Im Tango verankert ist der Wunsch nach einer besseren Welt

Bad Homburg (fch). Die Wiege des Tangos befindet sich in den Hafenstädten am Rio de la Plata. Und zwar in den armen Vororten von Buenos Aires und Montevideo. Hier lebten um 1880 viele Einwanderer aus Europa und Nachfahren afrikanischer Sklaven. Dadurch verschmolzen im Tango verschiedenste kulturelle Einflüsse. Der Tango – Musik und Tanz – wurden zum Ventil und Sprachrohr der großen Not dieser Menschen. Und zum Medium, das eigene Leid und den Schmerz individuell auszudrücken. Damit stiftete er zugleich für viele dieser von Armut bedrohten oder in bitterer Armut oft ohne Perspektive lebenden Menschen eine soziale Identität.

In die faszinierende Welt des Tangos entführten die Zuhörer beim Gesprächskonzert „Die Jahreszeiten des Tango(s)“ in der Englischen Kirche drei prominente Musiker und ein belesener Autor und Theaterpädagoge. Mit Leidenschaft und Begeisterung spielten für mehr als 40 Zuhörer Gitarrist César Angeleri, Cellist Germán Prentki und Geiger Esteban Prentki die Musik berühmter Tango-Komponisten. Mit der Geschichte und Geschichten zur Musik, zu den Komponisten oder zum Tango überhaupt zog Sprecher Heinrich Waegner das Publikum in seinen Bann.

Ein Pfund, mit dem der Tango wuchern kann, ist auf der einen Seite seine Offenheit für Neues und damit seine ständige Modernisierung, auf der anderen die Bewahrung seiner unverwechselbaren „Tangoismen“. Im Tango verankert ist der Wunsch nach einem besseren sozialen Miteinander und einer besseren Welt. Die verschiedenen kulturellen Einflüsse aus Afrika und vielen europäischen Ländern gaben dem Tango seine unverwechselbaren Klangfarben. Das typische Instrument des Tangos ist das von Deutschen eingeführte Bandoneon.

Zur Eröffnung des Konzerts spielte das Trio einen alten Tango. Im Laufe des Abends zeigte sich, dass „der Tango eine unermessliche Palette von Stimmungen ausdrücken kann“. Neue Akzente verlieh dem erst nur von den armen Bevölkerungsschichten gespielten und getanzten Tango Carlos Gardel, dessen bürgerlicher Name Charles Romuald Gardès lautete. Der berühmte Tangosänger und Komponist verlieh dem Genre von 1900 bis 1950 neue Akzente. Zu seinen Verdiensten gehört es, dass er „die alte Garde in die neue Epoche“ des Tango Argentino hinüberleitete, wie der Sprecher informierte. Gesellschaftsfähig wurden Tanz und Musik der Armen 1923, als der Prinz of Wales erstmals Argentinien besuchte. Aus diesem Anlass wurde in der Residenz Tango gespielt, der von allen Radiosendern übertragen wurde. Wie das klang, ließen die Musiker mit einem Medley hören.

Ein Schützling von Carlos Gardel war Astor Piazzolla. Er wurde 1921 in Mar del Plata geboren, seine Eltern zogen kurz danach mit ihm nach Buenos Aires. 1925 wanderte die Familie nach New York aus, wo der Sohn seine erste musikalische Ausbildung erhielt und der Vater ihm sein erstes Bandoneon schenkte. Mit 15 kehrte er mit seiner Familie nach Buenos Aires zurück.

Astor Piazzolla reiste 1954 auch nach Paris, wo er von Nadia Boulanger unterrichtet wurde. Sie gab ihm den Tipp, seine eigene Musiksprache zu finden, indem er seine Kenntnisse über die klassische europäische Musik mit seinen profunden Kenntnissen über die Tangomusik seiner Heimat verband. Piazzolla schuf 1954 mit „Prepárense“ seinen ersten „Tango nuevo“, zu dessen Perfektionisten er wurde. Von ihm interpretierten die drei Tangomusiker unter anderem seine „Vier Jahreszeiten“, die „Las Estaciones Portenas“. Angelehnt an den barocken Konzertzyklus von Antonio Vivaldi fing auch er die unterschiedlichen Stimmungen der Jahresrhythmen mit Tönen ein.

Geiger Esteban Prentki gehört zu den Prominenten in der weltweiten Gemeinschaft der Tango-Aficionados. Er hat mit den Größten wie mit dem legendären Piazzolla gespielt. Gemeinsam mit den anderen beiden virtuos aufspielenden Musikern und dem versierten Moderator machte er die Faszination und Leidenschaft des Tangos deutlich.

Mit Leidenschaft und Begeisterung spielen Gitarrist César Angeleri, Cellist Germán Prentki und Geiger Esteban Prentki die Musik berühmter Tango-Komponisten. Sprecher ist Heinrich Waegner (l.). Foto: fch



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