Trude Teige widmet sich den unausgesprochenen Geheimnissen

Buchhändlerin Martina Bollinger (l.) begrüßt Bestsellerautorin Trude Teige, die „Und Großvater atmete mit den Wellen“ vorstellt. Foto: nl

Bad Homburg (nl). Es ist ein kleiner Kreis von großen Fans, der in den hinteren Räumen von „Supp’s Buchhandlung“ auf Trude Teige wartet. Zwischen der Reiseliteratur und den Kinderbücher-Regalen sind die Stuhlreihen aufgestellt. Trude Teige kommt mit ihrem Übersetzer, der zuallererst die Frage stellt, wer Norwegisch spricht und wer aus dem Publikum das erste Buch, das Großmutter-Buch, gelesen hat. Die erste Frage bleibt ohne Handzeichen, doch bei der zweiten Frage meldet sich über die Hälfte der Gäste.

„Bevor wir anfangen“, sagt ihr Übersetzer und fragt dann Trude Teige, „wer überhaupt ist denn nun der Großvater?“ Trude Teige antwortet zunächst, dass sie eigentlich gar kein Großvaterbuch auf das Großmutterbuch folgen lassen wollte. Es ist ihr offenbar einfach so passiert. Das Thema ließ ihr weiterhin keine Ruhe.

Das erste Buch, die Geschichte der Großmutter, die ihrer Familie nie erzählt hat, dass sie schon einmal verheiratet war und in Deutschland gelebt hatte – ein Geheimnis, das die nächsten Generationen der Frauen prägte – gehört unmittelbar mit Großvater Konrad zusammen, ihrem zweiten Mann, einem Norweger. Er war der ruhende Pol und brachte das Glück in die Familie. „Magst du für uns Sigrid und Konrad – die Protagonisten im Großvater-Buch – ein wenig charakterisieren?“, bittet der Übersetzer die so sympathisch unprätentiöse Bestseller-Autorin.

Die Geschichte der beiden beginnt, als Japan in den Krieg eintritt. Ein japanisches U-Boot taucht auf, und die Japaner nehmen alle norwegischen Offiziere auf, die in Rettungsbooten warten. Konrad wirft sich in diesem Moment ins Wasser, taucht so tief er kann und taucht unter dem U-Boot hindurch, um auf die andere Seite zu kommen. Dort wartet er unbehelligt, bis das U-Boot abzieht. Seine Kameraden jedoch sind zu diesem Zeitpunkt tot oder schwer verletzt. Kriegsgeschichte, sagt Trude Teige, und das sei das Problem bei der Recherche für ihre Bücher gewesen, sei eigentlich die Geschichte der Männer. Doch zu diesem Zeitpunkt gab es nicht nur norwegische männliche Kriegsgefangene, sondern auch ein Drittel Frauen und Kinder, die aufgrund der japanischen Verhältnisse beinahe unmenschlich behandelt wurden. Oft genug mussten Frauen und Kinder sich versammeln und zwei Stunden lang gebeugt dastehen.

Schließlich liest der Übersetzer eine Szene, die im Lager spielt. Sigrid, eine handfeste junge Frau, sieht grauenvolle Dinge. Sieht eine Frau, die, nachdem sie misshandelt worden ist, in ein Verließ gestoßen wird. Spontan beschließt Sigrid, ihr zu helfen. Dann entdeckt sie, dass es sich um ihre Freundin Agatha handelt. Diese wiederum warnt Sigrid davor, ihr zu helfen. Denn damit bringe sie sich in existenzielle Gefahr.

Es geht in beiden Büchern um das Unausgesprochene, die Geheimnisse. Trude Teige erzählt dazu, dass sie auf ihren Lesungen erlebe, dass Leser im Anschluss an die Lesung zu ihr kommen und genau dasselbe berichten: Sie alle wissen um die Geheimnisse in ihren Familien. Und des Weiteren fragt sich die Schriftstellerin, inwiefern die Großeltern- Genrationen einer Familie die eigene Biographie prägen. Darüber zu reden, sei äußerst schwierig. Doch was der großartigen Erzählerin gelingt, das ist das Unsagbare aufgrund ihrer gründlichen Recherche und ihrem Talent fürs mitreißende Schreiben auszusprechen.

!Das Buch von Trude Teige, „Als Großmutter im Regen tanzte“, ISBN: 978-3-949465-12-3, kostet 22 Euro, ihr Werk „Und Großvater atmete mit den Wellen“, ISBN: 978-3-949465-14-7, ist für 24 Euro zu haben. Beide sind im Fischer Verlag erschienen. Die E-Books kosten je 16,99 Euro.



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