Neuenhain (es) – „Das kennen wir doch alles“… so mag manche Zuhörerin und mancher Zuhörer gedacht haben. Und doch hatten sich ca. sechzig Neugierige auf den Weg in den Theatersaal des Augustinums gemacht, um die Vortragsankündigung zum Thema „122 bekannte, weniger bekannte und vergessene Plätze rund um den Großen Feldberg im Taunus“ mit Spannung zu erwarten. Sie wurden nicht enttäuscht. An Manchem waren die Besucher in ihren jüngeren Jahren sicher bereits vorbeigekommen, konnten sich aber keinen Reim darauf machen was das Gebäude, der Stein oder die Grube für eine Bewandtnis hatten.
Leidenschaft für das Reisen
Auf der Bühne erwartete sie das Ehepaar Sigrid und Dietrich Bender, das selbst seit vierzig Jahren, durch ein hohes Maß an Neugierde getrieben, die vorwiegend nordische Welt erkundet. Zahlreiche Outdoor-Reiseführer sind seit 2015 von ihnen erschienen. Vorwiegend über Länder im Norden Europas wie Schweden, Island, Grönland und zuletzt Alaska. Nun sind sie seit einigen Jahren dabei, und dies ist vielleicht auch ihrem Alter geschuldet (beide sind über Siebzig), sich die Besonderheiten der Taunusregion zu erschließen und auch diese als Wanderführer zu veröffentlichen. Es erschienen bereits Bücher über Hofheims Umgebung und ein Buch zum Thema „Rund um den Feldberg“ – im November wird darüber hinaus ein Führer zum Weiltal im Buchhandel zur Verfügung stehen.
Was die Wanderführer des Ehepaars auszeichnet, sind nicht die üblichen Wegführungen zu bekannten Ausflugszielen, sozusagen von A nach B, sondern das, was abseits der Wege im Verborgenen zu entdecken ist, dient ihrem Interesse. Dies gestaltet sich so, dass auf kleinen Umgebungskarten das besondere Ziel mit einem blauen Stern gekennzeichnet ist. Drumherum die bekannten Orte, die als Ausgangspunkt dienen können. Das Gebiet und das zu suchende Objekt ist durch GPS-Daten punktgenau angegeben. Das macht die Suche und Entdeckungen besonders reizvoll. Um die angegebenen GPS-Daten empfangen zu können, bedarf es einer App, die auf dem Smartphone heruntergeladen werden kann.
Besonderheiten abseits der Routen
Der einstündige Vortrag überraschte durch eine Vielzahl an Besonderheiten der Geschichte und der Natur rund um den Großen Feldberg, bis hin zu den sogenannten „Lost-Places“. So kann man bei Eppenhain ein vermoostes Wasserbecken entdecken, das einst ein Schwimmbad war. Ein Schwimmbecken mitten im Wald? Dietrich Bender erklärte den Zusammenhang: im Jahr 1930 wurde zur Ertüchtigung der Mädchen der Frankfurter Viktoria-Schule (heute Bettina-Schule) das Landheim Tanneck gekauft und ein Schwimmbad dazu gebaut. Durch einen kleinen Bach wurde es mit Wasser gespeist. Dieser trocknete aber nach und nach aus und das Bad musste bereits nach drei Jahren wieder aufgeben werden.
Nicht ganz so leicht zu finden die „Steinerne Bank“ in der Nähe der „Horex-Kurve“. Ihr Alter wird auf ca. 300 Jahre geschätzt und diente den Marktfrauen aus dem Hintertaunus auf dem Weg nach Bad Homburg zu einer kurzen Rast. Rechts und links finden sich Sitzplätze, der obere Balken diente zum Abstellen der Kiepen, die mit Eiern, Gemüse und Obst gefüllt waren.
Den Frankfurter wirds wundern, dass sich im Taunus ein „Stoltze-Plätzi“ findet. Hinter dem im Jugendstil geschmückten Königsteiner Wasserwerk im Billtal, steht ein Gedenkstein für den Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze. Die Stadt Königstein diente ihm für erholsame Kuren, aber auch als Zufluchtsort vor der Verhaftung durch die Nassauer. Ein idyllischer Platz an einem kleinen Wasserfall, der zum Verweilen einlädt, so man ihn erstmal gefunden hat.
Etliche Stolleneingänge wurden auf die Leinwand projiziert. Sie sind gekennzeichnet durch kleine Eisentore, deren Lücken den Fledermäusen inzwischen als Einflugschneise dienen. Leuchtet man mit der Taschenlampe hinein, so erstrahlt oftmals ein blauschimmerndes Gewölbe. Das Bergwerk Goldgrube an der Ahornschneise/Hohemark zeugt davon, dass man sich 1722 große Hoffnung machte, hier das goldene Erz zu finden. Große Investitionen wurden getätigt, aber ein abbauwürdiges Vorgehen hat sich nie ergeben. Der Stollen zeigt eine Länge von 108 Metern, ist aber leider zum großen Teil verschüttet.
Skurrile Orte
Neben all den geschichtsträchtigen Fundorten, hatte das Ehepaar Bender auch Bilder von skurrilen Orten Bilder dabei.
Auf dem Keltenweg an der Hohemark befindet sich oberhalb einer Kehre unter einem mächtigen Felsen die „Bärenhöhle“, die auch auf topografischen Karten zu finden ist. Der Blick hinein zeigt: es haben sich im Laufe der Jahre etliche Teddybären dort eingefunden.
Am Sandplacken gibt es z.B. einen „Schuhbaum“ zu entdecken, der von den Förstern geduldet wird und an dem ausgetragene Wanderschuhe von den Ästen baumeln.
In der Nähe des Kronberger Waldschwimmbades kommt man zum „Kerbebaamweg“. Hier wird alljährlich zur „Thäler Kerb“ am 1. Juli Rast gemacht. Als sichtbares Zeichen hängt hier ein dicker Bembel am Baum.
Von Wanderfreunden, Skifreunden, Soldatenkameraden und deren Tod kann man auf vielen Gedenksteinen im Hochtaunus lesen. Eine Besonderheit ist der Gedenkstein für Toni Gölz. Er galt als Skiass des Skiclubs Bingen. Hier auf dem Stein geht es aber nicht um das Gedenken an einen Skifahrer, sondern Gölz kam bei einem Gewaltmarsch des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps ums Leben. Um sein Gedenken nicht zu „beschmutzen“ meißelte man irgendwann diesen Hinweis auf seine Naziverbundenheit kurzerhand aus dem Stein wieder heraus.
Versteckte Quellen
Zwischen Fuchstanz und Rotem Kreuz ist der „Großen Seelborn“ zu finden, der im Jahr 2023 im Rahmen eines „Freiwilligen ökologischen Jahres“ mit Bänken versehen wurde. Es wird vermutet, dass der Name der Quelle einen frühchristlichen Ursprung hat.
So führte das Ehepaar Bender mit Esprit und geschichtsträchtigem Wissen anhand von fotografierten Karten und Abbildungen der oft vergessenen Orte durch eine mehr als kurzweilige Vortragsstunde. Um den Vortrag zuhause nochmals Revue passieren lassen zu können, erwarben zahlreiche Besucherinnen und Besucher im Anschluss die Buchausgaben. In diesem Rahmen gab es auch die Gelegenheit zum persönlichen Austausch, so dass Erinnerungen an frühere Wanderungen im Taunus ausgetauscht werden konnten.
Die Bücher „122 bekannte, weniger bekannte und vergessene Plätze rund um den Feldberg am Taunus“, sowie die erweiterte Ausgabe zu „136 Orten“, bilden einen schier unerschöpflichen Fundus, um sich auf Entdeckungstour im Taunus zu begeben.
Die Bücher können in der Buchhandlung Gundi Gaab zu einem Preis von sieben, bzw. vierzehn Euro erworben werden.