Versunken in die eigene Welt

Bad Homburg (hw). Unter dem Titel „Memory“ sind vom 16. bis 31. Oktober im Kulturzentrum Englische Kirche, Ferdinandsplatz, Arbeiten von Huiza Müller-Lim zu sehen. Im Gegensatz zu ihren vorhergehenden Arbeiten, die abstrahierende Farblandschaften thematisierten hat sich die Künstlerin in ihren neuen Bildern wieder stark der Figuration und dem Verhältnis Figur und Raum zugewandt. Diese Hinwendung zum Figürlichen hat durchaus biografische Gründe: Huiza Müller-Lim hat sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit ihrer Kindheit und Jugend in Südkorea auseinandergesetzt, was deutlich in den Bildinhalten ablesbar ist.

Zu sehen sind meist Kinder und Jugendliche, die oft isoliert, in sich versunken oder in Gedanken verloren, wie abgekapselt in ihrer ganz eigenen Welt zu leben scheinen. Im Kontrast dazu aber auch Bilder, die kindliche und jugendliche Lebendigkeit, Energie und Lebensfreude, meist bei sportlichen Aktivitäten, darstellen. Im Vordergrund steht dabei aber immer die Vereinzelung, der Rückbezug auf das eigene Ich und eigenes Erleben. Diese Kinder und Jugendliche leben in einer Welt, von der die Erwachsenen ausgeschlossen sind und zu der sie keinen Zugang haben.

Aufgrund der Erkenntnisse der Neurophysiologie und Kognitionspsychologie wissen wir, dass das menschliche Gedächtnis kein bloßes leeres Gefäß ist, in dem unsere Erinnerungen und Erfahrungen gesammelt, abgelegt und gespeichert werden, um jederzeit unverändert abgerufen werden zu können. Es handelt sich vielmehr um ein durchaus kreatives Organ mit der gelegentlich fatalen Eigenschaft, dass sich Erinnerungen überlagern, sich auflösen, verblassen und verschwinden oder umgeschichtet und zu neuen Gruppierungen verdichtet werden. Dieser schöpferischen, aber auch oft verstörenden Eigenschaft unseres Gedächtnisapparates hat die Künstlerin in der gestalterischen Umsetzung des Themas Rechnung zu tragen versucht, indem sie den Bildraum mehrfach aufbricht, unterschiedliche Perspektiven und Raumebenen übereinanderlegt und so dem Auge des Betrachters klare Bezugspunkte verweigert. Bei der Betrachtung ihrer Bilder schweift der Blick des Betrachters rastlos immer wieder über die Bildfläche, um ständig neue, ineinander verschachtelte und verschobene Bildräume zu entdecken.

Von der Maltechnik her hat sie dabei mehrere Farbschichten übereinander gefügt, sie immer wieder abgeschliffen und abgerieben, neu verdichtet und übermalt. Auf diese Weise ist ein spannendes Gewebe von sich durchdringenden und überlagernden Farbstrukturen entstanden, die einen unwirklichen, traumhaft verschatteten Bildraum schaffen.

Die neueren Arbeiten von Huiza Müller-Lim stehen so in der Tradition der Surrealisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in deren fantastischen Bildwelten, inspiriert durch die Theorien von Sigmund Freud, sich die menschliche Innenwelt, die Welt der Träume und des Unterbewusstseins spiegeln sollten. Die stark akzentuierte Räumlichkeit und die sich collagenhaft verschiebende Perspektivik in den Bildern erinnern zugleich an die Arbeiten der sogenannten „Leipziger Schule“, die sich ebenfalls stark auf die Bilderfindungen des Surrealismus zurückbezieht.

Zusätzliche Informationen:

!Die Vernissage findet am Freitag, 15. Oktober, um 19 Uhr statt. Eine Voranmeldung ist erforderlich. Geöffnet ist die Ausstellung „Memory“ in der Englischen Kirche eine Stunde vor Beginn von Veranstaltungen, während der Kulturnacht am 30. Oktober ab 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 14 Uhr. Die aktuellen Hygienevorschriften sind einzuhalten. Der Eintritt ist frei.

Bilder der Künstlerin Huiza Müller-Lim sind bis 31. Oktober im Kulturzentrum Englische Kirche zu sehen. Foto: Stadt Bad Homburg



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