Kelkheim (ju) – Innerhalb weniger Tage hat die Stadt Kelkheim einen bemerkenswerten Kurswechsel vollzogen: Aus einem geplanten Flüchtlingsheim im Gewerbegebiet Münster soll nun ein Wohnprojekt für junge Menschen entstehen – darunter Studierende, Auszubildende und Schwesternschülerinnen. Möglich wurde das durch eine politische Kraftanstrengung, die mit einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung der Ausschüsse für Bauen, Planen und Umwelt sowie des Haupt- und Finanzausschusses begann. Bereits einen Tag später verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit den nötigen Aufstellungsbeschluss, um das betroffene Areal vom Gewerbe- in ein Mischgebiet umzuwidmen.
Am Montag dieser Woche zog die Stadt mit einer öffentlichen Infoveranstaltung im Plenarsaal des Rathauses nach, um die Bürgerinnen und Bürger über die veränderte Planung zu informieren – und damit auch auf die Bedenken zu reagieren, die bei der vorherigen Bürgerversammlung im Mai laut geworden waren. Das Projekt hat damit eine neue Richtung eingeschlagen – und die Stadt zeigt, wie schnell politische Prozesse funktionieren können, wenn der Wille zur Einigung besteht.
Eigentlich war im Gewerbegebiet von Münster ursprünglich eine modulare Unterkunft für bis zu 300 Geflüchtete geplant – eine Initiative des Investors Ernest Pacarada mit Mietvertrag über zehn Jahre und Baugenehmigung. Doch nach intensiven Gesprächen und der Anhörung der Bürger wird die Unterkunft nun nicht realisiert – gebaut wird trotzdem, allerdings für einen völlig anderen Zweck.
Warum der Kurswechsel kam
Mitte Mai informierten Stadt und Main-Taunus-Landrat Michael Cyriax bei einer Bürgerversammlung über das Vorhaben, das beim Großteil der rund 150 Anwesenden für erhebliche Unruhe sorgte. Zentrale Kritikpunkte: die abgelegene Lage, die Größe der Anlage und Zweifel, ob eine gelungene soziale Integration an diesem Standort überhaupt möglich sei. Interne Sozialprognosen bestätigten diese Befürchtungen – „300 Menschen sind nicht nur eine Zahl“ war das Fazit. Hinzu kam, dass seit einiger Zeit die Flüchtlingszahlen im Kreis stark rückläufig sind.
Infolgedessen wurden intensive Gespräche geführt – Stadt, Kreis und Investor einigten sich darauf, dass Landrat und Pacarada auf den Vertrag verzichten – nicht durch Kündigung, sondern durch beiderseitiges Einverständnis zum Rückzug.
Und dann ging es schnell. In der eigens anberaumten Sondersitzung der Ausschüsse erläuterte Bürgermeister Albrecht Kündiger den Ausschussmitgliedern die Kehrtwende und bat um schnellstmögliche Zustimmung zum Aufstellungsbeschluss. Hier wurde kontrovers diskutiert, doch schlussendlich wollte man ein Signal nach außen geben. „Unser Blick sollte nach vorn gehen“, forderte Thomas Horn (CDU) und schob hinterher, dass es die Stadt jetzt in der Hand hätte, einen sozialen Brennpunkt zu verhindern. Wichtig war allen Mitgliedern, dass Kelkheim keine finanziellen Verpflichtungen eingehen müsse und die Absicherung, dass nicht irgendwann aus den geplanten Wohnungen doch wieder eine Flüchtlingsunterkunft werde.
Neuer Plan: Wohnmodulbau für junge Erwachsene
Der Investor Pacarada, der bereits Planungskosten getragen hatte und ein Fachmann im Bereich modularer Bauten ist, will deshalb beim Bau bleiben – allerdings mit einer neuen Zielgruppe: Studierende, Pflege-Auszubildende und andere sollen künftig in den Miniappartments leben. Die Bauweise bleibt modular und flexibel – mit eigenem Bad und Küchenzeile pro Einheit. Ein entscheidender Schritt war und ist dafür die Änderung des Bebauungsplans: Wohnnutzung ist in Gewerbegebieten untersagt – Flüchtlingsheime waren bislang eine Ausnahme. Stadtverordnete und die Ausschüsse setzten daher eine schnelle Umwidmung in ein Mischgebiet durch. Grundsätzlich gilt:
Mit der Umwidmung des Gewerbegebietes in ein Mischgebiet sei jetzt der Weg eröffnet, der nun beschritten werden müsse, stellte Kündiger klar.
Beteiligung und Transparenz
Auch nach dem Richtungswechsel hielt die Stadt die Bürger per Informationsveranstaltung auf dem Laufenden: Am 30. Juni folgt ein weiterer Abend im Plenarsaal des Rathauses, allerdings ohne den ursprünglich geplanten Fokus auf Sicherheitskonzepte – da kein Flüchtlingsheim mehr vorgesehen ist.
Die Bürger nahmen die Neuigkeiten gelöst auf, stellten aber wiederholt die Frage, ob der Investor denn nicht doch einfach wieder Flüchtlinge dort unterbringen könne. Dies verneinte der Bürgermeister, denn mit der Umwidmung in Wohnungsbebauung ist die Unterbringung von Flüchtlingen nicht mehr möglich. Allerdings, und das betonte der Erste Mann im Rathaus explizit, sollten die Flüchtlingszahlen plötzlich steigen, würde der Landkreis natürlich wieder nach Flächen und leerstehenden Gebäuden suchen, um Geflüchtete unterbringen zu können. „Wir wollen keine Turnhallen oder Bürgerhäuser füllen, von daher müssen wir immer bereit sein, dem Landkreis bei Notwendigkeit Möglichkeiten zu Unterbringung aufzuzeigen.“ Kelkheim sei derzeit in der glücklichen Lage, seine Asylsuchenden dezentral unterbringen zu können. „Das wissen vermutlich die wenigsten hier, dass die Stadt insgesamt 24 Objekte betreibt, in denen Geflüchtete mit Bleiberecht untergebracht sind“, so Kündiger
Fazit: Von Flüchtlingsheim zu Wohnprojekt
Proteste, Bedenken über Integration und der Standort – das Vorhaben wandelte sich von einer potenziellen Flüchtlingsunterkunft zu einem modularen Wohnprojekt für junge Menschen. Die Bebauung bleibt modular, Zielgruppe und Nutzung ändern sich, und eine schnelle Änderung des Rechtsrahmens ermöglicht es trotz Standorthindernissen.
Das Ergebnis: Ein Bauprojekt, das regionale Bedürfnisse anspricht, ohne langwierige Planungszeit – und ein Beispiel für pragmatischen, kommunikativen Kompromiss. Jetzt hängt alles vom weiteren Fortgang der Bauplanung ab – mit Blick auf die Zielgruppen, und die Terminplanung.
Die Pacarada Group (ehem. SHS Haustechnik) ist eine 2002 von den jugoslawischen Brüdern Ernest und Elvir Pacarada gegründete Immobilieninvestmentgesellschaft, die die Verantwortung für mehrere Bau- und Sanierungsprojekte in Deutschland trägt, teilweise auch im näheren Ausland agiert.
Speziell fokussiert sich die Firma auf nachhaltige und technologisch-fortschrittliche Bauweise, es werden „grüne Lösungen“ im Bereich Fortschritt & Umweltschutz versprochen. Auszeichnen lässt sich die Firma auch durch ihre patentierte Stapeltechnologie und Modulbauweise, wodurch ihre Unterkünfte eine Nasszelle, sowie eine Küche aufweisen können.
Unter anderem baute die Pacarada Group Wohnungen in Bad Soden, Notunterkünfte im Industriegebiet Liederbachs, eine luxuriöse Villa in Königstein und wird die Planung und den Bau der neuen Wohnunterkünfte in der Benzstraße 8 in Kelkheim durchführen und beaufsichtigen.