereithält. Alles wird umweltfreundlich verpackt. Für eine kleine Verschnaufpause stehen Kaffeegetränke bereit, und auch die Becher dazu sind aus umweltfreundlichem Material. Der Gedanke, solche Orte auch zu einer Begegnungsstätte zu machen, in der die Menschen in die Natur eintauchen und die Seele baumeln lassen können, gehört mit zum Slowflower-Konzept. Den hat auch das Paar im Auge. Er hat Auftrieb bekommen, als zwei Pädagoginnen von „Lyndgrün“ anfragten, ob sie mit kleinen Gruppen kommen düften. Dieses Angebot stehe auch anderen offen.
In den vergangenen drei Jahren gab es an dem kleinen Verkaufsstand am Gluckensteinweg Erdbeeren, Tulpen, Wiesenblumen, Pfingstrosen, Dahlien, Zinnien, Zucchini, Kräuter, Kürbisse und aktuell auch wieder Tomaten in vielen Sorten, Größen und Farben. Der kleine Veraufsstand ist dienstags und freitags von 8 bis 14 Uhr sowie samstags von 9 bis 14 Uhr geöffnet.
In der fünften Generation wollen Dr. Florian Otto und seine Frau Katharina Liebe die Familientradition fortsetzen. Foto: Staffel