Königstein
(el/kw) – Ihre Kindheit war geprägt von vielen Entbehrungen, die die Wirren der Kriegsjahre mit sich brachten. Dennoch hat Annelise Hees, die am 7. Dezember ihren 90. Geburtstag feiert, ihre Lebensfreude und ihre Offenheit den Menschen gegenüber nie verloren. Im Gegenteil: In einem Alter, in dem sich andere längst zur Ruhe gesetzt hätten, war Annelise Hees, die über 60 Jahre hinter der Ladentheke des Familienunternehmens gestanden hatte, noch bis vor einem Jahr oftmals in der Bäckerei Hees anzutreffen. Stets begrüßte sie ihre Kunden mit einem freundlichen Lächeln.
Bescheiden und pflichtbewusst, immer als erstes die Familie im Blick und vor allem stolz auf ihre vier Enkelkinder, so kennt und schätzt man die Jubilarin, deren Lebenswerk die Bäckerei ist. Doch der Reihe nach: Es war ein weiter Weg, den Annelise Hees von ihrer schlesischen Heimat nach Königstein zurücklegen musste. Im Taunus fand sie ihr Glück.
Annelise Heinze wurde am 7. Dezember 1927 in Peterswaldau bei Reichenbach in Schlesien geboren. In einer Zeit, in der Lehrer gerne mal „Kopfnüsse“ an ihre Schüler verteilten, gingen sie und ihre ältere Stiefschwester Gretel zur Schule.
Es war eine unbeschwerte Kindheit, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu einem abrupten Ende kam, als die Familie im Frühjahr 1945, wie so viele andere auch, vor den russischen Besatzern fliehen musste und sich den endlos erscheinenden Flüchtlingszügen anschloss. „Meine Oma sagte, dass nun Tage folgten, die man nicht so leicht vergesse“, hat sich Enkelin Sophia, die die St. Angela-Schule besucht, im Rahmen einer Projektarbeit intensiv mit der Lebensgeschichte ihrer Oma auseinandergesetzt und diese aufgeschrieben. Die Familie musste furchtbare Umstände hinnehmen, nur um dann einige Wochen später nach ihrer Rückkehr in ihr Zuhause feststellen zu müssen, dass dieses Plünderungen zum Opfer gefallen war.
Die Familie musste viele Schicksalsschläge ertragen, doch Annelise ist eine Kämpfernatur und war sogar in jungen Jahren bei der Volkspolizei tätig. 1951 reiste Annelise nach Königstein im Taunus. Sie wollte in den Westen und hatte nur 25 Westmark im Gepäck. Dieses bisschen Geld hätte sie bestimmt beim Zoll auch noch verloren. Also ging sie zu einem Freund, der eine Bäckerei hatte, und steckte das Geld in ein kleines Röhrchen. Daraufhin bat sie ihn das kleine Rohr in ein Brötchen einzubacken. Er half ihr und so kam sie mit dem bisschen Geld durch den Zoll. Die Haltestelle war Hannover und kurz vor dem Ziel bat Annelise einen Wirt um einen Hammer. Damit schlug sie das Röhrchen auf und fuhr weiter in Richtung Königstein. Doch leider reichte es nur bis Kelkheim. Von dort aus blieb ihr nichts anderes übrig, als zu laufen. Am 27. April 1951 erreichte sie Königstein. Beim Arbeitsamt fragte sie nach einem freien Job und der Mann dort sagte ihr, dass im Kronthal eine Stelle als Stenotypistin frei sei.
Schon bald nach der Ankunft in Königstein lernte Annelise Heinze den Bäckermeister Emil Hees kennen.
Sophia Hees findet, dass es eine romantische Begegnung ihrer Großeltern gewesen ist: „Beide saßen in einem Café in Königstein und meine Oma wollte sich eine Zigarette anstecken. Als sie eine in den Mund nahm, kam mein Opa und fragte sie, ob er ihr Feuer geben dürfte. Und so kam es, dass sie sich näher kennenlernten und aus der Bekanntschaft Liebe wurde.“ 1952 heirateten sie schließlich und Annelise Heinze wurde zu Annelise Hees, die Frau des Bäckermeisters Emil Hees. Schon ein Jahr später wurde das erste Kind geboren, Renate Hees (28. Februar 1953). Von da an war Annelise Hees im Familienbetrieb tätig. Bereits ein Jahr später kam das nächste Kind, diesmal ein Junge, benannt nach seinem Großvater und Vater, Emil Hees (31. August 1954), dessen Sohn Alexander heute der Fraktionschef der Königsteiner CDU ist. Am 22. Dezember 1957 kam noch ein drittes Kind zur Welt, der Vater von Sophia und ihren beiden Schwestern, Lisa und Verena, Norbert Hees. Die ganze Familie half nun in der Bäckerei. Annelise und ihr Ehemann vergrößerten und bauten die Bäckerei auf, sodass ein erfolgreiches Unternehmen entstand. Ihre Kinder wurden erwachsen und Emil übernahm die Bäckerei seines Vaters. 1999 starb der geliebte Mann, mit dem sie
viele Kreuzfahrten gemacht und die Lieblingsinsel Sylt besucht hat.
Der Familienbetrieb besteht schon seit 1750. In diesem Jahr trafen Emil Hees und seine Frau Ellen schweren Herzens die Entscheidung (wir berichteten), die Bäckerei zum 16. Dezember nach 48
-jähriger Tätigkeit im Bäckereihandwerk
für immer zu schließen, um in den wohlverdienten Ruhestand treten zu können.
Dies nachdem
man sich jahrelang vergeblich um einen Nachfolger bemüht hatte.
An ihrem runden Geburtstag wird Annelise Hees von ihrer gesamten Familie umgeben sein. Gefeiert wird am 7. Dezember ab 12 Uhr in der Villa Borgnis. Wer zum Gratulieren vorbeikommen möchte, ist herzlich willkommen.