Mit den Händen sehen und mit den Augen fühlen

Stephan K. Müller an seiner Januskopf-Skulptur, im Hintergrund zu sehen sind die beiden Stelen „Die Zuneigung“ und „Be-Greifen“, die derzeit im Außenbereich der Galerie Fleck betrachtet werden können. Foto: fch

Bad Homburg (fch). „Ich bin ein haptischer Künstler“, sagt Stephan K. Müller. Und so lädt er auf das Außengelände und in die Galerie Fleck in Ober-Eschbach zu einer Begegnung mit „exzeptioneller Kunst zum Anfassen“ ein. Der Künstler ermöglicht Besuchern mit dem Be-Greifen von Skulpturen aus Stein, Holz und Metall ein alle Sinne ansprechendes Erlebnis. Ganz im Sinne von Goethes oft zitierter Metapher „Mit den Händen sehen – mit den Augen fühlen“.

Der hochgradig sehbehinderte Künstler erläutert: „Kunst heißt für mich, mit allen Sinnen das Leben wahrzunehmen. Meine Werke aus Metall, Holz, Stein oder auf Leinwand – Skulpturen, Gemälde, Lichtobjekte sollen daher ‚erlebbar‘ sein. Anfassen ist (meist) erwünscht. So wie die Stadt immer neue Begegnungen und Eindrücke bereithält, ist auch meine Kunst geprägt von Lebendigkeit und gemeinsamen Erfahrungen.“

Tasten und Fühlen ist allen Menschen möglich. Be-Greifen heißt im wahrsten Sinn des Wortes Tasten und Fühlen. Für dem Tastsinn stehen vor allem die Hände als Wahrnehmungsorgane im Vordergrund. Die sinnliche Erfahrung durch den Tastsinn ist allen Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsgrad möglich. Das Verhältnis zwischen Körper, Geist und Umwelt spielt bei der Erkenntnis immer eine Rolle. Wer beispielsweise über eine der Skulpturen aus rotem Main-Sandstein, Speckstein, Metall oder Holz tastet, macht sich Kunst zugänglich. Denn das aktiv-haptische Tasten als auch das passiv-taktile Erleben geht immer vom eigenen, subjektiven Körper aus und mit der Bewegung im Raum einher. Grundlage des Verstehens beziehungsweise Erkennens durch das Tasten bildet das in den Körper, die Bewegungen und auch den Geist eingeschriebene Wissen. Mit seiner Januskopf-Skulptur, die von der Rückseite aus betrachtet „Kopf steht“ oder der des „Muschelmenschen“ lädt der Künstler zu Interpretationen ein. Auch die beiden Stelen „Die Zuneigung“ oder die Holzskulptur „Die wiederkehrende Kraft“ regen die Fantasie der Besucher an. Bei der Holzskulptur „Die wiederkehrende Kraft“ stützen sich Gesichter von unten nach oben und wissen, dass auf ein Tief immer auch ein Hoch folgen wird.

Besucher Carsten Koch lässt sich von Müller den „Literaturdampfer“ aus Fichte und Tanne zeigen. Die Fracht des Schiffes besteht aus Specksteinbüchern. Seinem Weltgefühl Ausdruck verleiht der Künstler nicht nur in den beispielhaft genannten Kunstwerken, sondern auch in Bildern und Licht-Installationen. In der Galerie zu sehen sind unter anderem zwei Bilder aus der neuen Serie mit Licht- und Tiefenwirkung. Die Acrylfarben und Motive verändern sich mit und durch Lichteinfall und -Intensität. Plötzlich erscheinen wie von Zauberhand auf der Leinwand Blumen oder blaue Männchen, die bei anderer Beleuchtung nicht sichtbar waren.

Nicht nur bei Kindern und Jugendlichen beliebt ist die Galerie Fleck auch wegen ihres Barfußpfades. Dieser rund 500 Meter lange Pfad im Garten der Fleckmühle führt als Rundweg durch einen wunderschönen Skulpturenpark. Vorbei an Kräutergarten, Streuobstwiese, Weidenlaube und immer wieder neu zu entdeckenden Skulpturen, Stelen und Windspielen. Auf einer Fläche von 3500 Quadratmetern sind über 120 Fühl- und Balancierstationen mit unterschiedlichen Materialien verteilt. Deren Bandbreite reicht von Tennisbällen, Steinen, Korken und Holzteilen über Hufeisen und Löffel bis hin zu Werkzeugen, Hausnummern- und Mofa-Schildern sowie Kfz-Kennzeichen. „Ein Erlebnis kommt nach dem anderen“, verspricht Müller. Statt mit den Händen Be-Greifen die Besucher jetzt die Welt mit ihren Füßen.

Der Künstler dankt Oberbürgermeister Alexander Hetjes dafür, dass dieser sein Versprechen gehalten hat. Auf dem Radweg wird Hinweisschildern auf die Galerie Fleck im Umkreis von 1,5 Kilometer aufmerksam gemacht. Auch in der Kita-Zeitung „Die Grashüpfer“ wird für sie geworben. Ein Besuch auf der „Sommer-Sonne-Auenwiese“ lohnt sich auch im Herbst.

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