Robust, gesund und preisgekrönt

50 verschiedene Apfel- und zehn Birnensorten präsentiert die Landesgruppe Hessen des Pomologen-Vereins im Schlosspark. Fotos: fch

Bad Homburg (fch). Bekannt und beliebt ist der „Friedberger Bohnapfel“ bei Obstanbauern als reiner Wirtschafts- und Kelterapfel mit guter Saftausbeute. Am Sonntag kürte die Landesgruppe Hessen des Pomologen-Vereins in Bad Homburg den erstmals 1908 im Großherzogtum Hessen genannten Apfel zur „Hessischen Lokalsorte 2022“.

Vergeben wurde die Auszeichnung „Hessische Lokalsorte“ zum 20. Mal. Die Herkunft des „Friedberger Bohnapfels“ sei unbekannt, informiert Steffen Kahl bei seiner Vorstellung der Hessischen Lokalsorte 2022 im Rahmen der Feier der historischen Obstkultur in der Bad Homburger Schlosskirche. Bekannt ist dagegen der hohe Polyphenolgehalt des säuerlichen Apfels. Er liegt bei rund 2000 Milligramm pro Kilogramm.

Polyphenole sind aromatische Verbindungen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören. Im Apfel befinden sie sich vor allem in der Schale und direkt darunter. Polyphenole gelten als sehr gesundheitsfördernd. Einige Polyphenole wirken wie andere Antioxidantien unter anderem entzündungshemmend und krebsvorbeugend. Ein hoher Gehalt an Polyphenolen macht Äpfel aromatisch und verträglicher für Allergiker, allerdings auch weniger süß, und sie werden schneller braun. Verbreitet ist der robuste „Friedberger Bohnapfel“ in Mittel- und Südhessen, vor allem in der Wetterau, dem Taunus und dem nördlichen Odenwald. Aber auch in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind Bäume der Sorte, die sich durch einen starken Wuchs mit hochkugeligen, ausladenden, großen Kronen auszeichnen, zu finden. Geerntet wir der „Friedberger Bohnapfel“ von Anfang bis Mitte Oktober, genussreif ist er zwischen November und Januar. Deshalb wurde er schon früher als „Massenträger für Mostzwecke“ empfohlen, wie Steffen Kahl berichtet und im neuen Faltblatt der Landesgruppe Hessen des Pomologen-Vereins nachzulesen ist.

Apfelsorten zum Angucken

In Augenschein nehmen konnten Besucher die alte Apfelsorte beim „Tag der offenen Tür im Bad Homburger Schlosspark“, zu dem die Landesgruppe Hessen des Pomologen-Vereins erstmals mit dem Fachgebiet Gärten und Gartendenkmalpflege der Staatliche Schlösser und Gärten Hessen eingeladen hatte. Vor und im Tempel der Pomona im Parkbereich „Fantasie“ beim Herrschaftlichen Obstgarten hatten die Mitglieder der Landesgruppe Hessen eine Ausstellung mit 50 verschiedenen Apfel- und zehn Birnensorten aufgebaut. Zum Bedauern der zahlreichen Besucher konnten keine Äpfel gekauft werden.

Betrachten konnten die Besucher die verschiedenen Obstsorten nicht nur in Natura bei den Pomologen, sondern auch als naturgetreues Modell im Tempel der Pomona. Das kleine, gerade vier Mal vier Meter große Gartengebäude wurde erstmals von Landgraf Friedrich V. im Jahr 1776 erwähnt. Gewidmet ist es Pomona, der römischen Göttin der Obstgärten und Baumfrüchte. Der Tempel wurde 2020 von den Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen nach historischen Quellen rekonstruiert. Im Innern des Tempels finden Besucher nach vorheriger Anmeldung 145 Exponate an den Wänden und 64 in multifunktionalen Wissenswürfeln untergebrachten, bebilderten Erläuterungstexten, Informationen zur Geschichte und dem Aussehen, Herkunft und Kultivierung, Ernte, Geschmacksnuancen und Verwendung historischer Obstsorten. Bei den Modellen handelt es sich um bemalte, naturgetreue, detaillierte Modelle aus Pappmaché. Zu sehen sind in der Dauerausstellung im Tempel der Pomona 54 historische Apfelsorten, von denen 34 einst wie auch 14 historische Birnensorten im Schlossgarten angebaut wurden. Ergänzt werden diese Modelle durch 15 heute im Handel erhältliche Birnen- und Apfelsorten sowie eine Quittensorte. Vergrößerte botanische Blütenmodelle und 60 aus verschiedenen Holzarten gedrechselte Äpfel und das letzte erhaltene Originalteil des historischen Tempels runden die Ausstellung ab. „Die Ausstellung ist ein Beitrag zum Schutz der Arten- und Sortenvielfalt“, informiert Katharina Saul, Mitarbeiterin im Fachgebiet Gärten und Gartendenkmalpflege.

So gab es im 19. Jahrhundert mehr als 21 000 Apfel- und Birnensorten. 63 der im Tempel der Pomona gezeigten Sorten stehen auf der „Liste der gefährdeten Nutzpflanzen in Deutschland“ und sind vom Aussterben bedroht. Im Bad Homburger Schlosspark wird ein Teil der einstigen Vielfalt erhalten und nachgepflanzt. Informationen zu den Bad Homburger Streuobstwiesen mit mehr als 7000 Obstbäumen gab es von Werner Nussbaum. Er hat den Bestand in drei Jahren vollflächig kartiert. Peter Vornholt, gärtnerischer Leiter Schlosspark, führte zudem mit weiteren wissenschaftlichen Mitarbeitern durch den Herrschaftlichen Obstgarten, informierte über Geschichte und Erhaltung der Fantasie und die Ausstellungskonzeption des Tempels der Pomona.

Abgerundet wurde das Programm mit einer Lesung von Sofia Blind aus ihrem Buch „Die alten Obstsorten“.

Sofia Blind liest vor dem Tempel der Pomona aus ihrem Buch „Die alten Obsorten“ vor.

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