Rätsel ist gelöst: Ferrotypie zeigt Männer der Familie Ernst

Ferdi Ernst und Stefan Ohmeis mit dem außergewöhnlichen Blechfoto im Magazin des Kirdorfer Heimatmuseums. Foto: privat

Bad Homburg (hw). Seit mehreren Generationen wird in der Familie Ernst ein etwa sechs mal neun Zentimeter großes Stück Blech in Ehren gehalten, das auf einer Seite ein dunkles Foto trägt. Das unscheinbare Foto zeigt drei Männer in Uniform, vermutlich Feuerwehruniform, und einen etwa zehn Jahre alten Jungen. Einer der Männer hält ein Schild in der linken Hand. Die Aufschrift ist nicht zu entziffern. Schon lange ist in Vergessenheit geraten, um welche Personen es sich handelt, wann und wo die Aufnahme entstanden ist. Und seit Generationen wird darüber gerätselt, wer die abgebildeten uniformierten Männer sein könnten. Lediglich bei dem Jungen glaubte man zu wissen, dass es sich um Georg Adam Ernst handeln könnte, der im September 1886 geboren wurde.

Die Familie wandte sich vor etwa zehn Jahren an die Forscher im Kirdorfer Heimatmuseum, die das Geheimnis des Fotos zunächst auch nicht klären konnten. Kurzerhand veröffentlichten sie es 2015 unter „Bilder-Recherche“ auf der Internet-Seite des Heimatmuseums und baten die Öffentlichkeit um Mithilfe. Trotz mehrerer Hinweise kamen die Spezialisten des Museums auch damit nicht weiter.

Ende vergangenen Jahres haben die Forscher des Museums einen neuen, vielleicht letzten Versuch unternommen, um dem Geheimnis des Blechfotos auf die Spur zu kommen. Mit Erfolg, denn nun ist es endlich gelungen, das Rätsel des Fotos zu klären.

Bei dem Foto handelt es sich um eine sogenannte Ferrotypie. Diese spezielle Technik war nur in den Jahren 1880 bis 1910 gebräuchlich. Sie wurde überwiegend von Wanderfotografen verwendet, die bei großen, überregionalen Jahrmärkten, Veranstaltungen, Festen, an vielbesuchten Ausflugszielen und an Stränden interessierte Personen fotografierten. Das Besondere an der Ferrotypie war, dass die Käufer die Fotos noch am selben Tag ausgehändigt bekamen – damals eine Sensation. Das Blechfoto war das Originalfoto; Abzüge ließen sich davon keine erzeugen.

Das abgebildete Foto zeigt drei Männer der in Kirdorf ansässigen Familie Ernst, die alle Mitglieder der 1888 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr Kirdorf waren: Adam Ernst (geb. 25.10.1838, Maurer, Gründungsmitglied, Mitgliedsnummer 5), Andreas Ernst (geb. 4.2.1860, Fabrikarbeiter, Gründungsmitglied, Mitgliedsnummer 8) und Adam Ernst (geb. 11.11.1875, Lederarbeiter, Mitgliedsnummer 47). Das Foto wurde anlässlich des 23. Mittelrheinischen Kreisturnfests aufgenommen, das vom 10. bis 14. Juli 1897 in (Bad) Homburg stattfand, vorwiegend im Jubiläumspark. Linker und rechter Hand zu Seiten der Landgrafenstraße sowie des Kirdorfer Baches standen Kirmesbuden wie Schießstände, Waffel- und Schaubuden sowie mehrere bis zu 500 Quadratmeter große Wein- und Bierzelte. Am Ende des Festplatzes zur heutigen Castillostraße hin wurde ein weiteres großes Festzelt mit etwa 2200 Sitzplätzen aufgeschlagen. Das eigentliche Turngelände sowie die große Turnhalle befanden sich auf dem Gelände der angrenzenden Garnisions-Kaserne (heute Finanzamt), die in Höhe der heutigen Carolinenstraße an das Festgelände anschloss.

Beim Mittelrheinischen Kreisturnfest führte die damals erst neun Jahre alte Freiwillige Feuerwehr Kirdorf Ordnungsdienste durch und beteiligte sich am Festzug. Im Anschluss an den Festzug werden sich die drei Feuerwehrleute der Familie Ernst aus Kirdorf vor dem Wanderfotografen für eine Fotoaufnahme versammelt haben, worauf das abgebildete Vortrageschild hindeutet. Damals war der im September 1886 geborene Georg Adam Ernst zehn Jahre alt, was die mündliche Überlieferung belegt, dass es sich bei dem Jungen tatsächlich um Georg Adam Ernst handelt.

Durch glückliche Umstände wurde das Zeitdokument in der Familie Ernst in Ehren gehalten und dokumentiert heute noch, nach fast 125 Jahren, die stolzen Feuerwehrmänner der Familie Ernst in Kirdorf.

Aus Dank für die Mühe und die Lösung des Rätsels wurde das Blechfoto dem Kirdorfer Heimatmuseum überlassen. Es befindet sich bereits in dessen Magazin. Die Lösung des Rätsels ist insbesondere dem Fachmann für historische Fotografien, Dr. Eberhard Mayer-Wegelin, Michael Zentgraf von der Freiwilligen Feuerwehr Kirdorf sowie Stefan Ohmeis und Ferdi Ernst vom Kirdorfer Heimatmuseum zu verdanken.

Ferdi Ernst und Stefan Ohmeis mit dem außergewöhnlichen Blechfoto im Magazin des Kirdorfer Heimatmuseums. Foto: privat



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