Dekanat Kronberg: Erfahrungen mit dem „Pilotprojekt 55+

Seit drei Jahren gibt es das „Pilotprojekt 55+“ im Evangelischen Dekanat Kronberg mit Astrid Bardenheier und Irmi Rieker, die sich eine von insgesamt fünf gemeindepädagogischen Projektstellen innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) teilen. Nun berichten sie über ihre Erfahrungen in den letzten Jahren – auch unter dem Einfluss der Corona-Pandemie.

Unter dem Motto „Boomerangs55 – Wir kommen zurück!“ initiieren und erproben die beiden Gemeindepädagoginnen, die selbst zur „Babyboomer-Generation“ gehören, in der evangelischen Limesgemeinde Schwalbach und der evangelischen Kirchengemeinde Langenhain, wo sie ihren jeweiligen Dienstsitz haben, Angebote für die Generation 55+.

„Wir sind stolz auf das, was wir gleich im ersten Jahr schon angekurbelt haben. Wir hatten ähnliche Gedanken, welche Themen wir bespielen wollten und das, was wir uns überlegt haben, wurde sehr gut angenommen“, resümiert Astrid Bardenheier. „Zunächst aber haben wir genau hingehört, was diese Altersgruppe für Wünsche hat, haben uns auf deren Rahmenbedingungen eingestellt und das gemacht, was gebraucht wurde. Gleichzeitig hatten wir die Freiheit, Ideen zu entwickeln und auszuprobieren“, ergänzt Irmi Rieker.

„Coronabedingt bin ich jetzt quasi Digitalisierungs-Fachfrau geworden“, erzählt Bardenheier, „und es ist erstaunlich, was auf diese Weise an Beziehungsarbeit möglich war. Es war die typische kirchliche Sozialarbeit. Ich habe zum Beispiel Zoom-Werkstätten und Online-Meditation angeboten. Durch die Niedrigschwelligkeit haben wir Beziehungen geknüpft, die zu tiefgründigen Gesprächen geführt haben“, erklärt sie, „die Hürde teilzunehmen, ist mit nicht-kirchlichen Themen oftmals geringer. Und durch die Digitalisierung ist die regionale Begrenzung weggefallen. Es kamen Leute aus anderen Orten dazu.“

Ich bin mit meiner Stelle im eher ländlichen Langenhain beheimatet, erzählt Rieker, „aber im typischen Speckgürtel mit gehobenem Bildungsbürgertum. Ich habe gemerkt, dass dort eine durchaus relevante Kulturanforderung besteht. Auf Wunsch habe ich Pilgern, Kirchenbesichtigungen und Konzerte angeboten, das wurde alles sehr gut angenommen. Den Advent über waren Laternen im ganzen Ort verteilt, die mit einem Eintrag ins dazugehörige Logbuch versehen und weitergetragen werden sollten. Eine ganz einfache Möglichkeit, in Beziehung zu treten“.

Astrid Bardenheier ergänzt: „Bei uns beiden spielt das Prinzip des »Einfacher Werdens« eine große Rolle. Wie etwa beim bunten Limestisch, wo jeder dazu kommen und etwas zu Essen mitbringen kann. Mein Eindruck ist, dass es die einfachen Zugänge braucht, wenn Kirche überleben will. Sonst haben wir immer nur die Kernfamilien der Kirchenmitglieder erreicht und in sich geschlossene Kreise. Aber mit dieser Öffnung erreichen wir auch andere. Als ich aufgrund von Corona die Meditation auf Zoom verlegt habe, haben mehr Leute teilgenommen und die Altersstruktur hat sich stärker gemischt. Online-Angebote sind oft einfacher, bequemer“. Sie habe hingegen nichts ins Digitale übertragen, sondern neue Formate entwickelt, erklärt Rieker. „Das funktioniert in Lan-genhain aber besser, weil hier mehr Ehrenamtliche sind, die sich engagieren möchten. »Mitmach«-Aktionen in der offenen Kirche, die den Menschen einen Grund gaben, aus dem Haus zu gehen. Diesen Anreiz gab es hier vorher nicht. Auf diese Weise haben Astrid und ich sowohl online als auch offline die Leute erreicht“.

Bei ihnen beiden sei das Klientel sehr unterschiedlich, ergänzt Bardenheier. „Ich habe in Schwalbach sehr gemischte Gruppen – sowohl vom Alter als auch vom Einkommenher. Da ist schon das fehlende Smartphone manchmal eine Hürde. Im Sinne einer »Caring Community« ist es, denke ich, unsere Aufgabe, auch hier eine Teilhabe zu ermög lichen. Was mich in Schwalbach fasziniert, ist die Akzeptanz aller Unterschiedlichkeit, die bei allen Treffen und Ausflügen spürbar wird“, erzählt sie. „Bei mir in den Gruppen sind viele Singles, bei Irmi viele Paare. Einige haben sich vorher gar nicht gekannt, jetzt haben sich Freundschaften entwickelt und sie unterstützen sich gegenseitig. Das ist ganz toll“, freut sie sich. Irmi Rieker ergänzt: „In Langenhain hat sich auch eine eigene Männergruppe gegründet“.

Geplant sei von ihnen beiden, die Bewahrung der Schöpfung im nächsten Jahr als Thema in die Gruppen zu tragen. „Dabei wollen wir darauf schauen, wo und wie bei uns nachhaltiges Leben möglich ist. Und wie jeder Einzelne im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen kann“, so Rieker. Für Schwalbach plane Bardenheier im Herbst zudem ein breit angelegtes, digitales Unterstützungsangebot.

Generell, so ein Resümee der beiden, müsse man feststellen, dass ihre Erkenntnisse aus den drei Jahren des Projektes nicht auf alle Gemeinden übertragbar seien. Denn die Angebote würden an verschiedenen Orten unterschiedlich gut funktionieren.

Das von der EKHN finanzierte Pilotprojekt ist auf fünf Jahre ausgelegt. Astrid Bardenheier hat einen 80-Prozent-Stellenanteil für das Pilotprojekt übernommen. Irmi Rieker ist Koordinations-Leiterin des Evangelischen Kinder- und Familienhauses Langenhain und widmet sich mit einem 30-Prozent-Anteil diesem Projekt.

Astrid Bardenheier.

Fotos: Dekanat Kronberg

Irmi Rieker.

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