Bürgerbegehren mit 3.526 Stimmen erfolgreich „Jetzt liegt es an der Politik, wie es weitgeht!“

Erster Stadtrat Dirk Hofmann und Bürgermeister Albrecht Kündiger (li.) nehmen aus den Händen von Karin Guder und Michael Lederer die gesammelten Unterschriften entgegen. Währenddessen verliest Hans Georg Sachs (re.) die offizielle Verlautbarung der Bürgerinitiative. Fotos: Judith Ulbricht

Hans Georg Sachs, Karin Guder und Michael Lederer strahlten mit der Sonne um die Wette, als sie vergangenen Freitag dem Bürgermeister Albrecht Kündiger ein Paket mit 3.687 Unterschriften (vor der offiziellen Überprüfung) für ihr Bürgerbegehren „Schlämmer“ überreichten.

Die Arbeit ist getan

„Unser Bürgerbegehren war eine politische Debatte, die ganz Kelkheim bewegt hat“, erklärte Sachs mit seinen Worten an die anwesenden Unterstützer und die beiden ersten Männer im Rathaus, Bürgermeister Kündiger und Erster Stadtrat Dirk Hofmann. „Mein Dank gilt allen, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Jetzt liegt es an der Politik, wie es weitergeht!“ Manchmal habe er sich wie eine Lokomotive gefühlt, die 50-60 Waggons hinter sich hergezogen habe, beschrieb Sachs die 8 Wochen aktiver Unterschriftensammlung. Jetzt sei erst einmal eine Phase der Ruhe angesagt, „die wir uns alle redlich verdient haben.“

Jetzt würden erstmal alle Werbemittel (Plakate, Banner und Infoständen) aus der Öffentlichkeit verschwinden, denn die ordnungsbehördliche Erlaubnis hierfür sei mit Ablauf der 8 Wochenfrist erloschen. Das bedeutet allerdings nicht, „dass wir es unterlassen müssen, das Thema nach wie vor im Verwandten- Bekannten- und Freundeskreis zu erörtern, zu erläutern und zu diskutieren“, fügte Sachs an.

Vertrauensperson Michael Lederer ließ es sich nicht nehmen, dem Bürgermeister mit dem Unterschriftenpaket eine Flasche „Münsterer Muntermachen“ zu übergeben, „den besten Äppler, den es gibt“, wie er augenzwinkernd anmerkte. Von der jüngsten aktiven Unterstützerin der Bürgerinitiative, Liv, erhielt der Bürgermeister einen Topf mit blühenden Apfelzweigen, frisch von den Bäumen „die bei der Erweiterung gefällt werden würden“, fügte sie an.

Der Rathauschef quittierte vor den Augen der Unterstützer die Entgegennahme der Unterschriften und versprach eine zeitnahe Überprüfung. Er hob noch einmal die Bedeutung der demokratischen Mittel hervor, die der Gesetzgeber dem Bürger an die Hand gegeben hat, um Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen zu können.

Wie geht es weiter?

Im Rathaus werde jetzt die Gültigkeit der Unterschriften überprüft, erklärte Kündiger an. Dafür würden sämtliche Ressourcen aktiviert, um so schnell wie möglich ein Ergebnis präsentieren zu können. Das Einwohnermeldeamt werde die Überprüfung durchführen. Für das Bürgerbegehren benötigt würden 10 Prozent der Wahlberechtigten der letzten Gemeindewahl. Dabei ist es egal, ob die Unterzeichner inzwischen verstorben oder weggezogen sind, wichtig sei nur, dass sie zum Zeitpunkt der Unterschrift wahlberechtigt waren. Des weiteren werde überprüft, ob die Formulierung des Bürgerbegehrens rechtens war. Eine formelle und inhaltliche Entscheidung erfolgt dann durch das Stadtparlament, welches am vergangenen Montag vom Bürgermeister schon mal die offiziell ermittelte Unterschriftenanzahl erhielt: 3.526 Stimmen. Quorum mit 15,8 Prozent der Wahlberechtigten erreicht.

Die Koalition, auf deren Antrag und Aufstellungsbeschluss das Bürgerbegehren abzielte, nimmt ein paar Tage nach Bekanntgabe der offiziellen Zahlen Stellung.

FDP

Michael Trawitzki, Fraktionschef der FDP, zeigt sich wenig überrascht über die Zahl der Unterschriften. Die Sammlung von Unterschriften sei eine Fleißaufgabe, die von den Initiatoren der Bürgerinitiative mit Bravour erfüllt wurde. Man müsse sich allerdings fragen, ob bei dem Sammeln von Unterschriften die Unterzeichner objektiv oder eher sehr oberflächlich und einseitig über die Hintergründe und Fakten einer Schlämmerbebauung informiert wurden.

„Aus Sicht der FDP gibt es noch keinen Grund, den bestehenden Beschluss zurückzunehmen. Die vorgesehene Bebauung mit zahlreichen Wohnungen, einem Kindergarten und einem Mehrgenerationenhaus halten wir für eine Lösung, die sicher von der Mehrzahl der Kelkheimerinnen und Kelkheimern mitgetragen wird“, erklärt Trawitzki. Wenn es zu einem Bürgerentscheid kommen sollte, wird es vorab sicher umfangreiche, sachliche Informationen über die Vorschläge einer Bebauung geben, die in dem von den Koalitionsfraktionen auf den Weg gebrachten Beschluss enthalten sind, so der FDPler weiter. „Wir sind sicher, dass dann so manches Argument der Gegner einer Bebauung widerlegt werden kann.“ Letztendlich werde man nun in Ruhe mit den Kolitionspartnern den Sachverhalt analysieren und die weitere Vorgehensweise absprechen.

CDU

Auch die CDU-Fraktion äußert sich zur Bekanntgabe der Zahlen. Der Fraktionsvorsitzende Carsten Schrage zollt der BI vollsten Respekt für das Geleistete. Desweiteren müsse man jetzt juristisch ganz genau klären, was ein finaler Erfolg (Gewinn des Bürgerentscheid) der BI bedeuten würde.

„Die Koalition wird das Ergebnis intern sicher erstmal hinterfragen und betrachten müssen, auch wenn es da verschiedene Sichten der Dinge im Detail geben mag. Die CDU wird sich auf jeden Fall damit kritisch auch intern beschäftigen“, bestätigt er.

Ein Bürgerentscheid sei nie der Wunsch gewesen. Als gewählte Repräsentanten ist ihnen natürlich klar, dass dies ein wichtiges und gutes Verfahren innerhalb unserer Demokratie ist. Dennoch sei die CDU der Meinung, dass sie sich mit der Sache sehr vielschichtig und differenziert beschäftig und einen eigentlich guten Kompromiss gefunden habe. Ein Kompromiss sei aber nie eine perfekte Lösung. „Natürlich erfüllt uns die Sorge, dass ein Bürgerentscheid auch im Sinne der BI ausgeht, weil wir mit unseren Argumenten evtl. nicht durchdringen könnten. Dies würde das Projekt mit verschiedenen Arten von bezahlbarem Wohnraum in Form von Wohnungen, aber auch anderem Wohnraum wie Häusern, erstmal wohl für die nächsten Jahre komplett stoppen.“

SPD

Für Michael Hellenschmidt, Fraktionsvorsitzender der SPD, war es ebenfalls nicht weiter überraschend, dass genug Unterschriften zusammengekommen sind. Bei der Art und Weise der aktiven Unterschriftensammelei war das nicht verwunderlich. Fraglich sei, ob wirklich jeder wusste für – oder besser – gegen was er/sie da unterschrieben hat. Die Zielrichtung der BI sei ebenso nicht ganz klar. Gehe es um das ganze Baugebiet oder Teile davon? Auch warum es verhindert werden solle, sei nicht klar. „Naturschutz oder die vermeintlich vorgetragene Sorge, (noch nicht gebaute) Keller würden mit Wasser volllaufen?“, fragt Hellenschmidt

Klar sei aber, dass die Stadt nicht im Besitz von Flächen ist, um bezahlbaren Wohnraum (man spreche hier von ungefähr 8.50 Euro/qm Mietpreis, so die Kriterien um einen Wohnbau gefördert nennen zu dürfen) anbieten zu können. Die einzige Möglichkeit bestehe über hinreichend große Umlegungsverfahren. „Klar ist auch: Das bisherige Verfahren am „Vor dem Schlämmer“ war nach Jahren gescheitert, ebenso konnte die Stadt nicht klar machen, welchen Anteil sie daran überhaupt halten wird und wie viele Wohneinheiten überhaupt der Stadt zufallen würden“, kritisiert der SPD-Mann.

Die Koalition hatte klargemacht, dass mit dem beantragten Aufstellungsbeschluss 60 Wohnungen verteilt auf fünf Wohnhäuser (als Beispiel mögen die Häuser am Gagernring 31+35 dienen), einen Kindergarten in Naturnähe und ein Mehrgenerationenhaus möglich werden. Zusätzlich zu privatwirtschaftlichen Wohnungen und Häusern. „Das ist eine viel klarere Aussage, als der von der Verwaltung vorgelegte – und gescheiterte – Plan.

Die BI müsse sich tatsächlich fragen lassen, warum sie diese Vorteile für die Stadt Kelkheim verhindern möchte. Leider seien keine Vorschläge für andere Konzepte für bezahlbares Wohnen vorgetragen worden. Ein Tipp hat Hellenschmidt noch: „Nachverdichtung ist es nicht, da die Stadt hier keine Flächen besitzt. Nachverdichtung geschieht in Kelkheim ausschließlich privatwirtschaftlich, zu den bekannten hohen Preisen, die dann nicht in den geförderten bezahlbaren Sektor fallen.

Die Koalitionsfraktionen würden sich jetzt beraten, wie mit dem Ergebnis umzugehen sei. „Schnellschüsse sind keine zu erwarten.“

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