Kelkheim (kez) – Sie haben es geschafft. Acht Wochenenden haben die Kelkheimer Catharina Wenzel, Udo Jacobs und Rebecca Pfeiffer beim Landschaftspflegeverband Main-Taunus e.V. eine Ausbildung zum Streuobst-Baumwart, bzw. Streuobst-Baumwartin absolviert.
Nun, gegen Ende des Jahres, kam es im Naturschutzhaus des Kreises in Flörsheim-Weilbach zur theoretischen Prüfung. Dabei kam noch mal alles zur Sprache, was die drei Kelkheimer und 17 weitere Teilnehmer von Januar bis November in Theorie und Praxis gelernt haben. Angefangen vom Baumschnitt für Jungbäume, dem Erhaltungsschnitt für Altbäume, über die Kunst des Bäume veredelns, zu den Baumkrankheiten, dem Sommerschnitt, dem richtigen Pflanzen von Obstbäumen bis hin zur Sortenkunde, der sogenannten Pomologie.
Jacobs, Pfeiffer und Wenzel kannten sich vorher nicht. Durch den Kurs werden sie sich in Zukunft sicher austauschen und unterstützen. Oder mal ein paar Eimer Äpfel abgeben, wenn einem der anderen noch Obst zum Keltern fehlen sollte. Was sie verbindet ist die Liebe zu den heimischen Streuobstwiesen. Alle drei bewirtschaften eigene Wiesen in den Stadtteilen Kelkheim, Münster und Eppenhain.
Udo Jacobs schätzt die Aktivitäten auf der Wiese als Ausgleich zu seiner täglichen Arbeit am Computer als IT-Spezialist. Und er liebt den Apfelkuchen, den sein ältester Sohn Christopher als Bäcker mit dem eigenen Obst der Jacobs in einer Backstube im Main-Taunus-Kreis backt. Catharina Wenzel mag es, ihren fünf Kindern auf der Streuobstwiese die Natur und ihre Artenvielfalt näher zu bringen, alte Sorten zu erhalten und jedes Jahr neue Bäume zu pflanzen, junge und alte Bäume zu pflegen. Rebecca Pfeiffer ist mittlerweile auch im OGV Fischbach organisiert. Sie hat vor drei Jahren ihre ersten eigenen Obstbäume auf der familieneigenen Wiese in Eppenhain gepflanzt und freut sich darauf, die Bäume in Zukunft fachgerecht zu schneiden und ältere Bäume im Bestand zu pflegen.
Einiges war den drei Streuobst-Enthusiasten natürlich bereits vorher bekannt. Aber der Kurs des Landschaftspflegeverbandes brachte auf ebenso lockere wie konzentrierte Art viel Detailwissen in Theorie und Praxis.
Dazu gehörte auch ein Tag, an dem es mit Klettergurten in den Baum zum Sägen ging. Der versierte Kursleiter und Pomologe Steffen Kahl, der sich selbstironisch Streuobstwanderlehrer nennt, kommt mit seinen Kursen oder beim Baumschnitt viel in Hessen und Nordbayern herum. Er freut sich über den frisch gebackenen Nachwuchs von Streuobst-Baumwarten. „100.000 Bäume müssten wir in Hessen schnellstens pflanzen, um zumindest den gegenwärtigen Zustand und die Menge an Streuobst zu erhalten“, appelliert Kahl an die Bevölkerung. Dafür benötigt es neben Profis, vor allem Menschen, die sich in ihrer Freizeit mit der Pflege und dem Erhalt von Streuobstwiesen befassen. Weil sie selbst ihr Stöffsche keltern wollen, gemeinsam mit Freunden oder Familie Zeit an der frischen Luft verbringen möchten oder weil sie die Streuobstwiesen als wichtiges Biotop erhalten wollen. Zum Beispiel für Steinkauz, Grünspecht oder Gartenrotschwanz, um drei typische Vogelarten der Streuobstwiesen zu benennen. Zu ihnen gesellen sich Gartenschläfer, Fuchs, Waschbär und Dachs, Wildbienen, Schmetterlinge und viele andere Lebewesen. Denn die ungespritzten Streuobstwiesen zählen in Deutschland zu den Hotspots der Artenvielfalt. Da wo ein alter Baum abgestorben ist, lässt man ihn stehen, vielleicht findet z.B. ein Steinkauz hier seinen Unterschlupf.
Fragt man die frisch gebackenen Baumwarte aus Hornau, Fischbach und Münster, was ihnen in der Ausbildung am Besten gefallen hat, fällt ihnen Einiges ein.
Für Catharina Wenzel ist es das Wissen um Krankheiten und Risiken für die Bäume in unserer Zeit – ob Misteln, Pilze, Insekten, Standort. „In Zeiten des Klimawandels ist es hilfreich, Zusammenhänge zu verstehen und so manchen Fehlern schon bei der Standortwahl vorbeugen zu können. Ein Netzwerk aufzubauen, um möglichst viele Sorten erhalten zu können, aber auch die Anpassung derer regional zu nutzen“, meint die fünffache Mutter.
Udo Jacobs meint spontan: „Mich hat besonders das Veredeln, das Vermehren von Obstbäumen beeindruckt. Es ist wahrhaft magisch wie aus einem kleinen Knospenteil, das mit wenigen Schnitten unter die Rinde gelegt wird, nach kürzester Zeit ein kleiner Spross und dann im Laufe von bis zu 100 Jahren ein stattlicher Obstbaum mit der eigenen Lieblingsapfelsorte wird.“
Auch Rebecca Pfeiffer zieht ein durchweg positives Resumé: „Ich blicke auf jedes der acht Module gespannt zurück, denn jedes Thema barg eine kleine Wissenschaft für sich. Besonders neugierig machten mich aber die Themen Veredelung und Pomologie, weil es so fern ab vom alltäglichen ist und das Wunder der Natur besonders gut verdeutlicht.“ Und: Auch sie freut sich über das Netzwerk an hilfsbereiten Menschen, das sich durch den Kurs entwickelt hat.
Wer Interesse an der Ausbildung ab Mitte Januar hat, meldet sich möglichst bald beim Landschaftspflegeverband Main-Taunus e.V. in Flörsheim unter info[at]lpv-mtk[dot]de oder telefonisch: 0157-71701765. Weitere Infos: www.lpv-mtk.de. Alle 16 Kurstage kosten zusammen 666 Euro und finden rund um Flörsheim am Main statt.