Ein Rebell, den nicht nur die Frauen liebten

Dominique Horwitz hat sich so intensiv in die Rolle des Serge Gainsbourg eingelebt, dass er sogar zum Kettenraucher wurde. Foto: Staffel



Bad Homburg (ks). Der Sänger und Musiker Serge Gainsbourg (1928-1991) sollte Kunstmaler werden, und er hat dieses Metier auch erlernt. Doch allmählich wurde die Liebe zur Musik stärker. Der junge Franzose entdeckte seine Talente als Sänger, Songschreiber, Komponist und Schauspieler, schrieb Lieder und Filmmusiken und wurde der „größte Popstar“, den Frankreich hervorgebracht hat.

Als Lucien Ginzburg geboren und jüdischer Herkunft, erlebte der junge Mann die Besetzung seiner Vaterstadt Paris durch die Deutschen und musste einen Judenstern tragen. Eine schlimme Erfahrung. Die Familie zog sich aufs Land zurück und kehrte erst nach dem Krieg wieder nach Paris zurück. Gainsbourg konnte den Landsleuten nicht verzeihen, die mit den Deutschen kollaboriert hatten. Vielleicht beförderten diese Erlebnisse seinen Hang zur Provokation, mit verbalen Ausschweifungen und Aktionen bis hin zur Geschmacklosigkeit: Ein Leben am Limit, das der „Dreifaltigkeit Alkohol, Zigaretten und Frauen“ gewidmet war. Aber seine Musik, seine sehr speziellen Songs und musikalischen Erfolge, gepaart mit Charme und Ausstrahlung, versöhnten die Menschen mit diesem Rebell, den nicht nur die Frauen liebten. Bei seiner Beerdigung soll es in Paris einen Verkehrsstau und in ganz Frankreich viele Tränen gegeben haben. Wer diesem Künstler und seiner Biographie etwas näher kommen wollte, musste Opfer bringen. Das hat Dominique Horwitz bewiesen. Um Annäherung an diesen schwer zu fassenden „Kollegen“ bemüht, wurde er auf der Bühne des Kurtheaters zum kettenrauchenden Interpreten, das Zigarettenpäckchen immer griffbereit in der linken Hand. Nur im Glas war wohl eher Tee als Whisky.

Der großartige Sänger und Schauspieler Horwitz ist in Paris geboren, zweisprachig aufgewachsen und mit der französischen Mentalität vertraut. Er kam mit seinem Gesang und seinen autobiographischen Anmerkungen Gainsbourg ziemlich nahe, schaffte aber auch das Kunststück, dennoch die nötige Distanz zu wahren. Horwitz war nicht allein auf der Bühne. In der kleinen Kombo mit Hammondorgel und Keyboard, E-Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug hatte er kreative Musiker an seiner Seite, die nach einem zunächst viel zu lauten Entree zu einer erträglichen Lautstärke fanden, die auch den musikalischen Feinheiten besser gerecht wurde.

Von den unzähligen Liedern und Songs aus Gainsbourgs Feder hatte Dominique Horwitz die wichtigsten und auch international bekanntesten im Repertoire. Sie ließen erkennen, dass Gainsbourg ein Faible für das Widersprüchliche hatte. Das bezeugen Songs wie „Docteur Jekyll und Monsieur Hyde“, über das Gangsterpaar „Bonnie und Clyde“ und auch der berühmte Song „Je t’aime – moi non plus“. Dieser wurde wegen der Eindeutigkeit des Textes zwar als „abscheuliche Obszönität“ gebrandmarkt, doch hat das seiner Verbreitung eher genützt als geschadet. Gainsbourg hatte das Lied ursprünglich seiner großen Liebe Brigitte Bardot zugedacht; es wurde aber auf deren Bitte hin nicht veröffentlicht, weil sie noch mit Gunter Sachs verheiratet war. Gesungen hat es Jane Birkin, eine spätere Lebensgefährtin von Gainsbourg, die ihm zum Welterfolg verhalf.

Als Musiker hatte sich Gainsbourg mehr und mehr der Popmusik zugewandt, der mit seiner Reggae-Version der französischen Nationalhymne Marseillaise einmal mehr für Aufregung und Aufsehen sorgte. Aber auch dieser Hit wurde ein Welterfolg. Dieser grandiose „biographische Chansonabend über das spektakuläre Leben des Serge Gainsbourg“ wurde von Dominique Horwitz gemeinsam mit dem Musikdramaturgen Berthold Warnecke gestaltet. Idee, Konzept und Inszenierung stammen von Dominique Horwitz und wurden in Zusammenarbeit mit der a.gon Theater GmbH München verwirklicht.

Es hat ein bisschen gedauert, bis sich das Publikum für diesen vielen eher unbekannten, außergewöhnlichen französischen Künstler und seine Musik und Songs erwärmt hatte. Aber am Ende war der Beifall für Dominique Horwitz und seine vier Musiker verdient groß und herzlich.



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