Karsten McGovern, Adnan Shaikh und Chad McCarthy (von links) mit dem Vertrag über die künftige Versorgung des Wiesenbads mit Abwärme aus dem Rechenzentrum. Foto: Stadt Eschborn
Eschborn (ew). Das Eschborner Wiesenbad wird künftig mit aufbereiteter Abwärme aus dem Rechenzentrum „FRA1“ in der Schwalbacher Straße beheizt. Das hält nun ein Vertrag fest, den Bürgermeister Adnan Shaikh und Chad McCarthy, Geschäftsführer und Mitbegründer der Betreiberfirma „nLighten“ am Montag unterschrieben haben. Sowohl die bestehenden Gebäudeteile als auch die im Bau befindliche neue Halle sollen von der nachhaltigen Wärmeversorgung profitieren.
Das Projekt setzt nach Angaben der Stadt Eschborn „Maßstäbe in der Kooperation zwischen Entwicklungsprojekten unterschiedlicher Sektoren“, die in Zusammenarbeit eine Emissionssenkung in der Gemeinde erreichen. Da „nLighten“ sein Rechenzentrum mit grünem Strom betreibt, ist die zurückgewonnene Abwärme nicht nur nachhaltig, sondern auch ökologisch vorbildhaft für eine gesamte Branche.
Die Stadt Eschborn geht auf diese Weise einen wichtigen Schritt bei der Erreichung ihrer Dekarbonisierungsziele. „Wir rüsten auf einen Schlag unseren größten Gasverbraucher der Stadt auf eine nachhaltige Energiequelle um und verbessern unsere Klimabilanz so deutlich“, zeigt sich Bürgermeister Adnan Shaikh erfreut.
Als Wärmeträger bei der Versorgung des Wiesenbads dient Wasser, das im Rechenzentrum die Serverwärme zurückgewinnt und auf direkt nutzbare Heizungstemperaturen von rund 65 Grad aufbereitet. Danach wird das Heizungswasser über wenige hundert Meter in das Schwimmbad transportiert. Das dafür benötigte Wärmenetz wird durch den Rechenzentrumsbetreiber errichtet. Die Stadt Eschborn unterstützt das mit einem Baukostenzuschuss in Höhe von 1,2 Millionen Euro.
Unterm Strich soll sich das Ganze auch noch lohnen. 300.000 bis 400.000 Euro wird die Stadt künftig für die Abwärme bezahlen. Das entspricht nach Angaben von Adnan Shaikh ungefähr den Kosten, die die Stadt bisher für das Beheizen des Wassers ausgegeben hat. Künftig werden damit aber zwei Schwimmhallen betrieben.
Chad McCarthy: „Mit diesem Projekt beweisen wir, dass Rechenzentren nicht nur zur Digitalisierung der Wirtschaft beitragen, sondern auch zur Emissionssenkung im lokalen Energiesystem der Gemeinde. Die besondere Auslegung der nLighten-Kühlanlagen lässt das Rechenzentrum zu einer direkt nutzbaren Wärmeversorgung für Eschborn werden.“
Andreas Herden, Deutschland-Direktor von „nLighten“ ergänzt: „Das Abwärmeprojekt in Eschborn ist für uns ein Meilenstein. Es zeigt, wie Rechenzentren von Energieverbrauchern zu aktiven Gestaltern der Energiewende werden können. Unser Anspruch ist es, die digitale Infrastruktur Europas nicht nur leistungsfähig und vernetzt, sondern auch nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten.“ Das Projekt in Eschborn sei ein wichtiger Schritt auf diesem Weg und Vorbild für viele weitere Kooperationen.“
Die Landesenergieagentur Hessen (LEA) betrachtet die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Rechenzentrumsbetreiber als wichtigen Schritt im Ausbau klimafreundlicher Energieversorgung. Sie hatte schon die „Machbarkeitsuntersuchung Abwärmenutzung aus Rechenzentren in Eschborn und Frankfurt-Sossenheim“, die durch das Land Hessen finanziert wurde, begleitet. Ergebnis der Studie aus dem Jahr 2023 war, dass Eschborn, Sossenheim und Teile von Unterliederbach mit der Abwärme aus Rechenzentren kostengünstiger beheizt werden können, als durch die Beheizung mit dezentralen Luft-Wasser-Wärmepumpen. Insgesamt müssten für das interkommunale Projekt allerdings rund 135 Millionen Euro investiert und 50 Kilometer Fernwärmeleitungen verlegt werden. Jetzt startet die “kleine Schwester“ mit der ersten 800-Meter-Leitung und geht als Vorbildprojekt voran.
LEA-Leiter Karsten McGovern war bei der Vertragsunterzeichnung am Montag dabei. Er sagte: „Ich beglückwünsche die Projektbeteiligten, für ihre Beharrlichkeit, das erste Abwärmeprojekt aus Rechenzentren in Eschborn umzusetzen. Und ich hoffe, dass das ein Ansporn und Vorbild ist, auch die Abwärmenutzung aus den Rechenzentren im Sossenheimer Gewerbegebiet voranzutreiben.“ Die Machbarkeitsstudie ist zu finden unterlea-hessen.de/mediathek/publikationen/4100.
Schwimmhalle erst 2026 fertig
Die neue Schwimmhalle im Wiesenbad, die dann später mit der Fernwärme versorgt werden soll, wird erst im kommenden Frühjahr fertig. Aktuell laufen die Isolierungsarbeiten an den Lüftungsleitungen. Die Einhausung auf dem Umkleidedach ist ebenfalls fertiggestellt. Bei der Elektro-Installation wurden die Kabeltrassen montiert, die Verkabelung ist in Arbeit. Im Bereich Heizung und Sanitär schreitet die Rohrmontage voran, auch die Heizungszentrale ist bereits teilweise installiert. Zudem hat der Trockenbau begonnen, erste Unterkonstruktionen sind montiert.
Die Stadtverwaltung räumt ein, dass es beim Bau zu Verzögerungen gekommen ist. So gingen auf die erste Ausschreibung der Badewassertechnik keine Angebote ein, die Ausschreibung musste daraufhin wiederholt werden. Inzwischen ist dieser Prozess abgeschlossen, der Auftrag vergeben und das Gewerk beauftragt, die Werk- und Montageplanung läuft. Die Verglasung der Fensterfronten ist größtenteils abgeschlossen, sodass die ersten Konturen des künftigen Bades schon zu erkennen sind.
Zeitgleich mit der erneuten Ausschreibung der Badewassertechnik kam es bei der Ausschreibung des Edelstahlbeckens zu einer Rüge. Die Stadt Eschborn hat die Entscheidung der Vergabekammer umgesetzt.
Notwendige Toleranzanpassungen in den Vorleistungen führten zudem dazu, dass einige Zimmermannsarbeiten erst später beginnen konnten. Aktuell werden die Dachbinder an die baulichen Gegebenheiten angepasst – ihre Montage ist für Ende September geplant. Bis zum Beginn der Arbeiten sorgten die Errichter dafür, dass die Bauteile fachgerecht geschützt sind, so dass in der Zwischenzeit keine Schäden an den bereits vorhandenen Bauteilen entstanden sind. Die Abdichtungsarbeiten an den Dächern von Umkleiden und Foyer sind bereits abgeschlossen.
Den nächsten Meilenstein bildet neben dem Hallendach auch die vorzeitige Inbetriebnahme des Foyers mit dem neuen Eingangs- und Kassenbereich.