Als „Furry“ eintauchen in magische Welten

Geburtstagstreffen der Furrys auf dem großen Feldberg: Bastian Skrzypczak aus Coburg alias „Jolty“, ein Pokemon-Blitzer, Geburtstagskind Jonas Belzer aus Köppern als Greif „Tobias“ und „Faith“ aus Worms. Foto: J. Belzer

Bettina Müller-Ifland

Friedrichsdorf. Wo immer sie auftauchen, ziehen sie die Blicke auf sich. Kostümierte Erwachsene, die fantasievolle Tiergestalten darstellen und sich „Furrys“ nennen. Auch in Köppern soll es einen geben...

Begonnen hat alles mit einer Geschichte. Genauer mit einer Geschichte über einen Greif, einer Fantasyerzählung. Geschrieben von Jonas Belzer, einem mittlerweile 25-jährigen Schreinergesellen aus Köppern. Nachdem der schon immer Fantasy-Begeisterte mit ein paar Kumpels herumgeblödelt und am PC mit einem „Greif-Generator“ mehrere dieser ausgefallenen Wesen erstellt hatte, entstand die Idee, zu seinem Greif „Tobias“ Geschichten zu schreiben. 2014 stellte Belzer erstmals eine dieser Geschichten online und wurde überrascht von der enormen Resonanz. Unter den vielen Rückmeldungen tauchte immer wieder die Frage auf, ob er auch ein „Furry“ sei.

Ein „Furry“? Er forschte nach und entdeckte so eine Welt der Rollenspiele und Kostümierungen, bevölkert von fantasievollen tierischen Gesellen der unterschiedlichsten Couleur. Eine Gemeinschaft pelziger Gesellen, in der Erwachsene in tierische Fantasy-Rollen schlüpfen, in selbst erdachte Charaktere, die nichts mit ihnen selbst zu tun haben müssen, sondern viel eher mit ihren Idealvorstellungen eines Charakters. Dieser Charakter ist dann ihre „Fursona“ und sie selbst bezeichnen sich als „Furrys“, als Pelzträger. Das passt sehr gut zu ihren meist pelzigen Kunstfell-Ganzkörperkostümen, die sie kurz ihren „Suit“ nennen. Englisch ist ohnehin die Sprache dieser internationalen Gemeinschaft, die ihren Ursprung in der USA hatte, sich ab Ende der 80er und in den 90er Jahren nach Deutschland ausbreitete und heute fast die gesamte Welt umspannt. Mittlerweile gibt es in Deutschland zahlreiche Vereine, in denen sich die „Furrys“ zusammenfinden, um sich auszutauschen und gemeinsame Aktionen zu starten. Einer davon ist der Verein „Freunde auf 2 Pfoten“, beheimatet in der Röhn, der mittlerweile etwa 60 Mitglieder hat. Ihm hat sich Jonas Belzer, alias Greif „Tobi“ angeschlossen, er schätzt den Zusammenhalt in der Gemeinschaft. „Hier“, sagt er, „sind alle willkommen, alle sind gleich. Es gibt keinen Rassismus, keine Diskriminierung. Und jederzeit Hilfe, wenn man mal Probleme hat.“ Ganz überraschend hat das auch Belzer erlebt, als er mit gebrochenem Fuß fast komplett bewegungsunfähig zuhause saß: Der „Suiter“, für den er oft den „Spotter“ gemacht hatte, nahm spontan Urlaub, um ihn in der ersten Woche tatkräftig im Alltag zu unterstützen.

Ein „Suiter“ ist derjenige, der in dem Kostüm steckt, sein Gesichtskreis ist meist stark eingeschränkt, da die Masken oft nur kleine, vergitterte Augenlöcher aufweisen. Daher helfen die „Spotter“, die auf den Weg achten und vor Hindernissen warnen. Sie sind unverzichtbar bei den Auftritten der „Furrys“, bei den Umzügen (Walks) und den Versammlungen (Conventions).

Ohne „Tape-Dummy“ kein Kostüm

2017 schließlich war Belzers Wunsch nach einem eigenen Kostüm dann so groß, dass er eine Suitbauerin anschrieb. Die Planung eines derartigen Furry-Kostüms ist aufwändig und zeitintensiv. Viele Details wie Farben, passende Kunstfellarten, die Gestaltung des Kopfes und der Flügel oder des Schweifes sind zu berücksichtigen. Unverzichtbar sind Darstellungen von allen Seiten und schließlich die Anfertigung eines „Tape-Dummys“. Belzer erinnert sich: „Wir waren zu fünft, um zwei „Tape-Dummys“ zu erstellen, das war ein richtiges Event. Wir hatten viel Spaß, als zwei von uns erst vollständig mit einer Folie bedeckt und dann komplett bis auf das Gesicht mit Panzertape umwickelt wurden“. So entsteht eine feste Ganzkörper-Hülle, die aufgeschnitten, zusammengeklappt und verschickt werden kann. Der Suitmaker klebt sie wieder zusammen und stopft sie aus, wobei durch das Panzertape die ursprüngliche Form gewahrt bleibt. Nur so können die Kostüme passgenau hergestellt werden. Meist verschlingen sie nicht nur enorm viel Zeit für ihre Herstellung, sondern auch die Kosten sind beachtlich. Im Greifen-Kostüm von Belzer stecken gut 200 Stunden Handarbeit und die Materialkosten beliefen sich auf fast 900 Euro, so dass die Gesamtkosten bei 2700 Euro lagen.

Doch es hat sich gelohnt, meint der Fantasy-Fan und richtet den Blick in eine Zukunft nach Corona. Im vergangenen Herbst vor dem erneuten Lockdown konnte er sein Kostüm nur selten tragen. Immerhin konnte er sich an seinem Geburtstag im September noch einmal in seine „Fursona“, also seinen Furry-Charakter, verwandeln und mit Freunden als „Furrys“ auf dem Feldberg feiern. Sein Traum für die Zukunft: Einmal in den USA an der weltgrößten Convention, der Anthrocon, teilnehmen, wenn sich an die 9000 Furrys aus aller Welt treffen, Künstler ihre Werke präsentieren, zahlreiche Walks stattfinden und vielfältige Shows und Tanzwettbewerbe. Doch zunächst freut er sich auf die Wiederaufnahme der Vereinsaktivitäten, sobald Corona das zulässt. Derzeit halten sie online Kontakt, die vielen Veranstaltungen gerade auch aus dem Charity-Sektor entfallen. Das ist eigentlich ein großes Anliegen der „Furrys“: Andere zum Lachen bringen, herumalbern und dabei auch noch Gutes tun.

Weitere Artikelbilder



X