In Kelkheim wird jetzt auch „spazierengegangen“

Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen am vergangenen Mittwoch durch Kelkheim. Ihr Protest verlief friedlich. Fotos: Judith Ulbricht

Die Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen machen auch vor Kelkheim nicht Halt. Am vergangenen Mittwoch versammelten sich rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Marktplatz in der Stadtmitte, um dann, Parolen rufend, durch die umliegenden Straßen zu „spazieren“. Angemeldet wurde die Demo von der Partei „dieBasis“, die im Juli vergangenen Jahres im Umfeld der Proteste gegen die Schutzmaßnahmen zur Covid-19-Pandemie gegründet wurde. Sie gilt als der parteipolitische Arm der „Querdenker“-Bewegung. Ihr oberstes Ziel: die Abschaffung sämtlicher Coronamaßnahmen.

Nach ein paar schwer verständlichen Worten (das Megafon gab nicht mehr her) vom Veranstaltungsleiter und der Ermahnung, sich an die Hygienevorschriften (Abstand und Maske) zu halten, setzte sich der Zug in Bewegung, die Hauptstraße hinauf. Vorne weg ein paar Plakatträger, mit den inzwischen schon bekannten Sprüchen: Lasst die Kinder in Ruhe – keine Testpflicht, keine Masken, keine Impfpflicht – oder der Vorwurf an die Pharmaindustrie, die sich angeblich die Taschen vollmacht. Auf ihrem Weg skandierten die „Spaziergänger“ Parolen wie „Frieden, Freiheit, Demokratie“ und „Diktatur“. Und natürlich durfte der bekannte Westernhagen- Song „Freiheit“ nicht fehlen.

Ersten stillen Protest gab es in der Karolinger Straße. Dort hatten Anwohner ihre blauen Tonnen mit Plakaten versehen, auf denen Slogans wie „Impfen statt schimpfen“ und „Nachdenken statt verQuert denken“ standen. Und dann wurde der stille Protest lauter Protest: Auf Höhe der Hausnummer 20 wurden die vorbeiziehenden Demonstranten mit lauter Karnevalsmusik beschallt, die ihre Rufe übertönte. Am Ende, als der Zug schon durch war, erklärte ein kleines Mädchen auf dem Arm ihrer Mutter. „Das war lustig!“

Alles in allem eine friedliche Demonstration, die für Polizei und Ordnungsamt keine große Herausforderung darstellte, aber trotzdem aufmerksam beobachtet (Videoaufnahmen) und begleitet wurde. Dass diese als Spaziergänge „getarnten“ Demos nicht unkommentiert bleiben, zeigte sich auch in den sozialen Netzwerken. In der Gruppe „Alles rund um Kelkheim“ wurde mehrfach darüber diskutiert und es gibt erste Reaktionen und Aktionen gegen den jetzt eventuell regelmäßig stattfindenden Spaziergang am Mittwoch.

Die Antifaschistische Bildungsinitiative Main-Taunus (Antifa BI) zeigt sich angesichts der am vergangenen Mittwoch stattgefundenen Querdenker-Proteste in Kelkheim besorgt. „Die Bewegung zeichnet sich insbesondere durch Wissenschaftsfeindlichkeit und die Teilnahme rechtsradikaler Strömungen aus. Dass diese sich nun auch im Main-Taunus-Kreis – wie letzten Sonntag in Bad Soden und jetzt in Kelkheim – zu etablieren versuchen, ist verheerend“, erklärte dazu die Vorsitzende Marianne Wehner. Aufgrund dieser Vorkommnisse plant die AntifaBI Kontrapunkte sowie Aufklärungsaktionen und ruft dazu auf, sich an der Organisation und Durchführung zu beteiligen. Wehner ergänzt hierzu: „Wir werden in den kommenden Tagen viele Partnerinnen und Partner mit ins Boot holen, um langfristig auf unsere Weise das Zeichen zu setzen, dass wir in Zeiten dieser Pandemie friedlich und solidarisch miteinander umgehen. Und zwar ohne Verschwörungserzählungen und Rechtes Gedankengut.“

Und es bleibt nicht nur bei Worten. Die Antifa BI lässt Taten folgen. So findet am Sonntag, 16. Januar, ab 14 Uhr ein Aktionstag für Solidarität ohne Verschwörungsideologien am Bahnhof Stadtmitte (Wiese Altkönigstraße) statt. Geplant ist eine Demonstration, eine Internetaktion und der Aufruf „Der MTK schmückt die Fenster“, in dem darum gebeten wird, am Sonntag Kerzen oder ein Licht als Ausdruck der Solidarität ins Fenster zu stellen. Marianne Wehner: „Es wird Zeit, friedlich, aber bestimmt zu zeigen, dass diese Demonstranten hier niemand braucht.“

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