„Deutschland ein Einwanderungsland“ – Thema des Neujahrsempfangs der SPD Königstein

Marc Grünbaum von der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Dr. Ilja-Kristin Seewald freuten sich über den angeregten Diskussionsaustausch auf dem SPD-Neujahrsempfang. Foto: Krüger

Königstein (sk) – Unliebsame Tatsachen offenlegen, berechtigte Besorgnisse bei ihrem Namen nennen, einfach Haltung zeigen – das sind die Vorsätze der SPD-Ortsvereinsvorsitzenden, Dr. Ilja-Kristin Seewald, die am vergangenen Sonntag zum Neujahrsempfang in das Balkonzimmer der Villa Borgnis einlud. Trotz mehrerer krankheitsbedingter Absagen sind zahlreiche Gäste, Freunde, Genossen und neben dem Bürgermeister Leonhard Helm auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Hees und Dr. Bärbel von Römer-Seel vom Bündnis90/Die Grünen der Einladung gefolgt.

Der angekündigte Referent Daniel Neumann, Direktor des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen, wurde wegen Krankheit kurzfristig von Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, vertreten.

„Ein herausforderndes Jahr liegt vor uns“, eröffnete die Vereinsvorsitzende ihre Neujahrsrede. Sie stelle sich dieser Herausforderung, indem sie für ein Zusammenhalten der Menschen plädiere, um sich gemeinsam denjenigen entgegenzustellen, „die mit Antworten von gestern die Fragen von heute beantworten und die Menschen in den Nationalismus und in ein Deutschland von gestern zurücktreiben wollen“, so die Vorsitzende. Dazu müsse man die Bürger erreichen, die sich bereits von der Politik abgewendet hätten. Außerdem müsse man den SPD-Wählern das Gefühl zurückgeben, dass man sie vertrete und sie nicht alleine lasse in unserer von großen Umwälzungen geprägten Zeit.

Mit Blick auf die Zuwanderung der zahlreich Geflüchteten aus dem Nahen Osten und aus Afrika warnte Dr. Seewald vor den Rechtspopulisten, deren Ziel die Einschränkung der demokratischen Grundrechte sei. „Wir müssen aufpassen, dass in unserer Gesellschaft in Deutschland und Europa die Bindungskräfte nicht verloren gehen“, formulierte die Vorsitzende ihr Ziel, mit dem sie als Bundestagskandidatin für den Wahlkreis 181 – Main-Taunus-Kreis, Königstein, Kronberg, Steinbach – bei der im September anstehenden Bundestagswahl antreten wird. Hierfür erntete sie viel Lob und Anerkennung von den anwesenden Gästen. Der 1970 in Frankfurt geborene und dort ansässige Rechtsanwalt Marc Grünbaum ist Jugend- und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und Vorsitzender Richter am Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden. In seinem Impulsreferat zum Thema „Wie können Menschen verschiedener Religionen und verschiedener Herkunft in Deutschland friedlich zusammenleben?“ befasst er sich kurz und prägnant mit der Flüchtlingskrise, den Wahlen 2017 in Europa, dem Rechtspopulismus und dem gescheiterten NPD-Verbot. Marc Grünbaum begrüßte die historische, politisch und menschlich einzig richtige Entscheidung der Bundesregierung zur Grenzöffnung. Er warnte aber davor, sozialpolitische Themen maßgeblich auf dem Rücken der Flüchtlinge auszutragen. Seiner Auffassung nach gehe es den Menschen durch die Aufnahme der Geflüchteten nicht schlechter als vorher. Doch populistische Bewegungen bedienten sich der Ängste der Menschen vor Masseneinwanderung, vor Islamisierung und Terrorismus. Dies erkläre auch den Aufwind der EU-kritischen Nationalpopulisten, so Grünbaum. Beinahe hätte die FPÖ in Österreich die Bundespräsidentenwahl gewonnen, erinnerte Grünbaum. Und bei der Bundestagswahl im September sei ein zweistelliges Wahlergebnis der AfD zu befürchten – trotz der allseits auf Empörung gestoßenen Rede von Björn Höcke über das Holocaust-Gedenken.

Die großen Volksparteien in Deutschland könnten nur so lange stark genug sein für eine anti-nationalistische Koalition, wie sie sich den Nationalpopulisten nicht annähern, formulierte Marc Grünbaum seine These. Eine klare Abgrenzung sei unbedingt notwendig. „Ich glaube daran, dass der gesellschaftliche Kampf viel entscheidender als der politische Kampf ist, um der AfD und anderen rechtspopulistischen Strömungen zu demonstrieren, dass ihr EU-kritisches und nationalistisches Programm weder Zentrum noch Konsens unserer Gesellschaft sind“, fasste Marc Grünbaum seine Hoffnungen für das Wahljahr 2017 zusammen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die NPD nicht zu verbieten, verteidigte er aus der Sicht des Juristen, der in den klaren Worten der Verfassungsrichter die NPD als verfassungswidrig entlarvt, jedoch aus formalen Gründen ein Verbot der NPD für nicht möglich erachtet. Grünbaum sieht allerdings einen Fehler darin, das Verfahren gegen die NPD überhaupt eingeleitet zu haben. Darin manifestiere sich blinder Aktionismus, der unserer Demokratie mehr geschadet habe als geholfen.

Die sich anschließende Diskussion befasste sich u.a. mit der Frage, wie man gegen Fremdenhass im Internet vorgehen kann und ob man nicht bereits die Ursachen für das Entstehen des „Wutbürgertums“ bekämpfen muss. Nach Auffassung von Marc Grünbaum ist Wut nicht der richtige Anknüpfungspunkt. Viel wichtiger sei es, nach den Auslösern der Wut zu forschen. Wenn Angst zu groß und zur Hilflosigkeit wird, entstehe Wut, so die Meinung einiger Diskussionsteilnehmer, die in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Versagen unseres Bildungssystems aufwarfen.

Der Jurist erklärte daraufhin abschließend, dass er das deutsche Bildungssystem zwar als verbesserungsfähig, aber auch als eines der besten in der Welt ansehe.

Er empfiehlt, etwas gelassener und positiver an die Krisen und Umwälzungen unserer Zeit heran zu gehen, um die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen engagiert in Angriff zu nehmen mit dem Ziel, vieles besser zu machen.

Im Anschluss an die Diskussion wurden verdiente Mitglieder für ihr politisches Engagement geehrt. Für seine 25-jährige Parteizugehörigkeit wurde Arne Klempert geehrt. Ihre 40-jährige Parteizugehörigkeit feierten Ruth Bender, Günter Fabig, Norbert Köppl, Michael Montag und Rainer Schüle. Der kürzlich verstorbene Walter Bauer wurde im Gedenken an seine 65-jährige Parteizugehörigkeit geehrt.



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