Europas Herz schlägt für einen Tag in Schloßborn

Flagge zeigen für Europa: die Organisatoren des Europatags in Schloßborn, zusammen mit den Festköniginnen und Hoheiten des Kreises, unter die sich auch die Weiße Dame aus Königsteins Partnerstadt Kórnik gemischt hatte.Foto: Schramm

Glashütten-Schloßborn (as) – „Im Herzen von Europa“ – fast jeder kennt die berühmte Frankfurter Stadionhymne des Polizeichors Frankfurt. Aber es kann durchaus anlassbezogen auch mal eine kleine regionale Verschiebung geben. „Im Herzen von Europa – das ist heute in Schloßborn“, so Landrat Ulrich Krebs bei der Begrüßung zum Europatag des Hochtaunuskreises am Samstag. In der Ringstraße haben Verbände, Initiativen und fast alle Städtepartnerschaftsvereine des Kreises gut 40 Stände geöffnet, die alle für das größte Friedensprojekt der Neuzeit – Europa eben – die Flagge hissen. Einen Tag zuvor war der offizielle Europatag, der 9. Mai: Genau 75 Jahre zuvor hatte der französische Außenminister Robert Schuman die Gründung der ersten europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vorgeschlagen, die ein für allemal einen Krieg zwischen den Staaten Europas unmöglich machen sollte, denn die Schrecken des Zweiten Weltkrieges lagen gerade fünf Jahre zurück – am 8. Mai dieses Jahres wurde in fast allen Ländern Europa der 80. Jahrestag der Kapitulation des Deutschen Reichs gefeiert.

„Wir dürfen heute feiern, dass wir seit 80 Jahren in Freiheit leben und denken auch an jene, die in Kriegsgebieten leben“, so der Landrat. Deswegen sei es so wichtig, „den europäischen Gedanken in den Mittelpunkt des Bewusstseins zu stellen“. Dafür sorgten auch die Partnerschaftsbeziehungen in alle Himmelsrichtungen, „sie sind das Band, das Europa zusammenhält“. Ein Europa, zu dem seit 1989/90 auch die mittel- und osteuropäischen Staaten gehören. Eine besondere Erwähnung verdiente sich deshalb die polnische Gemeinde Kórnik, die mit einer 25-köpfigen Delegation angereist war, da am gleichen Abend das 20-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Königstein gefeiert wurde. Es ist nach wie vor die einzige Städtepartnerschaft, die nach Polen reicht, während solche mit Städten in Frankreich, Italien, Großbritannien und Österreich etabliert sind. Er hoffe auf neue Kontakte, so Krebs, der auch den Gastgebern dankte: „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass eine so kleine Gemeinde das stemmen kann. Wir haben einen tollen Markt zusammenbekommen.“

Und das Wetter spielte mit strahlendem Sonnenschein mit. Glashüttens Bürgermeister Thomas Ciesielski setzte auf das „Herz“ noch einen drauf und hieß politische Vertreter des Kreises wie Kreistagspräsident Renzo Sechi, die Kreisbeigeordneten Thorsten Schorr und Antje van der Heide, zahlreiche Rathauschefs und die um 11 Uhr schon zahlreichen Gäste „in einer der schönsten Gemeinden im Taunus“ willkommen, die das erste Mal Gastgeber sein durfte. Da es ja keinen Festplatz in Glashütten gebe und ursprünglich der Aldi-Parkplatz als Standort vorgesehen war, habe man sich für „den viel schöneren Ort“, die Ringstraße, entschieden.

Ehe die Folklore-Tanzgruppe „Wladysie“ aus Kórnik mit einem lebensfrohen Tanz das Bühnenprogramm eröffnete, bat Moderator Thomas Rasper noch alle Festköniginnen und Hoheiten aus dem Hochtaunuskreis auf die Bühne. Mit Königsteins Burgfräulein Malva I. und Lavendelkönigin Lisa III. sowie einer besonderen Geschichte: Der Oberurseler Brunnenkönig René ist das Produkt einer sehr erfolgreichen europäischen Beziehung. Seine Eltern hatten sich einst durch die Städtepartnerschaft von Stierstadt mit der niederländischen Stadt Ursum kennen- und liebengelernt.

Dass Liebe auch durch den Magen geht, wissen die Vertreter der Partnerschaftsvereine ganz genau, deshalb boten sie auch viele kulinarische Spezialitäten aus ihren Städten an. Am Stand von Glashütten–Caromb gab es Tapenade, eine herrliche Olivenpaste, und Rillettes, einen Aufstrich aus gemischtem, gekochten Fleisch mit Kräutern zu probieren, wer wollte, auch ein Mini-Gläschen Rotwein aus der Provence. Die Gäste aus Kórnik sprachen mit frischen Quarkplundern aus Polen den süßen Gaumen an und bei den französischen Partnerschaftsvereinen Königsteins gab es Brie auf knusprigem Baguette. Die Partnerschaftsvereine Königstein–Le Cannet und Falkenstein–Le Mêle hatten nicht nur einen gemeinsamen Stand, sie wollen künftig auch enger kooperieren, kündigten die Vorsitzenden Alexander Hees und Stefanie Schulte an. „Uns treibt die gleiche Idee und die Leute, die wir erreichen wollen, sind die gleichen.“ Die Ressourcen zu bündeln sei da einfach nur folgerichtig, zumal der Nachwuchs – wie in allen Vereinen – nicht üppig sei.

Direkt daneben befand sich der Stand von Königstein–Faringdon. Er habe sich schon anhören müssen, warum man überhaupt dabei sei, wo Großbritannien doch nicht mehr in der EU sei, erzählt dessen Vorsitzender Christoph Scharr. Er glaubt aber, dass man nach dem Brexit gerade dabei sei, sich wieder zusammenzuraufen, man habe „ein Momentum erwischt, die Beziehungen zu stärken“, sagt Scharr. So wurde die Städtepartnerschaft mit Faringdon in Oxfordshire erst nach dem Brexit begründet – nach dem Motto „Jetzt erst recht“.

Im Übrigen, das hoben die Königsteiner Vereinsvertreter gerne heraus, stünden ihre Vereine für die vier Länder Polen, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, deren Regierungschefs an diesem Tag zu Gast in Kiew waren, um einen Vorstoß in Sachen Waffenruhe zu unternehmen. Da ist sie wieder, die große Friedensidee, die die Europäer noch glaubhaft und machtvoll vertreten können, wenn sie sich denn einig sind. Und dafür muss man nicht zwingend Mitglied der Europäischen Union sein, wenn man die gleichen Werte hat.

Ach ja, zu probieren gab es bei den „Faringdonis“ klassische britische Sandwiches mit Gurkencreme oder mit Käse-Zwiebelrelish und Pimm’s, einen Cocktail auf Basis des gleichnamigen Kräuterlikörs mit Ginger Ale, Minze, Orange, Zitrone und Gurke.

Bekannt wurde am Nachmittag auch noch, dass Steinbach im kommenden Jahr Gastgeber des Europatags sein wird. Bereits in diesem Jahr hatte die Gemeinde mit 45 Gästen aus Saint-Avertin die größte ausländische Gruppe mitgebracht. Die beiden Kommunen besuchen sich zweimal pro Jahr und bilden damit ganz bestimmt eine der aktivsten Städtepartnerschaften des Kreises.

Auf dem Europatag wurde im Übrigen auch das Wissen über Europa gefördert und getestet. Am Stand des Fördervereins der Schloßborner Kita Marienruhe war die Aufgabe, die Flaggen aller 47 europäischen Länder richtig zuzuordnen – durchaus eine Herausforderung, denn wer weiß schon so genau, wie etwa die montenegrinische Flagge aussieht. Zudem zeigte die Kita auf einer Europakarte an, woher ihre Kinder stammen. Zu erkennen waren auch Aufkleber auf einer russischen und einer ukrainischen Stadt, im Kleinkindalter ist das zum Glück noch kein Thema oder gar Problem. Bei der Kita waren auch an diesem Tag die Kinder auf dem Bobbycar-Parcours gut aufgehoben, darüber hinaus gab es eine Hüpfburg neben dem Süwag-Energiepark auf dem Sportplatz.

Und bei der überparteilichen Europa-Union gab es ebenfalls ein recht anspruchsvolles Quiz zur EU. Wer zum Beispiel auch weiß, dass Europa längster Fluss die Wolga ist, hat die Chance, Reisen nach Brüssel oder Straßburg zu gewinnen. Ziel der Europa-Union ist ein richtig föderales Europa als quasi ein europäischer Bundesstaat mit stärkeren Rechten für die europäischen Institutionen und auch einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Einiges davon ist bei Mitgliedsstaaten wie Ungarn und der Slowakei sicher utopisch, aber die Vorsitzende im Hochtaunuskreis, die frühere Landestagsabgeordnete Hildegard Klär, die schon Mitglied im ersten Europaausschuss gewesen ist, sieht keine Alternative zur EU. Und gibt sich durchaus optimistisch: „Das Interesse am Verein ist größer geworden.“ Im vergangenen Jahr habe die Europa-Union im Hochtaunus an Mitgliedern zugelegt, habe jetzt 65 Mitglieder, in Hessen sind es rund 1.700.

Aber es gab auch Kritisches zu hören: Gerade junge Leute wüssten gar nicht mehr, warum sie sich für eine Partnerschaft noch einsetzen sollten, alles werde als gegeben vorausgesetzt, hat Heinrich Wicke, Vorstandsmitglied des Vereins Glashütten–Caromb, beobachtet. Den Jugendaustausch gibt es seit Jahren nicht mehr, immerhin findet in diesem Jahr am 31. Mai wieder ein Provenzalischer Markt in Glashütten statt. Er sieht an der europäischen Integration ein wenig den „Fluch der guten Tat“. Und das sei in Frankreich nicht anders als in Deutschland: „Bei unserem letzten Besuch in Caromb bin ich von Jugendlichen gefragt worden, wieso ich einen so weiten Weg auf mich genommen hätte.“ Zudem schwinde auch das Erlernen der Fremdsprache in beiden Ländern mehr und mehr. Seine Meinung: „Wie für die Demokratie muss man auch für die Partnerschaft etwas tun“, ist Wicke überzeugt.

Aber selbst, wer sich nicht für Europa engagiert, profitiert. Dass Europa nicht nur gesetzliche Vorschriften macht, sondern Dinge im Alltag ermöglichen kann, zeigt sich am Stand der LEADER-Region Hoher Taunus, die Projekte des Regionalbudgets zu 80 Prozent, unter anderem mit Mitteln der EU, fördert. Klaus Hindrichs, Erster Beigeordneter des Glashüttener Gemeindevorstandes, informierte darüber, dass in Glashütten in diesem Jahr in Schloßborn ein Beachvolleyballfeld im Freibad und eine Breitwandrutsche in der Grundschule gefördert werden, in Oberems ist es das NABU-Projekt mit einem Bauwagen für den Schaugarten.

Der Europatag mag einmal im Jahr stattfinden, aber Europa ist täglich ganz nah.

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