Wenn der Landgraf das geahnt hätte...

Der Festzug durch den Ortskern wird von der Egerländer Blaskapelle angeführt. Es folgen die Feuerwehr, die Schützen und viele Seulberger Vereine. Auf dem Festgelände erwarten ihn bereits viele Gäste. Foto: Julian Uhrhan

Von Julian Uhrhan

Friedrichsdorf. Als der Landgraf Friedrich vor etwa 400 Jahren den „Sellwischer“ Schützen eine Freiheitsscheibe als Dank für ihren Wehrdienst übergab, konnte er sich sicherlich nicht vorstellen, dass das Freiheitsschießen zu einer Tradition werden würde, der die Jahrhunderte und zwei Weltkriege nichts anhaben konnten. Mit seinen mindestens 1256 Jahren gilt Seulberg als eine der ältesten Siedlungen im Hochtaunuskreis, und obwohl das Freiheitsschießen noch nicht ganz so alt ist, so ist es doch eine der ältesten erhaltenen Traditionen des Stadtteils, die am Pfingstwochenende gefeiert wurde.

Ursprünglich bot das Freiheitsschießen den Schützen die Möglichkeit, sich für ein Jahr vom Frondienst für den Fürsten zu befreien. Heute bietet es die Möglichkeit, bei schönem Wetter und heiterer Stimmung sein sportliches Können unter Beweis zu stellen und einen Bembel und ein Geripptes zu gewinnen. Ein Anreiz, der die Seulberger in Scharen zum Festplatz strömen lässt. Die Feier beginnt mit einem Umzug durch den Ortskern, der um die Kirche herum zum Frühschoppen im Hof des Heimatmuseums und dann schließlich die Hügel des Bottigtals hinauf zum Vereinsheim führt. Geführt wird der feierliche Umzug von der Egerländer Blaskapelle, die von den Flaggen der Freiwilligen Feuerwehr und der des Schützenvereins begleitet werden. Die Vertreter der jeweiligen Vereine treten in ihren Uniformen an, und besonders die Schützen bieten mit ihren Orden und Auszeichnungen, die sie stolz zur Schau stellen, ein beeindruckendes Bild.

Am Festgelände angekommen, erwarten die Gruppe bereits aufgebaute Bierzelte und Bänke, Buden und gutes Essen und Trinken. Die Eröffnungsrede hält Reinhold Bingenheimer, Beisitzer des Schützenvereins. Er erzählt, dass früher das Schießen auf 170 Meter ausgetragen, aber nach der Vereinheitlichung von Sportschützenstandards auf 100 Meter reduziert wurde und obwohl früher nur echte Seulberger Schützen an dem Wettbewerb teilnehmen durften, heute alle Friedrichsdorfer dazu eingeladen sind. Vorausgesetzt, sie sind über 18 Jahre alt und wohnen bereits seit einem Jahr in der Stadt. Ihm und dem Schützenverein liege der Erhalt der Seulberger Traditionen am Herzen, und weil Friedrichsdorf eine sehr familienfreundliche Stadt sei, bemühe sich der Verein darum, junges Blut für die Tradition und den Sport zu begeistern, so Bingenheimer. Interessierte können sich immer dienstags ab 18 Uhr, donnerstags ab 19 Uhr und samstags ab 11 Uhr am Luftgewehr, der Pistole und sogar dem Bogen üben. „Das Fest ist dieses Jahr etwas Besonderes, weil die Freiwillige Feuerwehr Seulberg ihr 100-jähriges Bestehen feiert und dementsprechend die Begeisterung und der Andrang besonders groß sind“, erzählt Reinhold Bingenheimer. Der Friedrichsdorfer Fotograf Reiner Harscher hat das Motiv der Freiheitsscheibe entworfen und den 100-jährigen Geburtstag als Motiv ausgewählt.

Stadtbrandinspektor Ulrich Neeb und Wehrführer Maximilian See erzählen, dass die Dorfgemeinschaft von Friedrichsdorf stark vom Zusammenhalt der Einwohner abhängen und dass Veranstaltungen wie das Schützenfest und die zahlreichen Aktionen der Feuerwehr dafür einen wichtigen sozialen Klebstoff bilden. Ulrich Neeb wünscht sich, dass vor allem viele der neu Zugezogenen dies öfter nutzten. Für die Beiden sind Vereine wie der Schützen- oder Sportverein ein bedeutender Faktor für die Lebensqualität. „Es wichtig ist, junge Menschen für ihre Gemeinschaft und ihr Umfeld zu begeistern, damit diese die Traditionen weitertragen können und so zu eben dieser Lebensqualität beitragen können“, so Neeb und See. Zu diesem Zweck richten die vier Feuerwehren der Stadt viele Veranstaltungen aus und bieten eine große Bandbreite an Angeboten für Groß und Klein. All das ist nur durch den Einsatz der Ehrenamtlichen möglich.

Auch Familie Bischoff genießt einen schönen Nachmittag auf dem Fest. Seit über 15 Jahren leben Stefan und Nadine Bischoff mit ihren drei Kindern Amelie, Frederick und Jakob in Friedrichsdorf. Die Kinder sind im Sport- und Tanzverein und Frederick, der Mittlere, spielt mit dem Gedanken, auch ein Schütze zu werden. Daher war es nicht nur für ihn spannend zu sehen, wer beim großen Freiheitsschießen die Nase vorn haben würde. Den Sieg errang diesmal Carin Hoyer von der Freiwilligen Feuerwehr. Platz zwei erreichte Stephan Genschow.

Es tut gut zu sehen, dass selbst in unseren schnelllebigen Zeiten manche Traditionen immer noch Bestand hat. Und so stoßen die Seulberger Schützen an diesem Abend auf die nächsten 400 Jahre an.

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