Hugenottenstadt mit Zusatzbezeichnung

Die vielen Besucher im Philipp-Reis-Haus, die Dreck mitbringen, findet das Dienstmädchen Marie (Anita Vidovic, vorne Mitte) der Familie Reis überhaupt nicht gut. Humorvoller Auftritt einer Schauspielerin bei der Überreichung der Urkunde, die Friedrichsdorf berechtigt, die Zusatzbezeichnung Philipp-Reis-Stadt zu führen, durch den Hessischen Innenminister Professor Roman Poseck an Bürgermeister Lars Keitel. Sehr zur Freude der Museumsleiterin Dr. Erika Dittrich und dem Erstem Kreisbeigeordneten Thorsten Schorr (v. l.)Fotos: fch

Friedrichsdorf (fch). Friedrichsdorf darf sich jetzt offiziell „Philipp-Reis-Stadt“ nennen. Der Hessische Innenminister Professor Roman Poseck verlieh die Urkunde mit der Zusatzbezeichnung an Bürgermeister Lars Keitel im Philipp-Reis-Haus.

Am zweiten Mittwoch im November begrüßten Bürgermeister Lars Keitel, Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerd Brücks und Museumsleiterin Dr. Erika Dittrich unter den zahlreichen Besuchern im Philipp-Reis-Haus mit Professor Roman Poseck den Hessischen Minister für Inneres, Sicherheit und Heimatschutz. Der Hessische Innenminister überreichte im städtischen Museum an Bürgermeister Keitel eine Urkunde, die Friedrichsdorf gestattet, künftig die Zusatzbezeichnung „Philipp-Reis-Stadt“ zu tragen. Die Zusatzbezeichnung hatte Friedrichsdorf beantragt, um die Erinnerung an den genialen Tüftler und berühmtesten Bürger der Stadt wachzuhalten. Zwar ist Philipp Reis am 7. Januar 1834 in Gelnhausen geboren, doch die meiste Zeit seines Lebens hat er in Friedrichsdorf verbracht. Erst als Schüler und später als Lehrer an der international renommierten Privatschule, dem Institut Garnier. Philipp Reis hat in Friedrichsdorf, gelebt, gearbeitet und geforscht. Er ist in der Hugenottenstadt am 14. Januar 1874 verstorben und beerdigt worden. Vor diesem Hintergrund hat das Hessische Landesarchiv die Anfrage der Stadt positiv beschieden. „Die enge Verbindung Friedrichsdorfs zu Philipp Reis und seiner Forschung zur Entwicklung des Telefons ist ein historisches Alleinstellungsmerkmal“, sagte der Hessische Innenminister. Mit der Verleihung ist Friedrichsdorf eine von 64 Kommunen in Hessen mit Zusatzbezeichnung. „Verwaltung kann auch schnell, wenn sich alle einig sind“, sagte Professor Poseck. Ein Zusatzname unterstreiche die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Keitel erinnerte daran, dass zu Lebzeiten von Reis noch niemand geahnt habe, „was man mit dem Gerät, das er „Telephon“ nannte“, anfangen könne. Dr. Dittrich berichtete, dass Reis 1861 seinen Apparat erstmals öffentlich vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt vorstellte. Die Presse feierte ihn zwar euphorisch, doch die Fachwelt versagte ihm ihre Anerkennung, weil sie damit nichts anfangen konnte. Sie urteilte, dass „dieses Gerät niemals zu gebrauchen ist“. Schon lange hatte Reis sich mit der Frage beschäftigt, wie man Töne in die Ferne übertragen könne. Als der Lehrer für seine Schüler ein Modell des Ohres baute, kam ihm die zündende Idee: Er verband das Holzohr per Draht mit einer Stricknadel, verband alles mit einer Stromquelle, und fertig war das Telefon. Freilich experimentierte und verbesserte der Autodidakt es weiter. Bei einem Versuch sprach dann sein Schwager in das Holzohr, während Reis an der Stricknadel und einer Geige als Verstärker lauschte und alles fehlerfrei wiederholte. Reis litt an Lungentuberkulose und verstarb mit 40 Jahren. „Er hat das Telefon erfunden, aber es ist ihm nicht gelungen, die Erfindung der Apparatur nachhaltig mit seinem Namen zu verbinden und zu vermarkten“, sagte Dr. Dittrich. Das große Geld verdiente Alexander Graham Bell, der 1876 sein Telefon zum Patent anmeldete, es ständig verbesserte bis es 1881 als Telefon einsatzfähig war. Weil Philipp Reis nicht studiert hatte, wurde ihm zeitlebens die Anerkennung durch den Physikalischen Verein versagt. Heute ist das „Gerät“ von Philipp Reis nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Zur Verleihung der Zusatzbezeichnung waren ins Philipp-Reis-Haus auch der Erste Kreisbeigeordnete Thorsten Schorr (CDU) und der ehemalige Friedrichsdorfer Bürgermeister Horst Burghardt gekommen. Für eine heitere Note bei der Veranstaltung sorgte Schauspielerin Anita Vidovic. Sie plauderte als ehemaliges Dienstmädchen Marie der Familie Reis aus dem Nähkästchen. Das „Frankforder Mädsche“ regte sich darüber auf, dass es im Erfinderhaushalt zwar „sauber mache, aber nichts anfasse soll“.

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