Strobels Welt ist perfekt und zweispältig zugleich

Kelkheim/Bad Soden (sw) – „Weltwechsel – Zeitenwende“ ist der Titel der Ausstellung mit neuen Werken des Künstlers Jörg Strobel, die derzeit in der Stadtgalerie des Kulturzentrums Badehaus in Bad Soden zu sehen sind. Die Werke des aus der Region kommenden Künstlers – Strobel lebt und arbeitet in Kelkheim – laden zu genauerer Betrachtung ein. Sie zeigen den Zwiespalt der modernen Welt, sie sind oft monochrom (einfarbig) und präsentieren virtuelle Welten und androgyne Figuren.

Die Ausstellung stellt die Themen Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung in den Fokus. Strobel beschäftigt sich in seinen Werken vor allem mit „den „Menschen und den gesellschaftlichen Strukturen der heutigen Zeit“ und er lässt sich in seiner Kunst auf die seit Jahrhunderten brennende Frage ein: Mensch und Maschine – wer kontrolliert in letzter Instanz eigentlich wen? In seinen einleitenden Worten führte der Künstler bei der Vernissage aus, dass sich die Welt im Wandel befinde und wir alle nicht wüssten, wie sich Digitalisierung und KI auf das soziale Miteinander und die Arbeitswelt auswirken werden.

Die Kennzeichen der Zeit – Unsicherheit statt Konstanz, Komplexität und Mehrdeutigkeit – zeigen sich auch in den großformatigen Werken der Ausstellung: kühle Distanz, das Verschwimmen von Innen und Außen, menschliche Wesen mit puppenhaften Gesichtszügen.

Glatt und gleichförmig

Wird die Künstliche Intelligenz zu Gleichschaltung und Kontrolle führen und werden in letzter Instanz die Systeme sogar das „Mängelwesen Mensch“ bekämpfen? Der Künstler bekannte, dass „wir uns vor der Digitalisierung nicht verschließen werden können“. Seine Figuren sind perfekt wie verstörend, ziehen die Betrachtenden in die Bildwelt förmlich hinein und bleiben dennoch distanziert abweisend.

Im Gespräch erläutert der Künstler, „dass auch unsere Sehgewohnheiten sich durch die zunehmende Digitalisierung verändert haben“. Die Menschen würden sich stärker von „Glattheit und Gleichförmigkeit“ angezogen fühlen. Also eine Veränderung der Menschen durch die digitalen Welten, ohne dass sie das überhaupt mitbekommen? Und wie stark passt sich ein Künstler dann dem veränderten Publikumsgeschmack an? Schon jetzt, erklärt Strobel, seien manche Kunstwerke instagram-tauglicher als andere. Das erhöhe dementsprechend nicht nur die Anzahl der Likes, sondern auch die Reichweite.

Das Badehaus virtuell nachgebaut

Für jemanden, der kein Digital Native ist, weiß Jörg Strobel außerordentlich gut Bescheid. Das liegt wahrscheinlich nicht zuletzt an seinem Sohn Kalle, der ebenfalls Teil der Ausstellung ist. Der Zehnjährige kommt nicht nur auf den Bildern seines Vaters vor, sondern ist mit seinen Freunden Leonard Bohn und Simon Kraus auch bei der väterlichen Ausstellung vertreten. Die Gleichaltrigen haben gemeinsam das Bad Sodener Badehaus bei „Minecraft“ nachgebaut und nehmen die neugierigen Gäste mit auf eine virtuelle Reise durch die Räumlichkeiten. Rund einen Monat haben die drei Freunde an dem Projekt gearbeitet und in dem meistverkauften Videospiel der Welt, das wohl allen Eltern ein Begriff sein dürfte, an jedem Stein getüftelt. Die Gäste sind eingeladen, Wünsche für die Innenausstattung zu äußern, die von den drei Jungen unverzüglich umgesetzt werden. Ein lila Sessel für die Bibliothek entsteht mit fünf rasanten Clicks. Ist das auch Kunst? Auf jeden Fall auch ein kreativer Prozess.

Die Ausstellung „Weltwechsel“ zeigt, dass alles neu gedacht werden kann – von uns Menschen oder von der KI.

Die Ausstellung ist bis Sonntag, 30. Juli, während der Öffnungszeiten der Stadtgalerie am Mittwoch, Samstag und Sonntag von 15 Uhr bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Jörg Strobel vor einem aktuellen Werk „Birkenwald“, Öl auf Leinwand/Druck auf Plexiglas

Weitere Artikelbilder



X