Zwischen Witzen und Gesang den Finger in die Wunde legen

Der Kabarettist Christoph Sieber begeistert das Publikum nicht nur mit seinem Humor, sondern auch mit seiner Musik.Foto: mas

Friedrichsdorf (mas). Ein großer Ansturm, obwohl es nicht der erste Auftritt des Kabarettisten war: Bereits im Jahre 2021 lockte er die Gäste zu sich. Und nun, drei Jahre später, wurde es Zeit für einen neuen Besuch, dieses Mal mit seinem neusten Programm „Weitermachen!“ Herzlichst aufgenommen wurde der Kölner aber nicht. Wie denn auch, wenn über 200 Gästen erzählte, dass er nach „Friedrichsstadt“ fuhr. Eine große Empörung füllte den Saal, doch das sollte nicht der letzte Nerv sein, den Sieber beim Publikum traf. Dieses Ziel verfolgte er. Er wollte die Gäste herausfordern und kritisch sein.

Einen lockeren Start fand der Kabarettist mit seinen Sticheleien gegen den Bundeskanzler Olaf Scholz und den Vorsitzenden der CDU Friedrich Merz. Während es in den USA mit Kamala Harris und Donald Trump einen riesigen Wahlkampf gibt, bei dem die ganze Welt gespannt mitfiebert, wäre so etwas in Deutschland unvorstellbar. Ein Wahlkampf zwischen Scholz und Merz? „Da wären alle froh, wenn es keiner ausstrahlt.“

Doch nicht nur über die Politik wurde gescherzt: Ein großteil des Bühnenprogramms fokusierte sich auf Gesellschaftskritik. So ging es etwa über den gesunden Menschenverstand, über die Digitalisierung, wodurch inzwischen sogar die Autos ohne ihren Fahrer unterwegs sind, oder über die künstliche Intelligenz, durch die inzwischen sogar ein Toaster klüger sei, als man selbst.

Sieberts Kabarett war aber nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, sondern gab es auch Momente, in denen die Pointe kein großes Gelächter einbrachte, dafür jedoch donnernden Applaus. So leitete er zunächst das Thema des starken Mannes mit einem Vergleich zwischen Vladimir Putin, welcher oberkörperfrei auf einem Pferd ritt, mit Olaf Scholz ein, von dem er hoffe, dass er nicht oben ohne auf einem Pony reitet. Doch Männer wie Putin sollen nicht stark, sondern nur hart sein. Die wirklich Starken seien die, die Tag und Nacht in den Krankenhäusern, Psychiatrien oder bei der Feuerwehr arbeiten, die ihre ganze Kraft für andere opfern und am Ende die Frage, warum sie es tun, mit „weil es sonst keiner tut“ beantworten.

Diese Wertschätzung gefiel auch zwei Bad Homburgern, welche großen Gefallen an dem „kritischen, aber humorvollen“ Kabarett hatten. „Es passt einfach, er trifft immer den Punkt.“ Dass Sieber seinen Finger direkt in die Wunde legte, freute ebenfalls den Köpperner Lars Burkhardt (47): „Man braucht jemanden, der einen aus der eigenen Blase holt.“ Man nehme schon Programmpunkte mit nach Hause, erklärte Marcel Fritzlar (43), ebenfalls aus Köppern.

In der zweiten Hälfte der Veranstaltung sprach Sieber ausführlich über die Zukunft des Kabaretts und den Aufstieg der AfD, in der er eine Gefahr für die freie Meinungsäußerung sieht. Es bildete sich eine angespannte Stimmung, welche der Kabarettist zum Schluss mit seinem Tanz zum selbstgeschriebenen Lied „Wissen ist Macht“ auflockerte und das Publikum mit Postkarten, auf denen sein Gesicht gedruckt war, in den späten Abend gehen ließ.



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