Bei den „Patentöchtern“ ist der Tisch abgedeckt

Schauspielerin Katharina Kurschat fühlt ihre Rolle als Corinna Ponte und beeindruckt die am Tisch sitzenden Schülerinnen.Foto: lis

Bad Homburg (lis). Voller Aufregung und Erwartungen sitzen die Schülerinnen der zehnten Klasse der Maria-Ward-Schule (MWS) an einem gedeckten Tisch in der Aula ihrer Schule. Zwei Schauspielerinnen vom „Schauspiel Frankfurt“ sind zu Gast und erzählen in einem Zwei-Personen-Stück die Geschichte des Mordes am Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, der in Oberursel lebte und am 30. Juli 1977 dort ermordet wurde.

Ponto wurde von Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) umgebracht. Nur durch den Kontakt der Tochter eines Freundes, Susanne Albrecht, zu den Terroristen, war es ihnen möglich, Ponto in seiner Wohnung umzubringen. Die beiden Schauspielerinnen erzählen als Tochter des Opfers, Corinna Ponto, und Schwester der Attentäterin, Julia Albrecht, die zugleich die Patentochter Pontos war, aus der Perspektive der Opfer und der „Zurückgelassenen“. Die Inszenierung spielt auf und um die lange Tafel, an der die Mädchen sitzen, und nicht wie gewohnt auf einer Bühne. Die Schülerinnen haben sich vor dem Besuch des Ensembles mit ihrer Lehrerin, Andrea Glückert, mit der Thematik befasst.

Nachdem die Mädchen schon im vergangenen Jahr „Romeo und Julia“ des „Schauspiels Frankfurt“ besucht hatten, bestand nun ein noch größeres Interesse am aktuellen Stück. Schulleiterin Dr. Leonie Fuhrmann betont: „Für unsere Schule ist der Auftritt des ‚Schauspiels Frankfurt‘ ein tolles und vor allem wichtiges Ereignis. Durch das Bombenattenat auf Alfred Herrhausen im Jahr 1989, das sich ganz in der Nähe der Schule im Seedammweg erreignete, sehe ich mich in der Pflicht, meinen Schülerinnen das Thema näherzubringen.“

In dem Theaterstück werden Briefe von Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern der Opfer zu der Tat vorgelesen. Die Schülerinnen sind beeindruckt von der Schauspielkunst und den emotionalen Szenen, die die beiden Schauspielerinnen Katharina Kurschat und Julia Staufer zeigen. Zwischen Corinna Ponte und Julia Albrecht herrscht ein angespanntes Verhältnis, die eine trauert um ihren Vater, während die andere Mitschuldgefühle plagen, da ihre Schwester an dem Mord beteiligt war.

Teller fallen zu Boden

Für die Protagonistinnen ist es eine neue Erfahrung und eine „andere Art von Theater“, mal nicht auf einer Bühne zu spielen. „Man weiß nie, wie die Zuschauer reagieren, wenn man sie während der Vorstellung anspricht und ihnen so nahe kommt“, sagt Kurschat nach der Aufführung.

Dass dieses „Klassenzimmertheater“ viel Aufregung und Emotionen hervorruft, sieht man auch daran, dass der am Beginn der Vorstellung noch gedeckte Tisch später abgedeckt ist. Sowohl Katharina Kurschat als auch Julia Staufer reißen nach und nach Tischdecken und Geschirr von der Tafel und springen auf den langen Tisch.



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