Projekt Stolpersteine: Seit zehn Jahren aktiv gegen das Vergessen

Bad Homburg (hw). Immer wieder stößt man bei einem Spaziergang durch die Kurstadt auf sie. Gold glänzend heben sie sich vom meist tristen Grau des Pflasters ab. Wer dann genau hinschaut, kann sie lesen, die Namen von Menschen, die einmal hier gelebt haben. Sie erinnern an die unmenschlichen Verbrechen der NS-Zeit, in der Männer, Frauen und Kinder abgeholt und deportiert wurden, nur weil sie Juden waren.

Seit zehn Jahren gibt es bereits die Initiative Stolpersteine, ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese Schicksale nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, durch das Verlegen dieser goldenen Steine, auch Stolpersteine genannt. Im vergangenen Jahrzehnt konnten 83 dieser Steine verlegt und mit den Inschriften 83 Opfern ein kleines Stück Menschlichkeit zurückgegeben werden.

„Es traf überwiegend Juden, viele davon längst zum christlichen Glauben übergetreten. Heute würden wir sagen: Bestens integriert, ja assimiliert“, sagt Wolfram Jurezek, Mitinitiator der Initiative. Auch für ein behindertes Kind und einen christlichen Bäcker, der es wagte, Juden weiter zu bedienen, musste je ein Stein verlegt werden. Nachfahren der Familien kamen aus aller Welt. Mehrfach wurde gefragt: Wird überall in Deutschland so dem Unrecht an Ihren Vorfahren gedacht?

Diese Besucher Bad Homburgs lassen sich von Bad Homburger Schülern als Zeitzeugen befragen. Jedes Jahr veranstaltete eine der Homburger weiterführenden Schulen eine würdige Veranstaltung mit den Nachfahren. Dies ist der umsichtigen Vorbereitung durch die Lehrer zu verdanken.

Die Schicksale werden durch Mitglieder der Initiative erforscht und in einer Broschüre dokumentiert. Diese jährliche Broschüre wird kostenlos ausgelegt. Das Interesse der Bad Homburger Bürger ist groß. Rund 15.000 Broschüren sind mittlerweile ausgegeben worden, weiß Juretzek zu berichten.

„Über all dies hinaus lernten wir als Mitglieder, dass Stolpersteine ein weiteres Wirkungspotential eröffnen. Sie zeigen am Ort der Vertreibung, oft der Deportation, was in einer Gesellschaft passieren kann. Man kann sich die Geschichte eines jeden Einzelschicksals vorstellen, bekommt ein Gefühl für Veränderungen.“ Der ein oder andere wird sogar selbst aktiv, indem er die Stolpersteine aus Messing putzt. Die Homburger Schulen nutzen dieses Potential, um Jugendliche für Demokratie gefährdende Veränderungen zu sensibilisieren. Es gibt inzwischen eine von Schülern programmierte App, in der Lebensgeschichten zu Steininschriften abgerufen werden können.

Auch Ausstellungen, Vorträge und Führungen werden von den Aktiven der Stolpersteininitiative angeboten. Am 9. September findet die nächste Verlegung statt.

Regelmäßig helfen Bad Homburger Schüler dabei, die Stolpersteine zu putzen. So wie im Jahr 2023 Jugendliche der Gesamtschule am Gluckenstein.Foto: Initiative Stolpersteine



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