Bad Homburg (a.ber). „Auf geht’s!“ Christoph Köhn vom Naturschutzbund (Nabu) Ober-Erlenbach bittet den Bürgermeister, seinen Fuß auf fremdes Terrain zu setzen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches für einen Politiker. Aber hier ist nun Einfühlungsvermögen besonders gefragt: Dr. Oliver Jedynak tastet sich mit nackten Füßen langsam vorwärts, harter Einstieg über Schottersteine, dann Sägespäne, Torf, Kies, Tannenzapfen, Holzhackschnitzel.
Am Ende der 22 Felder des Barfußpfads, den die Ober-Erlenbacher Nabu-Gruppe als Höhepunkt ihres neuen Biotops und Lehrgartens angelegt hat, wartet immerhin ein alter Gartenklappstuhl mit Handtuch – die Schuhe werden dem Bad Homburger Oberhaupt nachgetragen. Viel Spaß hatten die Mitglieder der Naturschutzgruppe, städtische Vertreter und weitere Erlebächer bei der offiziellen Eröffnung des „Pflanzgahw-Ein Naturrtens“ am Rande des Lohwalds. Hier kann ab jetzt jedermann Natur hautnah erfahren und viel Lehrreiches über Pflanzen, Tiere und Wald lernen.
In mehr als 1000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden hat die Ober-Erlenbacher Nabu-Gruppe, allen voran Werner Feucht und Uwe Schengendorf, auf einem ehemals verwilderten Areal hinter den Streuobstwiesen des Bad Homburger Stadtteils am Lohwald einen Platz geschaffen, an dem Natur beobachtet und erlebt werden kann. Das Grundstück, das vor vielen Jahren von einem Mitglied des Vereins erworben worden war, selten mal für Vereinstreffen diente und sich unbeachtet in ein echtes Wildbiotop verwandelt hatte, haben die Naturschützer nun vorsichtig aufgeräumt und umgestaltet. Vor drei Jahren fällten sie 40 Fichten, die Förster Busch wegen starken Borkenkäferbefalls gekennzeichnet hatte. „Und dann hatten wir die Idee, das Gelände an Natur interessierten Menschen zugänglich zu machen“, so der Vorsitzende des 75 Mitglieder umfassenden Vereins, Simon Heß. „Wir hatten viel Totholz“, erzählt Werner Feucht, der seit Jahrzehnten Mitglied im Ober-Erlenbacher Nabu ist. Einfach fortgeschmissen wurde das tote Holz aber nicht, die Natur verwendet ja auch vieles weiter, um neues Leben entstehen zu lassen.
Wenn Besucher des neuen „Pflanzgartens“ das stets unverschlossene Tor zum Gelände öffnen, finden sie deshalb alte Baumstämme zum Balancieren, einen Totholzstamm als neues Refugium für kleine Tierchen wie Käfer und Würmer, sehen übereinander gestapelte dürre Äste, aus denen eine lebende Naturhecke entsteht – und die zugehörige Informationstafel „Entstehung einer Benjeshecke“ zeigt in Wort und Bildern, wie durch Samenanflug und kleine Initialpflanzungen schließlich Insekten, Kröten, Eidechsen und Vögel hier Unterschlupf finden. Der Rundweg führt durch 80 neu gepflanzte Sträucher wie Kornelkirsche, Liguster, Schlehe, Kupferfelsenbirne und Schwarzdorn, „die haben wir gemeinsam mit dem Förster ausgesucht und im März 2021 gesetzt“, sagt Werner Feucht. Weitere Info-Tafeln über Nester und Tierspuren, Nistkästen oder Vögel hat der Verein aufgestellt. Die Ständer für die Tafeln aus Robinienholz hat Werner Feucht mit seinen Mitstreitern selbst gezimmert, ebenso wie das riesige Vogelfutterhäuschen – der gegenüber stehende Vogel-Beobachtungsstand wird auch bald fertig sein. Nicht weit entfernt ragt eine „Klotzbeute“ auf, die gemeinsam mit Karbener Bienenfreunden hier errichtet wurde und die noch auf ein wildes Bienenvolk wartet, das dort einzieht.
Vorbei an einem Igel-Häuschen auf dem Waldboden und handgeschnitzten Tierfiguren geht es zum Kräuter-Lehrpfad. Corinna Winderling vom Vorstand, zuständig für Jugendarbeit des Vereins, hat liebevoll kleine Felder mit Brennnesseln, Löwenzahn, Waldmeister und Knoblauchrauke bepflanzt. Die Ober-Erlenbacherin will hier in Zukunft Schulklassen und Kindergarten-Gruppen den Nutzen von Wildkräutern erklären, mit ihnen Kräutersalze, Tinkturen und Salben herstellen. Der Nabu, sagt Winderling, kann auch private Kinder- und Erwachsenengruppen im Lehrgarten in Themen der Natur einführen. Es gibt Arbeitsplätze im Freien und einen Unterstand zum Sitzen.
„Uns geht es ums Anfassen und Mitmachen“, sagt Christoph Köhn. „Der Pflanzgarten ist gerade für die Ober-Erlenbacher Neubürger und Familien ein schönes Angebot. Danke für die vielen geleisteten ehrenamtlichen Arbeitsstunden“, lobt Bürgermeister Oliver Jedynak. Von den 9600 Euro Kosten für die Anlage hat die Stadt fast die Hälfte übernommen. „Wir freuen uns über den Garten im Wald, besonders für unsere Kinder ist das schön!“, begeistert sich eine Erlenbacher Großmutter, die mit den kleinen Enkeln zur Eröffnung gekommen ist.
!Vom Nabu-Haus, Am Lohwald 8 in Ober-Erlenbach, gelangt man entlang des Feldwegs durch die Streuobstwiesen nach zehn Minuten Fußweg zum Biotop und Lehrgarten „Pflanzgarten“ am Rand des Lohwäldchens. Der Zutritt ist jederzeit möglich und kostenfrei. Die Ober-Erlenbacher Nabu-Gruppe bittet um pflegliche Behandlung der Anlage und darum, dass nicht zu viele Besucher auf einmal sich dort aufhalten. Die Vogel- und Naturschutzgruppe Ober-Erlenbach ist per E-Mail an info[at]nabu-obererlenbach[dot]de, Telefon 0174-2436412 (Simon Heß), zu erreichen.