Ein Stolperstein für Theodor Brühl – Gedenken an ein Opfer des NS-Regimes

Kelkheims erster Stolperstein erinnert an Theodor Brühl. Die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt. Ein Erinnern an die schreckliche Zeit des NS-Terrors um so wichtiger. Foto: Judith Ulbricht

Am vergangenen Samstag wurde in der Liederbachstraße vor der Hausnummer 6 Kelkheims erster Stolperstein verlegt. Er erinnert an Theodor Brühl, der wahrscheinlich aufgrund seiner Überzeugung sterben musste. Die Umstände seines Todes konnten nie geklärt werden. Seiner Urenkelin Annette Freund ist es zu verdanken, dass Menschen wie Theodor Brühl, die Opfer eines menschenverachtenden Regimes geworden sind, nicht vergessen werden. Sie begab sich auf die Spuren ihres Urgroßvaters und hält das Gedenken an ihn jetzt in Form eines Stolpersteins aufrecht.

Wer war Theodor Brühl?

Geboren am 31. Dezember 1879 in Bonn, wuchs Theodor Brühl in Steckenroth (heute ein Ortsteil Hohensteins im Rheingau-Taunus-Kreis) auf. Nachdem er seine spätere Ehefrau Katharina Klarmann kennengelernt hatte, wurde er in Kelkheim sesshaft und die beiden heirateten am 15. Juli 1905.

Der gelernte Schneider arbeitete bis zu seinem Tod als Beizer bei der damals größten Möbelfabrik, der Firma Dichmann. Das Ehepaar Brühl bekam drei Kinder: Sohn Georg wurde 1906 geboren, die Töchter Jeanette 1909 und Emma 1913.

Im Jahre 1932 bauten die Brühls das Haus in der Liederbachstrasse 6, welches heute noch im Besitz der Familie ist und von einer der vier Enkelinnen bewohnt wird.

Theodor Brühl war überzeugter Sozialdemokrat und trat 1919 in die SPD ein. Bis zum Verbot der Partei am 22. Juni 1933 durch die Nationalsozialisten war er im Ortsverband Kelkheim als Kassierer tätig.

Nach dem Verbot der SPD organisierten im Exil lebende Mitglieder die SOPADE (Exil-SPD) in Prag und versuchten, die Verbindung zu den Parteimitgliedern in Deutschland aufrechtzuerhalten und politische Informationen auszutauschen.

So entwickelte sich die größte sozialdemokratische Widerstandsgruppe im Rhein-Main-Gebiet unter der Führung von Paul Apel (Sohn des 1933 durch die Nazis abgesetzten damaligen Landrats Wilhelm Apel), Paul Kirchhof und Peter Nida.

Eben dieser Paul Apel versuchte durch „illegale“ Treffen und Verteilen der Zeitschrift „Sozialistische Aktion“ den eigenen Zusammenhalt zu stärken und über den Charakter des NS-Regimes aufzuklären, denn unzensierte Informationen gab es in der gleichgeschalteten Presse nicht mehr.

Durch ein Missgeschick bei der Verteilung der Zeitschrift fielen einige Exemplare in die Hände der Gestapo. Durch einen Denunzianten führte die Spur zu Paul Kirchhof. Seine Verhaftung erfolgte am 2. Oktober 1935.

Daraufhin wurden in den nächsten Tagen weitere Mitglieder dieser Widerstandsgruppe wie etwa Peter Nida, Paul Apel sowie die Kelkheimer Ludwig Karger, Otto Grube und Karl Leicher verhaftet.

Theodor Brühl wurde als Teil dieser Gruppe nach einer Hausdurchsuchung am 22. Oktober 1935 von der Gestapo verhaftet und im Polizeigefängnis Starke-Platz 5 (heute als Klapperfeld bekannt) in Frankfurt inhaftiert. Aus dem Datenblatt Theodor Brühls, das in Wiesbaden in der Datenbank „Widerstand und Verfolgung unter dem Nationalsozialismus in Hessen“ im Hessischen Hauptstaatsarchiv zu finden ist, geht hervor, dass er „... wegen Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet wurde. Zu einer Anklage kam es nicht mehr: Sechs Tage nach seiner Verhaftung soll er sich in seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis erhängt haben. Der Todestag wird gemäß Sterbeurkunde als der 28. Oktober 1935 ausgewiesen. Die Staatsanwaltschaft in Kassel bestimmt als Todesursache „Selbstmord“. Die tatsächlichen Umstände des Todes von Theodor Brühl konnten nie geklärt werden. Doch es war nicht selten, dass Gegner des politischen Systems ermordet oder zu Tode gefoltert wurden.

Das Erinnern ist wichtig

Um so wichtiger ist das Erinnern. Dies betonten auch Bürgermeister Albrecht Kündiger und Stadtverordnetenvorsteherin Julia Ostrowicki in ihren Reden bei der feierlichen Enthüllung des Stolperstein. „Dies ist ein reales Beispiel dafür, dass der Nationalsozialismus auch in unserer Stadt gegenwärtig war“, resümierte das Stadtoberhaupt.

Julia Ostrowicki dankte Annette Freund für die Kontaktaufnahme mit der SPD Kelkheim, durch die der Stein ins rollen kam. Gleichzeitig hatte sie mahnende Worte an alle Kelkheimerinnen und Kelkheimer: „Eins ist gewiss, ohne das Erzählen der Geschichten über die Männer und Frauen, die Widerstand geleistet haben, ohne das Gedenken an Männer wie Theodor Brühl, die nicht untätig bleiben konnten und mit dem Leben bezahlt haben, ohne diese Erinnerung haben wir keine Chance, ausreichend gegen menschenverachtende und rassistische Doktrin stark zu sein. Das Gedenken an Theodor Brühl ist uns eine Verpflichtung einzustehen für unsere parlamentarische Demokratie.“

Fortsetzung auf Seite 2

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