Zwei Möbel des Jahres 2016 aus einer Kelkheimer Werkstatt

Da investiert man nun 400 Arbeitsstunden in ein Möbelstück, um Meister zu werden und wird abgelehnt, weil man ein paar Minuten zu spät das zu prüfende Stück der Kommission vorstellte. Etwas Lack sollte noch schnell nachgebessert werden, oder Ähnliches. Dies Missgeschick ereilte Sigrun Horn vom Holunderhof, die damals ihre „Ankleidekommode mit Spiegelaufsatz“ vorstellte. Sie musste das gute Stück wieder mit nach Hause nehmen – und benutzt es heute noch als Wäscheschrank. Durchgefallen? Das gefiel ihr gar nicht und die Gesellin im Schreinerhandwerk nahm einen zweiten Anlauf, hielt alle Termine ein und wurde die erste Schreiner-Meisterin im Main Taunus-Kreis mit einem „Schmuck- und Skulpturenkasten“. Auch der ziert heute – wenn er nicht als Möbel des Jahres 2016 im Kelkheimer Museum ausgestellt ist, ihre Wohnung. Angekündigt waren „zwei besonders kreative Möbel“ und Sigrun Horn erhielt Gelegenheit ausführlich zu berichten, unterstützt vom Obermeisterin Schreiner-Innung, Martin Schuchardt.

Natürlich, beide Stücke sind nicht verkäuflich, aber wenn man zugrunde legt, dass beim ersten „Meisterwerk“ die Gesellenstunde noch 44 D-Mark kostete, kann man sich ausrechnen, was die Ankleidekommode heute kosten würde.

Beredt berichtete die Schreinermeisterin, wie ihre Meisterarbeiten entstanden, was sie im abendlichen Unterricht in der Schule lernte. Buchhaltung oder auch, wie man als Meister Auszubildende in einem Betrieb integriert, wie viel Monate für eine solche Prüfung draufgehen. Freie Tage werden dafür verwendet, Urlaub, das Abfeiern von Überstunden. Nicht nur darüber richtete Sigrun Horn. Holzteile an einem Meisterstück dürfen nicht um drei Millimeter verrutschen. Schubladen müssen sanft gleiten, man muss sogar in Holz investieren, das liegenbleibt, weil man nur ein paar Zentimeter für Intarsien verarbeitet. Teures Furnier beispielsweise, in dem die Muster über verschiedene Flächen ineinander aufgehen.

Aber bitte keine Spanplatten verwenden, sondern nur massives Holz dann ein Problem: Hergestellt wurde ein Stück in einer trockenen Werkstatt. Macht sich bemerkbar, wenn das in feuchter Luft auf einen Lastwagen verladen wird? Man stellt in den sechs Wochen der Meisterarbeit auch Probestücke her, um zu sehen, ob sie passen, ob das Material stimmt. Da kann man schon mal seine Fröhlichkeit bei so viel mentalem Druck einbüßen.

Die Beschreibung der beiden Möbelstücke ist eine Anhäufung von Fachausdrücken. Am besten man geht mal ins Museum, und schaut sich die Arbeiten an. Auf dem oberen Bild erklärt Sigrun Horn die Ankleidekommode, links unten die herausgeklappte Tür des Schmuck- und Skulpturenkastens mit dem Schachbrettmuster in einer großen Halle. Dass die Tür etwas nach links hängt, hat mit der Verzerrung durch das Kamera-Objektiv zu tun.

Museumsvorstand Rüdiger Kraatz wies auf eine Reihe von Veranstaltungen hin, die in nächster Zeit folgen werden.

An diesem Tag verabschiedete sich auch Inge Voigt als Pressesprecherin des Museums. Viel Beifall von den Journalisten für ihre Arbeit.

Die Öffentlichkeitsarbeit übernimmt Thomas Berger. Übrigens berichtete sie auch amüsiert, dass die Möbelstücke des Jahres im heutigen Museum, in damaligen Räumen des Holunderhofes, entstanden.

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