Vom Startbahngegner zum Bürgermeister

Bürgermeister Horst Burghardt posiert in seinem Büro an einem Kunstwerk aus Holz des Friedrichsdorfer Künstlers Jan Weber. Es trägt den Namen „Kommunikation“. Das passt irgendwie, sollte doch ein Stadtoberhaupt kommunikativ sein und ein Grüner naturnah. Foto: fch

Friedrichsdorf (fch). Einen neuen Chef bekommen in wenigen Tagen 110 Mitarbeiter im Friedrichsdorfer Rathaus und 200 weitere bei den Stadtwerken, in der Kita-Betreuung, beim Abwasserverband, den Sportplätzen und anderen städtischen Einrichtungen. Nach 24 Jahren verabschiedet sich Horst Burghardtaus dem Amt des Bürgermeisters.

Horst Burghardt leitete fast ein Vierteljahrhundert lang – vom 1. September 1997 bis zum 1. September diesen Jahres – die Geschicke der Hugenottenstadt. In einem Gespräch mit der Friedrichsdorfer Woche schaut der zum 31.August scheidende Bürgermeister auf seine vier Amtszeiten zurück, spricht über Erreichtes, Gegenwärtiges und seine Zukunft.

In die Politik gegangen ist der in Friedrichsdorf-Köppern Geborene mit Anfang Zwanzig. „Ich war als Twen naturpolitisch interessiert als die Startbahn West (Startbahn 18 West) gebaut wurde. Ich nahm an den Demonstrationen teil und habe mich 1981 politisch für die Grünen entschieden.“ Er gründete 1983 mit einigen Gleichgesinnten den Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen in Friedrichsdorf. Bereits zwei Jahre später zogen die Grünen erstmals mit drei Abgeordneten in das Stadtparlament Friedrichsdorf ein. Bei der Kommunalwahl 1985 errang die neue Partei drei Mandate, davon Burghardt eins für die Stadtverordnetenversammlung. Dieser gehört er bis 1997 als Stadtverordneter und zeitweise als Kreistagsabgeordneter an. Von 1986 bis 1991 war Burghardt Mitarbeiter im Hessischen Umweltministerium, wo er im Ministerbüro von Joschka Fischer und im Haushaltsreferat arbeitete. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Finanzierung kommunaler Anlagen und die Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente.

Er schied aus dem Landtag aus, nachdem er am 1. September 1997 erstmals zum Friedrichsdorfer Bürgermeisteramt gewählt wurde. Die Wahl erregte überregionales Aufsehen, da er einer der ersten Grünen war, die in einer Direktwahl zum Bürgermeister einer hessischen Gemeinde gewählt wurden. Zu den verwirklichten Projekten in seinen vier Amtszeiten gehört der Bau einer Umgehungsstraße, „die wollte die Stadt seit den 1960er Jahren bauen. Ich habe sie dann gebaut, wenn auch nicht so schnell wie gedacht“. Weitere Projekte sind die Verlagerung der Philip-Reis-Schule (PRS), die Erlenbach-Renaturierung und die Ausbildung eines innerstädtischen Zentrums. „Zuvor wurde von der Politik die Linie „alle Stadtteile sind gleich“ verfolgt. Heute haben wir einen Stadtkern.

Veränderungen und harte Kämpfe

Die Chance dafür eröffnete sich durch den Wegzug von Milupa.“ Eingeführt wurde freies Parken in der Hugenottenstraße, ein autofreier Landgrafenplatz, der später umgebaut wurde, um urbanes Leben und die Vergrößerung des Wochenmarktes zu ermöglichen. Damit wurde das Ziel einer belebten Innenstadt weiterverfolgt. „Jedes Projekt hat Veränderungen und harte Kämpfe zur Folge. Gefragt ist eine Schritt für Schritt-Politik, um die Leute mitzunehmen.“ Gegründet wurde eine von ihm initiierte Kulturstiftung und die Dr. Fuchs-Stiftung erweitert. Von beiden ist er ehrenamtlicher Vorsitzender.

Zu den städtischen Leuchtturmprojekten gehört der Bau der Ökosiedlung mit einem breitgefächerten Wohnungsangebot, vom siebenstöckigen Holzhochhaus über Familienhäuser bis zu Seniorenwohnungen, mit Kindergarten und Energieversorgung durch Eisspeicher. „Die Ökosiedlung ist als Siedlung einmalig durch ihren bunten Mix an Wohnungen, keine monotonen Bauten sowie einer sozialen und altersmäßigen Durchmischung der Bewohner, welche die Vielfalt des Lebens spiegelt.“

Zu den Herzensprojekten des Stadtoberhauptes gehören der Ausbau der Kinderbetreuung und der Sportpark. Ein Hallenbad werde dort nicht gebaut, das sei zu teuer, sagte der Bürgermeister. Zu den Projekten, die er nicht mehr in seiner vierten Amtszeit beenden kann, gehört das der integrierten Stadtentwicklung mit Aufwertung der Hugenottenstraße und Nutzung des 2078 Quadratmeter großen Goers-Geländes durch eine maßvolle Bebauung. Verzögert habe sich auch durch Corona der Umzug der Stadtbibliothek auf den Houiller Platz bis Ende 2022/Anfang 2023.

„Gern eröffnet hätte ich noch den neuen Kindergarten in der alten PRS und den ersten Spatenstich für die Kita an der Bleiche gemacht.“ Ebenfalls nicht in Erfüllung gegangen ist sein Wunsch ein modernes Rathaus auf dem Goers-Gelände zu bauen. „Das heutige Gebäude ist zu klein. Nur die beiden unteren Etagen sind als Verwaltungsgebäude geplant, die oberen als Wohnungen. Dadurch sitzen einige Mitarbeiter in der Speisekammer, andere im Wohnzimmer und die Abläufe sind zu ineffizient. Die Vorteile eines neuen Rathauses liegen in mehr Platz für Mitarbeiter und moderne Verwaltungsstrukturen, einem Rathaus als belebendem Innenstadtfaktor und einem Plus an Parkplätzen am Wochenende.“ Für eine weitere Amtszeit ist Burghardt nicht mehr angetreten, „weil ich mehr Zeit für mich und für meine Frau haben will.“ Für drei weitere Jahre hätte er sich nochmals wählen lassen, aber nicht für sechs. Politisch ehrenamtlich engagieren will er sich im Kreistag und im Regionalverband, im Bereich der Digitalisierung im Vorstand der EKOM 21, dem größten kommunalen IT-Dienstleistungsunternehmen in Hessen. „Und ich habe ein Beratungsunternehmen mit verschiedenen Dienstleistungen als „One-Man-Show“ gegründet.“ Fit hält er sich mit Radfahren und in seinem heimischen Sport-Studio. Zu seinen Hobbys gehören Fotografieren und Kochen, hier vor allem Gerichte aus der deutschen und mediterranen Küche.



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