Autorin Edith Hartmann stirbt im Alter von 93 Jahren

War nicht nur in Burgholzhausen, ihrem Wohnort, vielen Menschen bekannt: die Schriftstellerin Edith Hartmann.

Friedrichsdorf (ks). Edith Hartmann, die im gesegneten Alter von 93 Jahren gestorben ist, konnte auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Ihr Ehemann Karlheinz Hartmann aus Burgholzhausen war „die Liebe ihres Lebens“, der sie mit Zuneigung und Verständnis umsorgte und den beiden Töchtern und dem Sohn ein guter Vater war. Dank ihrer Schwiegermutter durfte sich diese vielseitig begabte Frau dem Schreiben, Malen und Klavierspielen widmen, derweil die Schwiegermutter, zum „Käpt’n Mary“ befördert, das Ruder in der Küche übernahm.

Edith hatte nie richtig kochen gelernt, denn ihre Eltern waren im eigenen Delikatessgeschäft tätig, und für den Privathaushalt gab es Hilfspersonal. Lange Jahre lag ein dunkler Schatten über diesem sorglosen Leben, der sich nur sehr langsam verflüchtigt hat: Die Sehnsucht nach Karlsbad, dem mondänen Kurbad im Böhmischen, in dem sie geboren worden war und jeden Winkel kannte. „Diese Stadt war für meinen Bruder und mich so vertraut wie ein Dorf“, gestand sie einmal. Und vertraut waren auch die Dörfer, in denen die Verwandtschaft lebte und den Geschwistern Ferientage in unbegrenzter Freiheit bescherte. Karlsbad, die geliebte Heimatstadt, blieb für immer Edith Hartmanns „Sirmio“, ihr Sehnsuchtsort, von dem sie glaubte, dass jeder Mensch ein solches „Sirmio“ in sich trage. Dort war sie „daheim“, nach der Vertreibung in Burgholzhausen „zu Hause“. Zwischen diesen beiden Polen vergingen viele Jahre, in denen die Sehnsucht nach „daheim“ nur sehr langsam im großen Meer der Erinnerungen zu dümpeln begann und nicht mehr schmerzte. Ihr Sirmio war aber auch der Brunnen, aus dem sie für ihre Geschichten schöpfen und in ihren feingesponnenen Geschichten Menschen ein Denkmal setzen konnte, die ihr wichtig waren.

Burgholzhausen, das neue „ Zuhause“, war 1946 noch eine selbstständige Gemeinde, ehe sie ein Stadtteil von Friedrichsdorf wurde. Sie darf sich rühmen, „auserwählt“ zu sein, auserwählt von einem 18-jährigen Mädchen, das man aus seiner Heimat verjagt hatte und das mit seinen Eltern auf der Suche nach einer neuen Bleibe war. Der Zug mit den Güterwagons war nach langer Fahrt in Friedberg gelandet, und dort wurden die Orte verkündet, die gewillt waren, vertriebene Menschen aufzunehmen. „Ich weiß nicht, welche Hand mich damals geführt hat, als ich beim Namen ‚Burghozhausen vor der Höhe‘ spontan entschied, ‚das ist ein so schöner langer Name. Dort will ich hin‘.“ Drei Jahre später hat sie einen Bugholzhäuser Burschen geheiratet und diese Entscheidung nie bereut.

Edith Hartmann hatte Erfolg mit ihrer literarischen Arbeit, mit ihren Grafiken, mit ihrer Musik; sie hat Preise gewonnen und erlebt, dass ihr noch in Karlsbad entstandenes Märchen „Erklitt, der Eiskobold“ von ihrem Jugendfreund Johnny vertont und im Kurtheater von Bad Homburg augeführt wurde. Ihre in dem bibliophilen Band „Ruhe samt“ versammelten Horrorgeschichten wurden im Hessischen Rundfunk vorgetragen. Er war im Verlag des Sohnes erschienen, in dem einige ihrer frühen Werke herausgekommen sind, reich geschmückt mit ihren schwarzweißen Grafiken, die so geheimnisvoll und orientalisch wirken.

Burgholzhausen war das Tor zu Welt, durch das das Ehepaar gern und viel auf Reisen ging und die Welt erkundete: von Europa über Indien und später bis nach Australien und in die USA, wohin es die Töchter verschlagen hatte. Beim Wiederlesen und Blättern im literarischen Werk von Edith Hartmann mit den vielen autobiografischen Hinweisen bestätigt sich das, war man immer empfunden hat: Es ist allgemein gültig und zeitlos. Wieder ziehen Flüchtlingsströme durch die Welt, mit Menschen, die die Bürde des Heimwehs tragen müssen, und mit Menschen, die wieder einmal besonders deutlich spüren, dass wir mitten im Leben vom Tod umgeben sind, wie es als Motto im Buch „Ruhe samt“ steht: „Media vita in morte sumus.“

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