Spiel, Satz und Siegesträume im Kurpark

Aufwärmtraining auf reduzierter Fläche: Ob Alexander Hetjes spielt Deutschlands Nummer 1 Tatjana Maria vor dem Kurhaus warm und macht dabei eine passable Figur. Foto: jüs

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Das Start-Wochenende hat Lust und Hunger auf mehr gemacht. Die ersten Ballwechsel auf den Match Courts bei freiem Eintritt genauso wie die Fanmeile im „Park Village“ mit Foodtrucks für jeden Geschmack und allerlei Volksbelustigung. Auch das bunte Rahmenprogramm „Aufschlag Bad Homburg“ mit Sport, Spiel und Spaß vor dem Kurhaus am Eröffnungstag. Man spürt es deutlich zwischen Kurpark und Einkaufsmeile in der City, die „Bad Homburg Open“ haben begonnen.

Mit der liebevollen Bezeichnung „Klein-Wimbledon“ können die Macher rund um das Tennisturnier sehr gut leben. Mit dem Wissen im Hintergrund, dass im Kurpark schon Tennis gespielt wurde, als in Wimbledon noch der Platz eingesät wurde, hört man das gerne. Das wird durchaus auch erwähnt, nur mal so. Und doch, die schönen Worte der gut erzogenen Weltklasse-Spielerinnen, sie hören sie immer wieder. In der Stadt, im Park Village, auf den Tribünen des Centre-Courts, wo immer sich die Tennis-Welt bewegt. Die „Bad Homburg Open“, ausgespielt in der Woche vor dem weltweit wichtigsten Rasenturnier in Wimbledon, sind angekommen in der Tenniswelt, nach Aufwertung zum WTA 500 Turnier noch mehr. Und „Boutique-Turnier“ mit viel Charme klingt echt fein. In mehr als 160 Ländern wird das medial verbreitet, mit Bildern vom Drohnenflug über den Kurpark und Liebesbekenntnissen der Spielerinnen.

Vom Steigenberger runter zum Centre-Court sind es nur ein paar Meter zu Fuß, die Kurparkbäume spenden Schatten, es ist ein lauschiges Rückschlagspiel möglich, wenn es nicht auch um viel Geld und Punkte für die Weltrangliste ginge. Das hört man am Stöhnen von den Plätzen, hier wird richtig gearbeitet auf dem schnell leicht lädierten Rasen mit Wimbledon-Maß. Tatjana Maria, die hier schon für Furore gesorgt hat, die deutsche Tennis-Mama mit zwei Kindern, liebt das heimelige Turnier auch und all das, wie es hier läuft, sie sagt das mehrfach im Interview am Kurhaus. Wie immer ist sie mit der ganzen Familie unterwegs, spät angekommen, hat sie am Samstag um die Mittagsstunde Alexander Hetjes als ersten Sparringspartner. Der Oberbürgermeister im gepflegten weißen Polo-Shirt, blauer Kurzhose und erdbeerroten Schuhen, das macht Eindruck. Der Hobby-Tennisspieler zieht sich beim Showkampf auf klein gezoomten 9x4-Meter-Kunstrasenplatz gut aus der Affäre, Tatjana Maria erfreut das faire Publikum später mit Autogrammen. Und scheidet dann am Sonntag im ersten Match leider schnell aus.

Schon am Samstag ist vor dem Kurhaus ordentlich was los. Die Stadt, Vereine und ihre Menschen sollen sensibilisiert werden für das Tennis-Spektakel. „Aufschlag Bad Homburg“ ist der Spaß überschrieben, junge Fußballer, Basketballerinnen und Hockeyspieler treten auf, den Vereinen wird eine öffentliche Plattform geboten, es gibt Aktionen für die ganze Familie. Auch der OB hat wie Tatjana Maria übrigens seinen Vorkampf verloren, im Fußballtennis als „Alex“ zusammen mit Kurdirektor Holli, Bürgermeister Oli, Stadtrat Tobi, Chauffeur Fränki und Sammy vom Sportamt 15:16 gegen ausgebuffte Jungs von Gruppenliga-Aufsteiger Spvgg05/99 Bomber.

Um diese Zeit wird schon arg gestöhnt auf den Rasenplätzen neben dem Kaiser Wilhelms-Bad. Hier messen sich die Qualifikantinnen, von Anfang an ist der Zugang frei, heuer gibt es erstmals 320 kostenlose Sitzplätze auf einer Tribüne mit schöner Übersicht über das muntere Treiben. Kostenlos in die Spiele auf dem Hauptplatz lugen kann man am späten Nachmittag auch vom Biergarten vor des Kaisers Bad oder von der mit Liegestühlen ausgestatteten Wiese vor des Kaisers Denkmal. Eine elektronische „Leinwand“ macht das möglich, Tennis im Public Viewing. Die beiden älteren Damen auf der Bank im Trikot des Kickers Wirtz werden hier wohl auch zur späten Stunde nicht fußballglücklich. Müssen sich mit einem Aperol Spritz trösten, ist ja auch schön so unter dem Blätterdach des alten Ahorns. Eher wenig Betrieb ist an der zweiten Ausschankstelle des neu gestylten Biergartens, da gibt es die neue Kreation „Bad Homburg Spritz“ auf Gin-Basis. Leider nur im Pappbecher, das kommt nicht so gut an. „Da trinkt man ja beim Rockkonzert besser“, rümpft einer die Nase. Um die 500 Leute waren am Samstagabend vor der Konzertmuschel an der Orangerie dabei, als die Band „pfund“ abrockte. Den schön gekühlten Weißwein gab’s im Glas.

Das Konzept „Aktionen für die ganze Familie“ wird auch im „Park Village“ zwischen Spielbank und Konzertmuschel fortgesetzt. Mit Schlagwand zum Messen des Aufschlagtempos und Zielwand für die sanfte Hand, mit Mini-Tischtennis-Platte, Trainingsmöglichkeiten für den Nachwuchs mit einem Wimbledon-Headcoach und natürlich reichlich Streetfood vom Foodtruck. Jeder weiß, was gemeint ist, auch wenn Handkäs-Bratwurst zunächst fremd klingen mag. Vielleicht reizt aber auch die vegane Bratwurst, auf jeden Fall stehen die hungrigen Homburger dort am Sonntagnachmittag ungefähr 30 Meter in 5er-Reihen an, ganz gesittet, wie in Wimbledon, wo es traditionell Erdbeeren mit Schlagsahne gibt. Weil alle Bad Homburg lieben. Eben so, wie es ist. Die Spielerinnen sagen es artig nach ihrem Auftritt auf dem „Heiligen Rasen“, die Hungrigen sagen es auch in der langen Warteschlange. Und „Angie“ Kerber sagt es sowieso von Anfang an, sie ist ja auch Turnierbotschafterin und hat die Premiere gewonnen. Unmengen TV-Sender tragen es hinaus in die Welt.

Rockmusik aus der Konzertmuschel: Vor der Orangerie am unteren Ende der Brunnenallee begeistert die Band „pfund“ Fans der nicht ganz so sanften Töne. Foto: jüs

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