Hochtaunus (as) – Die Ausländerbehörde des Hochtaunuskreises sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Ein Mitarbeiter der Behörde soll gegen Bezahlung in mehr als 30 Fälle rechtlich zweifelhafte Aufenthaltstitel erteilt haben, darunter einem verurteilten Mörder, der in den 1990er Jahren einen Mann in Dreieich erschossen hatte und der nach seiner „lebenslangen“ Freiheitsstrafe ausreisepflichtig gewesen wäre, und die Mitglieder einer kriminellen Großfamilie aus Usingen, die im September nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs in Kassel von der Bundespolizei zum Teil abgeschoben wurden. Drei Männer dieser Familie seien aber untergetaucht, wurden möglicherweise vorgewarnt. Die Bild-Zeitung hatte zuerst über die vermeintlichen Unregelmäßigkeiten berichtet. Die Vorwürfe sollen im Landratsamt schon länger bekannt, der betreffende Mitarbeiter der Behörde bereits seit Sommer vom Dienst suspendiert sein.
Der Kreis sah sich in der Berichterstattung Kritik ausgesetzt, weil lange Zeit keine Strafanzeige gestellt worden war und die Vorwürfe nur intern geprüft wurden. Um die Vorfälle aufzuklären, hatte der Kreisausschuss eine unabhängige, auf Compliance-Fragen spezialisierte Kanzlei beauftragt, nicht aber, wie bei Korruptionsvorwürfen üblich, die Staatsanwaltschaft involviert. Landrat Ulrich Krebs (CDU) hatte dieses Vorgehen gegenüber mehreren Medien verteidigt. Man müsse sich erst einen genauen Überblick über die Vorgänge verschaffen, die zum Teil bis in die 2010er Jahre zurückreichen. Dieses Vorgehen hatte Kritik auf sich gezogen, insbesondere die Grünen im Hochtaunuskreis fordern eine „umfassende und transparente Aufklärung“. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Kreistagsfraktion, Horst Burghardt, sagte: „Warum hier die Hilfe einer Rechtsanwaltskanzlei für Compliance notwendig sein soll, um die Staatsanwaltschaft einzuschalten, irritiert uns.“
Die bis Ende vergangenen Jahres für die Kreisausländerbehörde zuständige heutige Landtagsabgeordnete Katrin Hechler (SPD) hatte derweil erklärt, keine Kenntnis von Fällen gehabt zu haben, in denen es zu rechtlich zweifelhaften Entscheidungen bei der Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen gekommen sei. Dazu die Grünen-Fraktionsvorsitzende Patricia Peveling aus Königstein: „Entweder hat sie sich um ihre Aufgabe als Vorgesetzte nicht gekümmert oder sie hat die Ausländerbehörde nicht im Griff gehabt.“ In dieser war es in den letzten Jahren mehrfach zu organisatorischen Missständen gekommen, die regelmäßig die Gremien des Kreistags beschäftigt haben. Es war von Personalmangel und Softwareproblemen die Rede.
Verdachtsmomente auf 48 Seiten
In der vergangenen Woche hat der Kreis auf den steigenden Druck aus einigen Kreistagsfraktionen seit Bekanntwerden der Vorwürfe reagiert und nun den bei verwaltungsrechtlich und strafrechtlich relevanten Vorgängen vorgezeichneten Weg beschritten. „Der Hochtaunuskreis hat eine Strafanzeige erstattet und um kritische Prüfung des Sachverhalts im Hinblick auf einen Anfangsverdacht der Untreue und unter allen weiteren rechtlichen Gesichtspunkten gebeten“, teilte Kreissprecher Alexander Wächtershäuser mit. Der „verfahrensgegenständliche und der Staatsanwaltschaft vorgelegte Sachverhalt“ sei in den vergangenen Wochen mit Unterstützung der unabhängigen Kanzlei „sehr gründlich und sehr gewissenhaft“ erarbeitet, die Verdachtsmomente seien detailliert auf 48 Seiten dargestellt worden. „Selbstverständlich wird der Hochtaunuskreis mit der Staatsanwaltschaft und anderen ermittelnden Behörden eng und vollumfänglich zusammenarbeiten und diese bestmöglich unterstützen.“
Weiter erklärte der Sprecher des Hochtaunuskreises: „Bereits kurz nach Feststellung erster Anhaltspunkte für mögliche Unregelmäßigkeiten wurde der Mitarbeiter freigestellt und ein entsprechendes Disziplinarverfahren eröffnet. Derartige Freistellungen erfolgen vorsorglich zum Schutz der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung und zur Sicherung möglicher Beweismittel – aber auch zum Schutz des Mitarbeiters, für den die Unschuldsvermutung gilt. Derzeit liegen keine Hinweise vor, dass der Mitarbeiter Geld oder andere Vergünstigungen angenommen hat.
Wir weisen auch grundsätzlich darauf hin, dass nach derzeitigem Kenntnisstand keine sicheren Tatnachweise vorliegen – aus Sicht des Hochtaunuskreises liegt lediglich ein Anfangsverdacht vor, der der Staatsanwaltschaft als zuständiger Fachbehörde übergeben wurde.“
Mit Blick auf das laufende Verfahren werde der Kreis keine weitergehenden Informationen mitteilen.