Königstein/Kelkheim
(hmz) – In einem überschaubaren Rahmen könnte es ein Vorzeigeprojekt werden: Noch ist das Wohnhaus mitten in der Stadt eine Baustelle, im kommenden Jahr soll es Menschen mit und ohne Behinderungen zur Verfügung stehen. Ein privater Träger hat es erworben und setzt damit ein Zeichen für die soziale Inklusion, die erst dann verwirklicht ist, wenn jeder Mensch die Möglichkeit hat, am gesellschaftlichen Leben mitwirken und teilhaben zu können. In diesem Fall soll das Inklusionskonzept einer Wohngemeinschaft (WG) umgesetzt werden und in einer Zeit knappen Wohnraums und Ressourcen dürfte ein Projekt dieser Art willkommen sein. Aufgrund der hohen Nachfrage ist überall ein bedrückender Wettbewerb um bezahlbares Wohnen entstanden. Die Situation für Mieter und Mieterinnen mit Behinderung ist besonders prekär, denn ihr Zuhause muss nicht nur bezahlbar, sondern vielfach auch barrierefrei sein.
Erfolgsgeschichte
In diesem Königsteiner Wohnhaus soll nun auch vergünstigter Wohnraum entstehen. Vorrangiges Ziel ist jedoch die Chance für alle, völlig neuen Erfahrungen in dem von ihnen selbst gestalteten Lebensumfeld machen zu können: Menschen mit und ohne Behinderungen unter einem Dach, die sich ganz selbstverständlich gegenseitig unterstützen und Hilfestellung leisten, wenn es notwendig wird. Seit 30 Jahren gibt es dieses Wohnmodell, das eine Erfolgsgeschichte schreibt. Die Wartelisten in entsprechenden Einrichtungen sind lang. Das Königsteiner Projekt wird daher aus verschiedenen Blickwinkeln heraus eine große Bereicherung sein.
Eine inklusive Wohngemeinschaft funktioniert nach ganz ähnlichen Prinzipien wie jede andere WG auch: Alle Mitbewohner und Mitbewohnerinnen haben ihr eigenes Zimmer, Küche, Bad und Wohnzimmer werden gemeinsam genutzt. Anfallende Aufgaben wie Putzen, Einkaufen oder Essen kochen werden untereinander aufgeteilt. Ihre Haushaltspflichten können die Bewohner entweder allein erledigen, oder sie holen sich Unterstützung bei einem Mitbewohner. Ganz allein auf sich gestellt sind sie dabei nicht. Harald Futschig, Coach für Persönlichkeitsentwicklung und durch den Träger mit der Projektleitung für das Haus betraut, wird das Inklusionskonzept räumlich und zielgerichtet umsetzen. Menschen mit Behinderungen seien durch das familiäre Umfeld oftmals so umschlossen, dass sie sich nur schwer daraus lösen könnten.
Das gelte auch für die Eltern, die die Entwicklung in die Selbstbestimmtheit ihrer Kinder durchaus auch bremsen könnten. „Die Abnabelung vom Elternhaus und das selbstständige Wohnen gehört für alle Menschen zum Erwachsenwerden dazu – auch für die mit einer oder mehreren Behinderungen“, so Futschig. Vier Zimmer, eine Küche, voraussichtlich zwei Bäder und ein Wohnzimmer – damit wären die Räumlichkeiten geschaffen, in denen das Projekt umgesetzt werden soll. Futschig ist überzeugt, „dass es ein sicheres, bedarfsgerechtes Fundament ist, das hält und sich entwickeln darf.“ Hier sollen die Bedingungen so sein, dass die neuen Bewohner und Bewohnerinnen es schaffen können. Eine junge Gemeinschaft, die miteinander leben soll, eine Begegnungsstätte mit dem klaren Fokus auf der Gemeinschaf. „Sie soll Spaß und Freude an der Gestaltung bringen.“
Die Betreuung des Projektes ist „für mich eine Herzensangelegenheit, und mit der Unterstützung einer Pädagogin und meiner zusätzlichen Ausbildung als Therapeut sollte es uns gelingen, die Startschwierigkeiten, die sicher auf uns zukommen werden, zu überwinden.“ Die Auswahl der künftigen Bewohner wird dabei sicher eine maßgebende Rolle spielen, es müsse schon funktionieren.
Neubeginn
Für alle werde es ein Neubeginn sein und hinter ihnen liege eine langer Prozess der Loslösung. „Das Problem sind die festgefahrenen Gewohnheiten innerhalb einer Familie, die starke Abhängigkeiten, aber auch Sicherheit verschaffen.“ Diese neu zu ordnen und mit anderen Inhalten zu versehen sei eine Herausforderung. „Wir müssen spontan und flexibel sein und situativ handeln. Erfolgreich geht das nur mit profunden Kenntnissen und einer großen Empathie“, so Futschig weiter. Die Finanzierung des Projektes durch den privaten Träger sei ein Glücksfall, allerdings mit einem tragischen Hintergrund. Die Familie ist selbst betroffen und umsorgt seit Jahren einen ihrer Söhne. „Es war eine große Herausforderung für die Familie, da die intensive Betreuung des 27-Jährigen nach zahlreichen Operationen und medizinisch-psychologischen Therapien alle sehr beansprucht hat.“ Inzwischen würden die Fortschritte des jungen Mannes zu einem weiteren, großen Schritt ermutigen. Der Umzug in einen eigenen Wohnbereich und die damit erlangte Selbstständigkeit könnte Erreichtes positiv beeinflussen. Die Nähe des Elternhauses sei eine sehr hilfreiche Unterstützung bei der bevorstehenden Veränderung.
Ein sehr einfaches, aber bewährtes Erziehungsprinzip sei die ideelle Grundlage dieses Projektes: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ Menschen mit Behinderung sollten – soweit möglich – frei wählen können, wo, wie und mit wem sie wohnen wollen. In der betreuten inklusiven Wohngemeinschaft bietet sich dazu eine Chance. Unter einem Dach, fast wie in einer ganz normalen WG.
Interessenten und Interessenten können sich bereits jetzt anmelden:
Harald Futschig, Telefon 0179-5296574,
E-Mail: futschig[at]googlemail[dot]com