Gegenseitiges Bekenntnis zum Vorleben gemeinsamer Werte

Neben typischen Spezialitäten aus der Region, mit denen die Gaumen erfreut werden sollen, brachten die Franzosen diese aussagekräftige Unikatuhr mit Fotos: Puck

Glashütten/Caromb (pu) – „Die Zeit vergeht, die Freundschaft bleibt – 1977/2022“. Dieser auf den ersten Blick unspektakuläre und dennoch tiefsinnige Satz ziert eine Unikatuhr, mit der die seit 2020 amtierende Bürgermeisterin Valerie Michelier und die Caromber Gemeinderatsmitglieder ihre Glashüttener Gastgeber am Wochenende im Verlauf einer akademischen Feierstunde im Bürgersaal überraschten. Anlass war der zum 45. Mal wiederkehrende Jahrestag der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags durch beide Kommunen am 17. September 1977 in der französischen Schwestergemeinde im Département Vaucluse in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.

Freundschaft setzt Begegnung voraus

Zum dreitägigen Auftakt des in Deutschland als Messinghochzeit bezeichneten Ereignisses hatten 21 Caromber auf herzliche Einladung ihrer deutschen Freunde die Koffer gepackt und voller Vorfreude auf das lang ersehnte Wiedersehen die 943 Kilometer lange Reise in den Taunus angetreten. „Freundschaft setzt Begegnung voraus. Wir sind auch heute dabei, unser gemeinsames Ziel nicht aus den Augen zu verlieren“, hob Heike Kolter angesichts der aktuellen Krisenzeiten mit Nachdruck heraus. Sie hat im Januar 2020 nach einer mehrmonatigen Vakanz auf dieser Position die Nachfolge von Gerd Pfabe, dem langjährigen Vorsitzenden des Förderkreises der Gemeindepartnerschaft Glashütten-Caromb, angetreten und spielte mit ihren Worten auf die Bedeutsamkeit enger Verbindungen auf kommunaler Ebene an. „Die Solidarität mit der Ukraine steht auf dem Fundament der westlichen Staatengemeinschaft, dessen Kern die deutsch-französische Freundschaft darstellt. Unsere Gemeindepartnerschaft ist sicherlich ein Teil davon“, machte sie deutlich.

Initiativen Einzelner

Messinghochzeitern wird nachgesagt, in den gemeinsamen Jahren eine so feste und stabile Bindung zueinander aufgebaut zu haben, die keiner mehr trennen könne.

Diesen Ball aufgreifend, sprach die Förderkreisvorsitzende von einer mit Leben erfüllten Beziehung, die immer wieder von „Initiativen Einzelner im Verbund unserer erklärten Freundschaft“ getragen worden sei. Ihr französisches Pendent, Nicolas Massot, Vorsitzender des Comité des Jumelage, besuchte die deutsche Partnergemeinde erstmals vor 25 Jahren und sprang vor einem Jahr in die Bresche, als ausgerechnet vor dem Jubeljahr und den damit verbundenen Vorbereitungen kein anderer die Verantwortung an der Vereinsspitze übernehmen wollte. Zum Ende des Jahres will er den Staffelstab weiterreichen. Vorher freut er sich auf das Bierfest Ende September in seiner Heimat, dem zweiten Teil der gemeinsamen 45-Jahr-Feierlichkeiten.

Anfänge

Erste Kontakte zur Anbahnung dieser späteren Eheschließung knüpfte der damalige Caromber Bürgermeister Dr. Gilbert Pellenc 1972 während eines Deutschlandaufenthalts anlässlich der Begründung der Städtepartnerschaft von Königstein und Le Cannet Rochville. Dabei kam er mit Vertretern Glashüttens bezüglich des Wunschs einer eigenen Partnerschaft ins Gespräch. Die Taunuskommune befand sich nach der erst vonstatten gegangenen Gebietsreform und dem Zuzug neuer Bürgerinnen und Bürger mitten im Umbruch und Aufbau. Nichtsdestotrotz traf das Ersuchen der kleinen südfranzösischen Stadt auf offene deutsche Ohren. Mit einem ersten Jugendaustausch drei Jahre später nahm das Ganze an Fahrt auf. Dieser positiven Entwicklung Rechnung tragend, wurde am 19. März 1976 der Förderkreis der Gemeindepartnerschaft Glashütten aus der Taufe gehoben.

Nachdem auch die jeweiligen Gemeindevertretungen ihren Segen gegeben hatten, erfolgte im nächsten Schritt eineinhalb Jahre später die offizielle Besiegelung durch den Glashüttener Bürgermeister Johann Gottschalk und seinem französischen Amtskollegen. An diese Anfänge erinnernd, richtete Valerie Michelier die Augen auf die tragenden Säulen der nachfolgenden Erfolgsgeschichte: Die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und Friedens durch regelmäßige Treffen und Kennenlernen der jeweiligen Kultur.

Es ist mehr!

Die beiden Rathauschefs erneuerten das gegenseitige Versprechen der Fortführung der Verbindung im Zeichens des Friedens und der Brüderlichkeit. Bei aller unübersehbarer Harmonie schärften alle vier Redner des Samstags die Sinne der anwesenden Festgäste und der Bevölkerung auf die momentanen Probleme durch den Wandel in der Gesellschaft. Das ist neben dem jeweiligen Nachwuchsmangel in den die Partnerschaft fördernden Vereinen, der die Zukunftssicherung und Weiterführung der Tradition gefährdet, der fehlende Unterricht der Sprache des jeweils anderen in den Schulen.„So verschwindet auch die kulturelle Betrachtung aus dem Fokus der Schülerinnen und Schüler und der Blick auf die Vergangenheit beider Länder“, mahnte Bürgermeister Thomas Ciesielski. Für viele sei das Caromber Ortsschild am Bürgerhaus lediglich ein Richtungspfeil mit einer Kilometerangabe.

„Aber es ist mehr! Nur, wenn wir es vorleben, wenn in beiden Ländern die Bereitschaft besteht, aufeinander zuzugehen, miteinander zu reden und Zeit zu verbringen, werden wir auch zukünftig gemeinsam die Zukunft gestalten. Es darf einfach nicht sein, dass Europa wieder in nationalstaatliches Denken zurückfällt. Das dürfen wir nicht zulassen!“, erklärte der Glashüttener Rathauschef mit aller Eindringlichkeit.

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