Wie aus dem Nichts gerät das Leben aus den Fugen

Katja (Anna Schäfer) mit ihrem Anwalt Danilo (Mathias Kopetzki) beim ersten Verhör der Richterin. Foto: Staffel

Bad Homburg (ks). Die Aufführung des Politikthrillers „Aus dem Nichts“ von Miraz Bezar nach dem gleichnamigen Film von Fatih Akin war beklemmend. Und sie hat eine unbestimmte Furcht hinterlassen. Denn man weiß es inzwischen längst, dass das, was da an brauner Brühe offen und im Untergrund brodelt, dicker und weitaus gefährlicher ist als offizielle Stellen das noch immer wahrhaben wollen. Der Autor erzählt zwar eine fiktive Geschichte; sie hat aber direkte Bezüge zu Terroranschlägen der rechten militanten Szene im Land und speziell zu den Aktionen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Wie der Mord am Kasseler CDU-Politiker Walter Lübcke bestätigt hat, geht das Morden weiter.

Katja (großartig Anna Schäfer) hat bei einem Anschlag mit einer Nagelbombe ihren deutsch-kurdischen Mann Nuri und ihren Sohn Rocco verloren und gleich den Verdacht, dass Neonazis dahinterstecken. Sie hat das junge Ehepaar Schäfer im Auge, in dessen Garage tatsächlich Spuren der Bombe gefunden werden. Außerdem hatte Katja auch ein herrenloses Fahrrad mit einem Paket auf dem Gepäckträger beobachtet; aber auch dieser Spur geht niemand nach, und niemand glaubt ihr. Selbst die eigene Mutter hält eher den „ausländischen“ Schwiegersohn Nuri für schuldig, obwohl er deutscher Staatsbürger ist. Die Schäfers werden schließlich freigesprochen. Nach dem Motto „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ wird monatelang im Umfeld von Nuri und seinen angeblichen Kontakten ins Rotlichtmilieu „ermittelt“, Katja selbst gedemütigt und verdächtigt, bis ihr Leben „wie aus dem Nichts“ völlig aus den Fugen geraten ist. Wie im Zschäpe-Prozess deutlich wurde, prangert auch Akin das Versagen der Behörden und Personen an, die mit der Aufklärung der Anschläge betraut waren. Darunter so manche ehrliche Haut, der man keinen Glauben schenkte. Der Thriller vermittelte eindrucksvoll, welchem enormen Leidensdruck die Familien der Opfer ausgesetzt sind, denen man auch mit schmutzigen Tricks und Verleumdungen der Opfer Informationen zu entlocken suchte. Bis heute „schwammig“ ist die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der von ihm eingesetzten V-Leute. Das Eis ist dünn, auf dem sich „Recht und Gesetz“ behaupten müssen. Katja ist am Ende so frustriert, dass sie einen Entschluss fasst. Sie baut die Bombe des Nazi-Pärchens Schäfer nach und sprengt sich in deren Wohnwagen in Griechenland in die Luft, wo das Paar Urlaub macht.

Das große Ensemble des Euro-Studios Landgraf hat gut gespielt und den Zuschauern auf lebendige und eindringliche Weise ein Stück Zeitgeschichte nahegebracht, das bisher noch kein gutes Ende gefunden hat. Es gab anhaltenden Beifall vom Publikum, in dem diesmal auch die junge Generation recht gut vertreten war.



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