Muss das Geburtsdatum der „Kelkheimer Zeitung“, deren erste Ausgabe am 22. August 1974 die Kelkheimer in sattem Gelb überraschte, umgeschrieben werden? Eine Antwort darauf könnte ein Satz im Geleitwort der ersten Ausgabe von Bürgermeister Dr. Winfried Stephan zu finden sein, der schrieb, dass es vorher schon einmal eine von einem Königsteiner Verlag herausgegebene Zeitung über mehrere Jahre gegeben habe. Er sagte aber nicht, was aus dieser Zeitung wurde, sondern wünschte der von der Verlagsgruppe Kelkheimer Zeitung mit dem Herausgeber Horst Schöllhorn und der Druckerei Blei & Guba auf den Markt gebrachten neuen Zeitung viel Erfolg. „Die Herausgeber der neuen Kelkheimer Zeitung haben sich die Aufgabe gestellt, eine Lokalpresse für Kelkheim zu schaffen. Es soll über Ereignisse in unserer Stadt informiert werden, Vereine und sonstige Vereinigungen haben die Möglichkeit, aus dem Vereinsgeschehen zu berichten. In der Zeitung sollen aber auch Meinungen von aktuellen Fragen, von Einzelnen oder Gruppen ihren Platz finden. Die Herausgeber der Kelkheimer Zeitung können damit vielleicht eine echte Lücke bei der Darstellung von Meinungen in unserer Stadt schließen. Der Magistrat wünscht der neuen Zeitung viel Erfolg“.
Aber wie so oft im Leben – auch hierzu gab es einen Kommentar von Adolf Guba, der später einmal sagte: „Eigentlich verdankt die Kelkheimer Zeitung ihr Bestehen der Tatsache, dass Dr. Stephan keine redaktionellen Texte, vor allem keine kritischen Texte, im Amtsblatt der Stadt sehen wollte“.
Dafür verfasste der Amtschef aber einen langen Artikel zur Kelkheimer Festwoche anlässlich der 1.100-Jahrfeier der Stadt und erwähnte, dass Kelkheim das erste Mal 874 in einer Hornauer Urkunde auftauchte. Heimatforscher Dietrich Kleipa lieferte schon damals die geschichtlichen Unterlagen für die lange Reihe von Festlichkeiten, die nicht nur durch den historischen Festzug mit über 50 Nummern gekrönt, nicht nur durch die festliche Stadtverordnetensitzung markiert wurde, sondern auch durch den Besuch einer Gruppe von 120 Besuchern aus Kelkheims Partnerstadt Saint-Fons in Frankreich. Übrigens sprachen er und der Bürgermeister der Stadt südlich von Lyon das erste Mal schon 1968 miteinander, also lange bevor es die KeZ gab. Sie trafen sich, wenn die etwas lückenhafte Erinnerung nicht trügt, zufällig bei einem kommunalen Treffen in London. Sicherlich bei einem Gläschen Rotwein, den beide schätzten – Kelkheims Bürgermeister und der Besitzer einer großen Apotheke in Saint-Fons gleich neben dem Rathaus.
Und es gab zum Jubiläum einen Abend in der Stadthalle, zu dem das damalige Top-Orchester Max Greger mit viel Swing aus München zum Tanz aufspielte. Na klar, und ein großes Feuerwerk gab es auch noch. Zum Jubiläum wurde darüber hinaus Heinrich feierlich enthüllt, die Brunnenfigur des Heinrich von Ofterdingen vor dem Rathaus, die ganz schön teuer war. Der „Gitarrist“ des späten Mittelalters kostete runde 50.000 D-Mark.
Als „Aufmacher-Foto“ diente der Zeitung Nr. 1 ein Kupferstich Kelkheims mit dem Kloster unter attraktiven Wolken auf dem Klosterberg. Später wurde einmal berichtet, Peter Hillebrecht (ph) sei der Erfinder des großformatigen Aufmacher-Fotos in der Kelkheimer Zeitung gewesen. Es war also eher Adolf Guba, obwohl „ph“ dieses große Bild auf Seite 1 pflegte und später zu einem regelrechten Kult ausbaute.
Übrigens übernahm „ph“ die redaktionelle Betreuung der Zeitung nur ein paar Monate nach ihrem ersten Erscheinen, weil der damalige Redakteur einen bezahlten Job an anderer Stelle fand. „ph“ kam in den Verlag, weil er für die Associated Press in Frankfurt, wo er hauptberuflich Bildredakteur war, Formulare benötigte, die Adolf Guba druckte. „Sie haben doch mal Lokalredakteur gelernt?“ „Stimmt, in Kassel als Volontär bei der Kasseler Zeitung.“
Und wenn wir schon dabei sind: Bis in die Coronazeit blieb er der KeZ, dem „Gelben Blättsche“ treu, obwohl er dienstlich oft in Deutschland und im Ausland über Tage und Wochen unterwegs war, die Texte für die Zeitung abends im Hotelzimmer verfasste. Und lieber auf das eine oder andere Gläschen im Kollegenkreis verzichtete. Das schluckte er dann öfter – wenn wir nun zum Fest zurückkehren – mit Amtsrat Toni Schmitt. Neben seinem Schreibtisch (mit Blick auf den Park). Denn der Toni muss im Zusammenhang mit dem Fest unbedingt erwähnt werden. Schließlich war ihm auf Seite 2 eigens ein Artikel unter der Überschrift „Vater des Festes“ gewidmet. Der Leiter des Hauptamtes hatte sich in der Vorbereitungszeit neben seinen üblichen Aufgaben noch mit 100.000 Kleinigkeiten zu beschäftigen, wie zum Beispiel mit dem Problem, dass beim Festzug nach einer Pferdenummer nicht eine Musiknummer folgen dürfe. Die Begründung wurde nicht genannt. Zu laute Musik, oder falsche? Man wird darüber nicht mehr forschen können.
Vor fünfzig Jahren hat Dietrich Kleipa begonnen, das Stadtarchiv einzurichten, das inzwischen von Julian Wirth betreut wird. Die Seite 2 der Kelkheimer Zeitung war den Grußworten Kelkheimer Parteien gewidmet. Für die Sozialdemokraten schrieb der Vorsitzender Richard Gladis den Text. Für die FDP griffen Vorsitzender Wolfgang Knoll und Fraktionsvorsitzender Walter Dichmann zur Feder. Alfred Hofmann schrieb für die Freie Wählergemeinschaft (FWG). Das Grußwort der CDU wurde von Dr. Horst Heidrich, dem Stadtverbandsvorsitzenden, und Erhard Roser, der über Jahre die Fraktion der Christdemokraten im Rathaus leitete, unterschrieben.
Und anlässlich des Festes hatte sich der Verlag etwas Besonderes einfallen lassen: ein Bilderbuch der Kelkheimer Zeitung. Sich selbst, Verwandte und Freunde, so wurde angekündigt, könne man zehn Tage später im Bilderbuch „Kelkheim feiert Geburtstag“ wiederfinden. Bei bevorzugter Lieferung musste man nur schlappe 12,80 DM (D-Mark) löhnen.
Was noch so auffällt beim Durchblättern der ersten Ausgabe: Sie war, wie oben gesagt, gelb. Die Farbe Gelb sorgte so für den volkstümlichen Titel „Gelbe Zeitung“. Ein frühes Musterbeispiel moderner Werbung. Das blieb so über Jahrzehnte, bis die Farbe zu teuer wurde und nur noch der Kopf der ersten Seite gelb blieb.
Auch damals schon gab es das Wort ‚Umweltschutz‘ – hier im Zusammenhang mit einer Ankündigung für eine Veranstaltung der ökumenischen Arbeitsgruppe für Umweltfragen in Kriftel. Die Themen: Sie gleichen zum Teil noch immer den heutigen Bemühungen für die allgemeine Weltverbesserung wie beispielsweise Fehlplanungen im Wohnungsbau, Fluglärm und die Trassierung der Schnellbahnstrecke Köln – Groß Gerau (heute eher das Thema neue Straßen). Unterschrieben hatte die BIK – Bürgerinitiative Kelkheim. Sie stellte sich auf Seite 4 mit ihrem Schmetterling vor.
Fast eine Viertelseite nahm die Ankündigung für ein Gastspiel des Hamburger Ohnsorg-Theaters in der Stadthalle ein. Mit dem „Weiberhof“ wurde den Gästen ein „Theaterspaß von besonderer Qualität“ bereitet. Mit dabei natürlich Hauptdarstellerin Heidi Kabel. Das zum Thema Kultur auf den sechs Seiten.
Es wurde über Betriebsjubiläen berichtet, (25 Jahre Getränkegroßhandlung Leo Claas), kurz über Geburtstage, und in den Anzeigen tauchten die Klarmann-Immobilien auf. Da wurden Bauplätze angeboten – zu Preisen, von denen man heute nur träumen würde. Ein Angebot für eine Doppelhaushälfte mit 850 Quadratmetern war für 125.000 Mark zu haben. Ein Einfamilienhaus in Kelkheim, drei Zimmer, Garten, Terrasse etwa 240 Quadratmeter, sollte 140.000 DM kosten. Für ein Fünfzimmer-Haus sollte man 240.000 DM hinblättern. Und 700 Quadratmeter Grundstück in Südhanglage wurden mit 55.000 DM offeriert. Nicht bekannt ist, ob hier später tatsächlich gebaut wurde oder ob diese Investition für Bauerwartungsland, wie auch beispielsweise am Klosterberg, nicht unbedingt die beste Idee war.
Da taucht automatisch das Kloster im Blickfeld auf. Als ein Südniedersachse, der so um 1960 nach Kelkheim kam, ausgerüstet mit der guten humanistischen Schulbildung der Universitätsstadt Göttingen, erstarb er fast in Ehrfurcht vor diesem Ort am Liederbach. Ein Kloster aus der Zeit des Mittelalters! Was muss diese Stadt für eine großartige Geschichte haben. Fast fiel dem Geschichtskenner die Kinnlade runter, als er hörte: Das Kloster ist mal knapp fünfzig Jahre alt. Trotzdem – für den eingeplackten Göttinger und für viele andere, die von Auslandsreisen zurückkehren, war und ist der Blick aus dem Flugzeugfenster beim Landeanflug das Signal: Wir sind wieder zu Hause. Für viele hat sich auch Dank des Klosters ohne den Blick auf die Religionszugehörigkeit ein echtes Heimatgefühl entwickelt, auch wenn der Hohenastheimer für den einen oder anderen heute immer noch nicht das erfrischende Sommer-Getränk der Ur-Kelkheimer ist.
Die Klosterbekanntschaft fiel just mit der Zeit zusammen, da man als Fremder von Liederbach und Münster kommend in die Stadt einfuhr oder immerhin in den Ort, den man damals schon als Stadt bezeichnete. Denn an der Frankfurter Straße reihte sich ein Möbelhaus oder Möbelgeschäft an das andere. Ob es in diesem Ort auch etwas zu essen gibt, fragte sich eine besorgte Hausfrau und Mutter bei dem einen oder anderen beim Blick nach links oder rechts.
Natürlich gab es auch in Kelkheim Essbares. Bei Schade und Füllgrabe beispielsweise in der Bahnstraße konnte man etwas zu essen kaufen. Auch in der Bäckerei Bender in der Bahnstraße wie bei ihren Kollegen in den anderen Stadtteilen oder den renommierten Metzgereien. Schade & Füllgrabe: Ein kleiner Lebensmittel-Laden, der sich mit den Jahren zu einem großen Geschäft an der Ecke Parkstraße und Frankfurter Straße mauserte. Was heute auch nur Geschichte ist, wie so vieles in diesen fünfzig Jahren Kelkheimer Zeitung. Aus Schade & Füllgrabe wurde REWE, und heute kann man dort Matratzen kaufen.
Es gab „Am Rosengarten“ Teppichböden, Autopolster und Polstermöbel. Vario, das Haus Dichmann, war eine über die Grenzen Kelkheims hinaus bekannte Firma, berühmt nicht nur für die Büromöbel, sondern auch für die herausragenden Furniere. Später wanderte Vario nach Liederbach ab.
In den Kleinanzeigen wurde ein VW Käfer für 1.500 DM angeboten, und die schönsten Urlaubsaufnahmen sollte man zu Foto-Wolf an der Ecke Bahnstraße und Frankfurter Straße bringen, wo Carla Wolf später zur Institution wurde. Heute gibt es dort zu essen und zu trinken. Und „Ihr Fachgeschäft für Textilien, Katzenbach in Münster“ war 125 Jahre alt. Wie lange es dann überdauert hat, daran werden sich noch Münsterer erinnern. Genau so Vergangenheit ist Radio Born an der Ecke Frankfurter Straße und Mittelweg, heute ein kombiniertes Wohn- und Geschäftshaus. Oder Elektro Born am Mittelweg. Heute verwöhnt Tuttolomondo dort die Gäste mit italienischen Speisen und Getränken. Gern nähten die Hausfrauen auf Singer-Nähmaschinen, die es in einer Filiale im Main-Taunus-Zentrum gab. Die Sealol GmbH im Gagernring suchte einen Fachmann für Qualitätskontrolle und Dreher oder Mechaniker. In der GS-Sauna sollte man etwas für die Gesundheit tun; dort bekomme man auch die besten Versicherungen und Rat, wie man sein Geld in Immobilien anlegen sollte. Man brauchte nur die 2042 wählen. Die Druckerei Blei & Guba bot die Patent-Mappe für Verträge und Angebote an, alles aus Pappe. Die Familie Marian in der Adlerstraße (wo war die nur?) zeigte die Geburt ihrer Tochter Angelika an. Heute mal eben googeln und man stellt fest: Die Adlerstraße gehört zu Bad Soden. Diese Information gab es aber damals noch nicht. Man hätte eher raten müssen.
Die Volksbank kennt man auch heute noch, das große Gebäude an der Frankfurter Straße. Nur hieß sie damals Volksbank Münster e. G. Und hatte auch in Münster ihre Wurzeln. Mit ihr sollte man die Zukunft der Kinder im Auge haben, kam die Aufforderung von den Finanzleuten.
Da wir gerade den Namen Münster in den Computer tippen: In der Rubrik ‚Vereine‘ nimmt die TSG Münster einigen Platz ein mit dem Hinweis, dass es seit 50 Jahren Hallenhandballsport in Münster gibt. Heute gibt es da noch mehr. Spiele um die Gruppen- oder Landesliga und den über die Grenzen Kelkheims hinaus bekannten Beachhandball mit den Beach & Da Gang.
Damals verabschiedete der Bundestag ein neues Abwasser-Gesetz. Dazu nahm der Chemiker Dr. Klaus Fischer, heute noch als Stadtverordneten-Vorsteher in bester Erinnerung, in so etwas wie in einem Interview Stellung. Er sprach von Schadstoffen, von Abgaben, erläuterte des CBS-Wert zur Errechnung einer Einheit. Je höher dieser Wert, je höher die Abgaben. Ob das allerdings auch Nicht-Chemiker verstanden haben? Immerhin, es war ein redaktioneller Beitrag.
Unter der Überschrift „Kaufen in Kelkheim“ – „Wir sollten mehr für den Einzelhandel tun“ Interessengemeinschaft Kelkheimer Einzelhandel, inserierten zwei Firmen, die es auch heute noch gibt, die von den Söhnen der Gründer mit viel Erfolg betrieben werden. Eine davon ist die Firma Ufer „Brillen – Kontaktlinsen – Hörgeräte“, die aus der Frankfurter Straße in die Stadtmitte Süd umzog. Und wir verraten kein Geheimnis, dass dieselbe Telefonnummer, die man vor fünfzig Jahren wählte, noch heute gültig ist: 06195-5405.
Schnabel „Farben, Lacke, Tapeten“ und vieles mehr – damals wie heute – gab es in der Frankfurter Straße 52 und in der Bahnstraße 13. Heute fällt der Blick auf das einprägsame viergeschossige Firmengebäude im Ortsteil Fischbach, Am Hohenstein 1, am Ortsausgang nach Kelkheim. Das Sortiment ist heute so vielfältig wie das unternehmerische Arbeitsfeld. Hier hat sich allerdings die Telefonnummer geändert: 06195-6868. Vor fünfzig Jahren bekam man Kontakt mit dem Haus Schnabel unter 06195-3639 und -3313.
Es würde sicherlich sehr reizvoll sein, schaute man sich die folgenden Ausgaben an. Für viele wäre das heute in der Zeit der superschnellen aktuellen Berichterstattung der Schnee von gestern. Für die heutigen Mitarbeiter und Gestalter der Kelkheimer Zeitung ist der Blick in die Vergangenheit jedoch der Ansporn, wahrheitsgemäß und fair aus Kelkheim zu berichten. Nach dem Motto: „Die KeZ ist für alle da“.