„Wir brauchen eine systemische Veränderung in der Katholischen Kirche“

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Dazu kommen weitere Punkte:

• Aus- und Weiterbildung von Priestern – Empfehlungen: Stärkere Überprüfung der Eignung zum Priesterberuf im Blick auf das Problem des sexuellen Missbrauchs – nicht nur bei der Auswahl der Kandidaten, sondern auch während der Ausbildung und Fortbildung. Orientierung an modernen psychologischen und sexualwissenschaftlichen Erkenntnissen. Einbindung externer Experten. Lebenslange, kontinuierliche Supervision der Priester.

• Katholische Sexualmoral: Homosexualität sei kein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch. Empfehlung: Die Kirche solle „dringend“ ihre Weigerung überdenken, homosexuelle Männer als Priester zu akzeptieren. Eine Atmosphäre der Offenheit und Toleranz sei nötig.

• Präventionskonzepte – Empfehlungen: Ausbau, Verbesserung und Vereinheitlichung. Ausrichtung auf die besonderen Bedingungen in der Kirche. Einbindung externer Experten.

Bleibt zu hoffen, dass auch der Vatikan die Zeichen der Zeit erkannt hat, denn ohne seine Zustimmung haben auch die heeresten Ziele keine Chance. Pfarrer Waldeck: „Es ist eine erhebliche Belastung für die Kirche insgesamt. Da muss umgehend etwas passieren, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren.“

Der Fall Fritz B.

Der heute 45-jährige Kai Moritz hat lange über sein Martyrium geschwiegen – aus Scham und Angst. Sein Leiden begann mit zehn. Nach dem Tod seiner alleinerziehenden Mutter kam er 1986 als Pflegesohn zu seinem Cousin Fritz B., der als Priester in einer Gemeinde am Rand des Bistums Limburg, im Kreis Marburg-Biedenkopf, wirkte. Bis 1993 missbrauchte der Seelsorger den Jungen regelmäßig und schwer. Das Bistum vertuschte die Vorfälle (und gestand dieses Vertuschen 2019 ein), half zwar dem Betroffenen mit einem Therapieplatz und dem Täter mit psychotherapeutischer Behandlung, drang aber das Opfer dazu, auf eine Strafanzeige zu verzichten.

B. war auch Pfarrer in Eppstein. Pfarrer Klaus Waldeck ist ihm nie begegnet, weiß aber, dass es wohl keine Vorkehrungen gab, damit sich der Missbrauch nicht wiederholt. Als der Priester in eine andere Diözese (Eppstein) versetzt wurde, blieben die Missbrauchsvorwürfe unerwähnt. Erst als der Fall publik wurde, wurde man auch in der Gemeinde aktiv. „Der sexuelle Missbrauch in diesem Fall bezog sich wohl nur auf das Kind in seinem familiären Umfeld, in der Gemeinde ist nichts passiert“, weiß Waldeck. Das Bistum bot den Gemeindemitgliedern im Nachhinein Gespräche an, falls Bedarf dafür bestünde. Waldeck: „Zum Glück ist die Gemeinde von diesen Vorfällen nur gestreift worden.“



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