„Wetter schön, Hotel gut. Sonnige Grüße!“

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Post aus der Kurstadt! Wie ein Ruf klingt es nach draußen. Eine kleine Zeitreise durch das Bad Homburg zwischen dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Moderne bietet die Ausstellung alter Postkarten im künstlerischen Ausdruck der jeweiligen Zeit, mit der die Villa Wertheimber im Gustavsgarten aktuell aufwartet. Nebenbei bietet sie dezente Einblicke in Privates, wenn man in der Lage ist, die Kurztexte auf den Karten zu dechiffrieren.

„Wetter schön, Hotel gut, Essen prima. Sonnige Grüße!“ Die SMS der analogen Zeit wurde von Hand geschrieben auf Karten verschickt. Mit Vorsicht formuliert, man konnte ja nie wissen, wer sie auf dem Weg vom Absender zum Adressaten lesen würde. Möglichst unverfänglich die Botschaft, Kurzkommunikation auf persönlicher Ebene über ein Grußmedium, das in den späten 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts die postalische Welt bereicherte. „Sind dem Reichskanzler auf der Louisenstraße begegnet“, steht da etwa auf einer Karte aus dem Fundus des Stadtarchivs. Keine Fake-Botschaft, sie lässt sich lückenlos belegen, sagt Andreas Mengel, der Verwalter der Postkarten-Sammlung im Stadtarchiv zu Bad Homburg.

Die Einladung zu einer Zeitreise durch die Kurstadt liegt vor, das Archiv in der einst mondänen Bankiersvilla Wertheimber im kleinen Park im Tannenwald präsentiert Grüße aus Bad Homburg, bunte und schwarz-weiße Postkarten-Schätze aus 150 Jahren Zeitgeschichte. Auf Correspondenz- und Feldpostkarten kam die „SMS der Frühzeit“, wie auch Andreas Mengel sie nennt, anfangs noch zensiert daher, etwas später als Ansichts- und Bildpostkarte, das hat sie für Sammler so wertvoll gemacht. Und bei den Empfängern so beliebt. Freundschaftliche Grüße in kurzen formelhaften Floskeln, hier bin ich, ich denke an euch. Ein schönes Lebenszeichen. Am ersten Verkaufstag im Sommer 1870 in Berlin gingen schon mehr als 45 000 Exemplare über den Tisch, heißt es, vor allem auf Reisen wurden die Karten schnell zum absoluten Renner. Und sind es bis heute geblieben, trotz der digitalen Konkurrenz mit „Post-Fotos“ im Minutentakt über diverse Kanäle.

„Nächstens schreibe ich mehr“

„Gruss aus Bad Homburg“ ist die Ausstellung überschrieben, die den Besucher schon im Treppenaufgang zu den heiligen Räumen des Archivs empfängt. Mit kurzen Erläuterungen zur Geschichte der Postkarte, die um 1865 beginnt, mit Reproduktionen, die überraschend auch Bildansichten aus dem ägyptischen Port Said, aus Kapstadt und Japan zeigen. Nicht nur Post aus Bad Homburg, auch Grüße aus der Fremde in die Kurstadt. Jene wird solide zur Schau gestellt, mit Abbildungen von Schloss und Kurbezirk, als Erinnerung und offizielle „Festkarte“ zu Ereignissen wie der Einweihung der „Russischen Kapelle“ 1899 mit Aufnahmen des „Königlichen Hofphotographen T.H. Voigt“, auch fein und kunstvoll zierlich inszeniert als Jugendstil-Variante der Schmetterling mit weiblichem Körper, in dessen vier Flügeln Bilder von Schloss und Kurhaus, Kaiser-Wilhelms-Bad und Kurpark schimmern, garniert mit einem schlichten Vierzeiler: „Ich komme von Homburg geflogen/und bringe Grüsse daher/Bleibe immer mir gewogen/und nächstens schreibe ich mehr.“

Das Stadtarchiv in der alten Villa ist der passende Ort für die Zeitreise durch das alte „Bad Homburg vor der Höhe“ des Taunus. Nicht weit entfernt vom „Luftkurort Dornholzhausen“ mit der „Pension Herzberg“ und Blick auf den Taunus am Rand des Villenviertels entlang der elektrischen Saalburg-Bahn. Auch das ist im Postkarten-Format festgehalten. Im einstigen Frühstückszimmer der Bankiers kann man zurückgezogen in großformatigen Reproduktionen jener alten Postkarten blättern. Kann stöbern in Bildern vom früheren Kurhaustheater, Hotel Minerva, Sanatorium Villa Hermine oder im Tagtraum der Überfahrt eines Zeppelins auf der Linie Friedrichshafen – Homburg – Memel folgen. Noch näher dran und quasi mit dem Geruch der Zeit verbunden ist der Besucher im Lesesaal, da kann er sich von Andreas Mengel wertvolle Objekte im Original vorlegen lassen. Jede Menge Postkarten von den großen Ausflugszielen im Umfeld, vom legendären Gordon-Bennett-Autorennen 1904 und anderen automobilen Ereignissen, die alte Homburger Welt im Zeitraffer. Und am Ende ein Geschenk mitnehmen, eine neue Ansichtskarte mit der Villa Wertheimber auf der Vorderseite nach einem Motiv der Malerin Evelin Schmied in Öl auf Leinwand.

Mit Glück kann man das Gefühl bei besonderen Veranstaltungen wie der Kulturnacht in den Lagerräumen des Archivs bei einer speziellen Führung vertiefen. Ein paar tausend Postkarten lagerten dort vor der Jahrtausendwende, heute sind es laut Archivar Mengel um die 20 000 Exemplare. Gewachsen ist die Sammlung vor allem durch viele Ankäufe aus Privatsammlungen, aber auch durch Bürgerspenden, Zukäufe von professionellen Anbietern und durch die „Beobachtung des Markts im Internet“, so der Postkarten-Experte Mengel, für den die Signatur, Archivierung und inzwischen auch Digitalisierung Lebensaufgabe geworden ist.

!Die Ausstellung in der Villa Wertheimber im Gustavsgarten, Tannenwaldallee 50, ist bis zum 25. Februar zu sehen. Beim Besuch (nur mit Voranmeldung) gilt aktuell die 2-G+-Regel. Öffnungszeiten: dienstags von 9 bis 16 Uhr, mittwochs von 14 bis 19 Uhr, freitags von 9 bis 12 Uhr. Kleingruppenführungen sind nach Absprache möglich, E-Mail: stadtarchiv[at]bad-homburg[dot]de, Telefon 06172-100-4130/4140.

Für den Archivar und Postkarten-Experten Andreas Mengel ist die Signatur, Archivierung und inzwischen auch Digitalisierung der Postkarten zur Lebensaufgabe geworden. Foto: js

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