Wo sonst die Roulettekugel rollt, wird Aleardi zu Gauner Lupin

Pasquale Aleardi ist die ideale Besetzung für eine Lesung der Kriminalfälle von Arsène Lupin. Foto: nl

Bad Homburg (nl). „2023 war er schon einmal da, heute auf Ihren Wunsch hin wieder in der Spielbank. Bitte begrüßen Sie Pasquale Aleardi.“ Tosender Applaus setzt ein. Soweit der kleine Saal, der nur wenige Zuhörer fasst, dies möglich macht. Aus einer mit dunkelrotem, schwerem Samt ausgekleideten Tür schreitet der als TV-Kommissar arrivierte Schauspieler in den Saal, der extra für die Veranstaltung von den Spieltischen befreit wurde. Die verspiegelte, in Goldrahmung gefasste Kassettendecke des Saals, die unzähligen Kronleuchter sowie die Atmosphäre der Spielbank verstärken auf wohltuend stilvolle Art und Weise das literarische Sujet dieses Sonntags.

Aleardis angenehme Stimme, seine zurückhaltende Art und seine freundlichen Blicke mögen den Großteil seines Charmes und seiner Beliebtheit ausmachen. Der Anfang 50-Jährige hält dann auch bei dieser Matinee-Veranstaltung ein, was er in den ersten Momenten vorzugeben verspricht. Er lässt dem Text den Vorrang. Hält sich konzentriert und diszipliniert zurück. Seine Betonung fein, aber präzise konnotiert. Pasquale Aleardi könnte sich mit dieser sonoren Stimme und seiner Seriosität im Blick durchaus auch profunde Karrierechancen als Nachrichtensprecher versprechen. Er ist für die Lesung im Rahmen des Bad Homburger Poesie- und Literaturfestivals genau der Richtige. Denn die Romanfigur, die sich durch konsequente Conténance auszeichnet, findet hier sein Alter Ego. Dann setzen ein paar Takte bekannter französischer Musik vom Band für eine kurze Pause zwischen den einzelnen Kapitelabschnitten ein. Natürlich ausgerechnet in dem Moment, in dem die Handlung an einem der vielen spannenden Momente angelangt ist. „C’est ci bon.“ Das Publikum bleibt weiterhin gespannt.

Maurice Leblanc schrieb in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Geschichten des sogenannten Gentleman-Gauners. Der Mediziner und Jurist Lupin kann mit seiner geschliffenen Intelligenz erfolgreich und im ganz großen Stil ein raffiniertes Katz-und-Maus-Spiel mit den Vertretern der Rechtschaffenheit inszenieren. Dagegen erscheint der legendäre Detektiv Sherlock Holmes als ein kleinmütiger Erbsenzähler. Arsène Lupins unverzichtbare Vornehmheit wird durch seine tadellose Kleidung, seinen Zylinder und ein Monokel glaubwürdig gesteigert. Er ist sicherlich eine der erfolgreichsten Kriminalfiguren der Literaturgeschichte des vergangenen Jahrhunderts. Viele Verfilmungen und derzeit eine erfolgreich in Frankreich produzierte Netflix-Serie erzählen von seiner Raffiniertheit, die Schriftsteller Leblanc in 20 Romanen festhielt.

Pasquale Aleardi, der Mann mit dem klangvollen Namen, ist in Dietikon, in der Schweiz geboren. Seit zehn Jahren verkörpert er erfolgreich Kommissar Dupin, einen aus Paris in die Bretagne strafversetzten Ordnungshüter, der ausgerechnet mit einer Fischallergie zu kämpfen hat. Der Schauspieler liest die makabersten Stellen, die aufregendsten Szenen durchweg mit der distanzierten Haltung eines Manns der Oberschicht.



X