Kelkheim (ju) – Vögel zwitschern, Bienen summen, Libellen tummeln sich auf den Seerosen, ein Entenpärchen flüchtet vor den unerwarteten Besuchern an den Rand eines kleinen Teiches. Ein Idyll unberührter Natur – auf dem Gelände der Kläranlage Ruppertshain. Eingebettet in die Wiesen unterhalb der ehemaligen „Hustenburg“, umrahmt von stattlichen Bäumen liegt sie, die gerade runderneuerte Kläranlage, die nur die Abwässer dieses Stadtteils behandelt. Selbst viele „Einheimische“ wissen nichts von „Kelkheims schönstem und saubersten See“, wie Bürgermeister Albrecht Kündiger bei einem Vororttermin vom „Schönungsteich“ auf dem Anlagengelände schwärmt.
Historische Gründe
Die Anlage ist ein „Unikum“ – historisch begründet. Ihr Alleinstellungsmerkmal, nur den Ort Ruppertshain zu behandeln, beruht auf dem Zauberberg, der ehemaligen Lungenheilanstalt. Hier wurden viele Patienten mit Tuberkulose behandelt, eine hochansteckende Krankheit. Die Abwässer, gerade aus dieser Klinik, mussten besonders behandelt werden (Entkeimung und Desinfektion), um eine Weiterverbreitung der Bakterien zu vermeiden. Nicht mal Eppenhain wurde an das 1962 entstandene Klärwerk angeschlossen. Der Ortsteil entsorgt seine Abwässer auf kurzem Weg, durch einen Kanal im Wald, zur Kläranlage Ehlhalten.
Die Anlage wurde damals für 1.500 Einwohner errichtet, doch schon 20 Jahre später erweiterte man auf 4.950 Einwohner. Damit ist sie aber immer noch eine der kleineren im Gebiet des Abwasserverbandes Main-Taunus. Wie Abwasserverbandschef Andreas Seitz erklärt, gibt es neun Klärwerke, wobei Kriftel die größte Betriebsstätte ist (50.000 Einwohner Einzugsgebiet) und Kröftel im Rheingau-Taunus-Kreis die kleinste (1.600). Außer Flörsheim, Hochheim und Eschborn kümmert sich der Verband um alle Kommunen des MTK und zudem noch um Königstein, Glashütten sowie Teile von Idstein und Niedernhausen. „Aber seien wir ehrlich, über Abwasserreinigung wird nicht viel geredet, die Menschen gehen davon aus, dass es läuft“, weiß Seitz. Um so wichtiger sei die ständige Optimierung und Modernisierung. 2018 startete man in Ruppsch mit der Erweiterung, Erneuerung, Sanierung und Modernisierung. Corona machte wie bei so vielen auch hier einen „Strich durch die Rechnung“. Es konnten teilweise keine Arbeiten vor Ort durchgeführt werden, hinzu kamen nach dem Ende der Pandemie und mit Beginn des Krieges in der Ukraine extrem lange Lieferzeiten von Ausrüstungsgegenständen. Am Ende werden bis zu 2,7 Millionen Euro für die Modernisierung zu Buche schlagen, wissen der technische Geschäftsführer Frank Göbel und die kaufmännische Chefin Heike Spitzbart.
Für Frank Göbel ist es ein befriedigendes Gefühl, dass die Anlage jetzt auf dem „neuesten Stand“ ist. „Jetzt kann ich nach fast 30 Jahren hier im Betrieb entspannt in den Ruhestand gehen“, witzelt er. Sein Nachfolger steht auch schon fest. Christian Hielscher wird übernehmen, einige Aufgaben werden an Betriebsleiter Andreas Odendahl delegiert.
Wie funktioniert eine Kläranlage?
Und was ist jetzt mit dem Gestank, der solchen Anlagen immer nachgesagt wird? Es riecht zwar ein bisschen, aber alles im Rahmen, von Geruchsbelästigung keine Spur. Gerade bei dem trockenen Wetter plätschert das Abwassergemisch, bestehend aus Abwässern und Regenwasser (falls es mal wieder regnen sollte), gemächlich über den Zulauf in die Anlage. Im großen Rückhaltebecken kann man Reste von Lebensmitteln (erhobener Zeigefinger) und Toilettenpapier sehen, ansonsten ist es komplett leer. Muss es auch, denn bei Starkregen kann der Zulauf bis zu 42 Liter pro Sekunde aufnehmen, erst dann regelt ein Überlauf die Lage, im Zulauf und im Becken. Der Zulauf zum Sandfang wurde umgebaut, die Technik erneuert. Neben dem Sandfang, der den Sand aus der Kanalisation aus den Abwässern absaugt, steht der Stahlrechen, der sämtliche Feststoffe aus dem Wasser „kämmt“. Früher waren beide Anlagen der Witterung ausgesetzt, jetzt schützt eine Behausung die Technik. Ein Stück weiter, hinter dem langen Becken, in dem das Fett durch Zugabe von Sauerstoff vom Wasser getrennt wird und von der Oberfläche abgenommen werden kann, wurde eine Lager- und Dosierstation für Fällmittel für die chemische Reinigung errichtet.
Am Boden des Beckens setzt sich der restliche Sand ab, der ebenfalls abgesaugt wird. Von hier aus fließt das jetzt schon sauberere Wasser in die beiden Rundbecken. Im äußeren Ring setzt die biologische Reinigung ein. Durch Zugabe von Sauerstoff (verdichtete Luft) werden die Bakterien angeregt, ihre Arbeit aufzunehmen. Im inneren Ring endet der Prozess. Der Klärschlamm setzt sich auf dem Boden ab und das jetzt klare Wasser läuft in den „Schönungsteich“, um von dort den Weg in den Krebsbach zu finden.
Bis zu 24 Stunden kann dieser Prozess dauern - bei den derzeitigen Temperaturen. Bei Regen geht es wesentlich schneller. Auf die Sonne setzt der Verband aber trotzdem. Die erste verbandseigene Photovoltaikanlage in einem Klärwerk prangt auf dem Dach, muss nur noch angeschlossen werden. Dann hofft man, die Kosten für die bisherigen 130.000 Kilowattstunden Stromverbrauch im Jahr durch die Sonnenenergie reduzieren zu können.
Tag der offenen Tür
Der Abwasserverband Main-Taunus lädt am Samstag, 24. Juni, von 12 bis 16 Uhr zum Tag der offenen Tür ins Klärwerk. Die Besucher erwarten Rundgänge und Informationen. Für Essen und Getränke ist gesorgt. Es sollten die Parkplätze am Sportplatz, verlängerte Wiesenstraße, genutzt werden. Dann geht der Weg zur Anlage fußläufig rechts an der Halle vorbei.