Kelkheim (nd) - Am vergangenen Dienstag luden der Obst- und Gartenbauverein Fischbach 1906 e.V. und die Stadt Kelkheim in den Plenarsaal des Rathauses zu einem Vortrag von Barbara Helling mit dem Thema „Wie rüsten wir Streuobstwiesen in Zeiten des Klimawandels für die Zukunft?“. Barbara Helling stellte die Ergebnisse eines Forschungsprojektes des Landschaftspflegeverbandes Main-Taunus-Kreis vor, welchen sie bis zu ihrem Ruhestand über Jahrzehnte hinweg leitete. Das Projekt lief über drei Jahre an verschiedenen Standorten, um unterschiedliche Bodenstrukturen als Versuchsgrundlage nutzen zu können. Das Monitoring erfolgte durch das Start-up Triebwerk, welches sich mit alternativen Pflanzmethoden beschäftigt.
Trockenheit nicht das einzige Problem
„Wir haben einen starken Rückgang des Obstbaumbestandes – im Vergleich zu den 50er Jahren sind noch etwa 8 Prozent des Bestandes übrig“, erklärte Helling. Eines der großen Probleme für die Bäume auf Streuobstwiesen sind zwar längere extrem trockene Perioden, vor allem während der Blütezeit, doch ist das längst nicht das einzige Problem. Auch zu viel Niederschlag ist problematisch, der „Nassstress“ an den Wurzeln führt dazu, dass diese regelrecht keine Luft mehr bekommen und wegfaulen. Die ohnehin schon durch Trockenheit und Extremwetter wie Sturm oder Starkregen geschwächten Bäume haben den zahlreichen Schädlingen und Krankheiten immer weniger entgegenzusetzen. Die Liste der einheimischen und eingeschleppten Schädlinge und Krankheiten ist lang. Der schwarze Rindenbrand, ausgelöst durch den Pilz Diplodia, lässt die Rinde der Bäume aufplatzen - ein Einfallstor für Schadinsekten wie Gespinstmotten, Apfelblütenstecher und auch den Borkenkäfer. Hinzu kommen weitere Pilzinfektionen wie Blattfallkrankheit, bakterielle Erkrankungen wie Birnenverfall und parasitäre Pflanzen wie Misteln. Ein weiteres Problem ist, laut Helling, dass viele der Streuobstwiesen über Jahre nicht richtig bewirtschaftet und gepflegt wurden. Es wurde zwar geerntet, aber seit die Bäume nicht mehr wichtig für das Überleben der Besitzer sind, wurden sie kaum noch beschnitten und oft auch keine Bäume nachgesetzt. „Früher waren die Obstbäume wichtig für die Selbstversorgung und was man gebraucht hat, wurde gepflegt“, so Helling.
Mit bewährten Methoden fit für die Zukunft
„Wir müssen zu dem zurückkehren, was man früher gemacht hat“, erklärte Barbara Helling. Früher habe man sich keine Bäume in der Baumschule geholt, die schon mindestens 8 Jahre alt waren. So wurden für das Projekt sehr junge und kleine Bäume gepflanzt. Diese wurden nach kurzer Standzeit direkt an Ort und Stelle veredelt. Das frühe Anpflanzen am späteren Standort sorge dafür, dass die Bäume weniger Stress und somit einen besseren Start hätten. Ein Vorteil sei, dass die jungen Bäume weniger Wasser bräuchten und zwar 5 Liter statt circa 80 Liter pro Wässerungsgang. Bei den 106 Bäumen, die gepflanzt wurden, gab es einen Verlust von 3,8 % (durch Feldmäuse), alle anderen Bäumchen haben überlebt. Die Pflanzorte waren sehr unterschiedlich – Sandböden, Lehmböden, Schatten und pralle Sonne – viele Möglichkeiten und unterschiedliche Sorten wurden ausprobiert. Die Sorte mache keinen großen Unterschied und auch auf Sandboden seien die Bäume gut gewachsen – am schlechtesten gehe es den Bäumchen, die in der vollen Sonne stehen und von Acker umschlossen sind.
Bewährten Pflegemaßnahmen
Die Bäume sollten möglichst jung gepflanzt werden – je weniger Stress am Anfang und je weniger Eingriff in den Boden, umso vitaler sind die Bäumchen. Ein sehr stabiler Schutz ist vonnöten, da es viele Wildtiere gibt, für die ein Jungbaum ein Leckerbissen ist. Nützlinge und Bestäuber sollten gefördert werden, denn vieles blüht inzwischen gleichzeitig, was dazu führt, dass die Insektenvölker nicht alles bestäuben können. Der Stamm sollte im Herbst abgebürstet werden (mit einer festen Bürste – keine Drahtbürste) und zum Schutz der Rinde unbedingt geweißt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei das Düngen im Frühjahr, allerdings nicht während der Blütezeit - bewährt habe sich Pferdemist ohne Stroh. Barbara Helling wird die gepflanzten Bäumchen auch weiterhin im Auge behalten und auch wenn das Projekt offiziell beendet ist, wird es in ein paar Jahren vielleicht trotzdem Neuigkeiten geben, um das Kulturgut Streuobstwiese für die Zukunft zu rüsten.
Auch Tobias Scherner, Vorstandsmitglied im OGV Fischbach, schlägt in dieselbe Kerbe: „Seit einigen Jahren habe ich das Veredeln für mich entdeckt. Auf der Wiese des OGV wachsen nun schon einige junge Apfelbäume auf verschiedenen Sämlingssorten mit und ohne Veredelung, bei denen wir das Wachstum nun sehr gespannt verfolgen werden. Ziel ist dabei, die Bäume optimal vorzubereiten. Vor allem hoffen wir, dass sie größere Chancen haben groß zu werden als die zuvor gepflanzten Hochstämme.“ „Wir müssen uns für neue Ansätze öffnen, alte Definitionen von Streuobst überdenken und Neues wagen. Nur so wird Streuobst bei uns zukunftsfähig“, konstatiert die Expertin zum Abschluss.
Weiterführende Informationen
Die Ergebnisse des Projekts sowie ein „Praxisleitfaden klimastabile Pflanzmethode im Streuobst“ gibt es unter www.streuobst-mtk.de/wp-content/uploads/2024/04/Praxisleitfaden.pdf
Barbara Helling und Tobias Scherner erläuterten die Probleme, die auf die Streuobstwiesen in Zukunft zukommen.Foto: Diehl
Guter Anwuchs 6 Wochen nach dem Veredeln im Sommer 2022Foto: Barbara Helling