Emotionaler Festakt zum 45. Bestehen der Städtepartnerschaft mit Le Cannet macht Lust auf Europa

Wolfgang Riedel, Vorsitzender des Freundeskreises Städtepartnerschaft, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, wurde während des Festaktes mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen überrascht.

Königstein (el) – Ein Festakt, der eigentlich keiner war, wie man ihn sonst kennt. Denn Anlässe wie diese haben normalerweise etwas Trockenes und Steifes an sich, was so gar nicht dem Ambiente entsprach, was vom offiziellen Teil des Städtepartnerschafts-Jubiläums zwischen Königstein und Le Cannet im Haus der Begegnung am Samstagvormittag ausging. Der erste Gänsehautmoment von vielen stellte sich bereits im Foyer ein, als man zur Begrüßung durch ein buntes Spalier lief, gebildet von den Mitgliedern der Academi doù Miejour, die zum Burgfest französische Folklore vermittelten und als Botschafter der 45-jährigen Freundschaft zwischen den beiden europäischen Nachbarn wahrgenommen wurden.

Das Besondere an diesem Jubiläum hatte Wolfgang Riedel, Vorsitzender des Förderkreises Städtepartnerschaft, schon im Vorfeld erläutert: Diesmal habe man das eigene Städtepartnerschafts-Jubiläum in das 67. Königsteiner Burgfest eingebettet und das wiederum sehr zur Freude vieler Königsteiner, die an diesem französischen Lebensgefühl teilhaben konnten. Nachdem alle an den festlich eingedeckten runden Tischen im großen Saal Platz genommen hatten, erklang, passend zum Anlass, die Olympische Fanfare von John Williams, perfekt umgesetzt von den „Kingstruments“ unter der Leitung von Andrew Laubstein, die zwischen den einzelnen Festreden immer wieder für weitere dieser ergreifenden Gänsehautmomente sorgen würden.

Ein feierlicher Rahmen also, der aber auch etwas ganz Familäres hatte, was jeder, der hier zu Gast war, jedoch nicht als etwas Gegensätzliches empfand. Ein Festakt bzw. eine Cérémonie officielle, die von ganz persönlichen Erlebnissen gefärbt wurde, die ihr eine ganz besondere Nuance verliehen. Einen davon stellte die scheinbar kleine, unbedeutende Anekdote von Wolfgang Riedel dar, der seine erste Reise als Jugendlicher nach Ungarn schilderte – eine Erfahrung, die ihn in Sachen Toleranz und der Haltung „sich auf etwas Neues einzulassen“ geprägt habe. Es sei eine Begegnung auf Augenhöhe gewesen, die in gleichem Maße auch auf die nun 45 Jahre währende Freundschaft mit Le Cannet zutreffe. Diese Freundschaft, getragen von Respekt und Toleranz, habe das eigene Leben um viele Dinge und Erfahrung bereichert und getragen wird vom Lebensgefühl des „Savoir vivre“, das das Leben ein Stückweit leichter mache, sodass Hass und Feindschaft keine Chance hätten. Weltoffenes Denken kennzeichne diese Freundschaft, auch in der nächsten Generation – das zeichnet sich auch ab und lässt für die Zukunft hoffen, freute sich Riedel über den Besuch von zehn Mitgliedern des Cannetaner Jugendparlaments, die ebenso wie die anderen Saalgäste nach den Festreden inbrünstig und textsicher erst in die Marseillaise und dann mit dem ins Französische übersetzten Text des Deutschlandlieds und in die Europa-Hymne einstimmten. Doch bevor es so weit war und der erste Gruß aus der Küche in Form von leckeren Blattsalaten serviert wurde, meldeten sich noch weitere Zeugen dieser lebendigen Partnerschaft zu Wort, die das Jubiläum in einen größeren Kontext stellten. So stellte Stadtverordnetenvorsteher Alexander von Bethmann fest: „Treffen wie diese sind wichtig für die europäische Einheit.“ Es sei eine wichtige Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, dass Völker die Europäische Union hätten bilden können, betonte von Bethmann. Diese Union sei ein wertvoller Schatz, den es zu hüten gelte. Insofern sei auch er glücklich, dass die proeuropäischen Parteien nach der Wahl in Frankreich dominieren und auch in England habe die Unterstützung für den „Brexit“ nachgelassen. Auch für Yves Pigrenet, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Le Cannet-Rocheville, zeuge diese 45 Jahre währende Freundschaft von außerordentlicher Solidarität. Pigrenet: „Jedes Mal, wenn wir schwierige Zeiten erlebten, standen Sie uns solidarisch zur Seite, wie zum Beispiel bei den verheerenden Überschwemmungen 2015.“ Die gegenseitige Unterstützung mache eine wahre Freunschaft wie diese aus. Ein Merkmal, das im Grunde auf alle Partnerschaften der Stadt Königstein zutreffe, merkte Bürgermeister Leonhard Helm an, selbst wenn man sie schwer miteinander vergleichen könne, doch sie hätten alle bestimmte, tragende Elemente gemeinsam. Bei der Gründung der Städtepartnerschaft mit Le Cannet hätte man auf den Erfahrungsschatz der Falkensteiner zurückgreifen können, die fünf Jahre zuvor ihren eigenen, nun 50 Jahre währenden Bund mit dem französischen Le Mêle eingegangen sind und der bis heute Bestand hat und viele Früchte auf beiden Seiten hervorgebracht hat.

Niemand habe vor 45 Jahren zu hoffen gewagt, dass eine Städtepartnerschaft wie diese zur Selbstverständlichkeit werde. Auch heute müsse man sich Fragen, die der europäischen Weiterentwicklung dienlich seien – wie etwa jene: „Ist unser Europa noch das bestmögliche Europa?“ Nur so könne man eventuell vorhandene Schwächen beseitigen und sich von disfunktionalen Elementen trennen, so Helm. Jedem müsse bewusst sein, dass das „Gewächs“ Europa feste Rahmenbedingungen brauche. Außerdem dürfe man auch die Jugend nicht vergessen. Junge Menschen wie etwa das Königsteiner Burgfräulein seien glänzende Aushängeschilder einer Stadt und auch ein Jugendaustausch könne in den Mittelpunkt rücken, um in eine glänzende Zukunft blicken zu können, so Helm, der damit auch auf offene Ohren bei den französischen Ehrengästen stieß, darunter auch Gaston Fischesser, seines Zeichens Königsteiner Ehrenbürger und der zusammen mit dem Ehepaar Dr. Reinhard und Charlotte Siepenkort als einer der Architekten dieser Städtepartnerschaft gilt. Die Freundschaft ist erwachsen, stellte Fischesser fest und visierte dabei das Königsteiner Burgfräulein Helen I. an, die mit ihrer in perfektem Französisch gehaltenen Rede gleich den Beweis antrat, dass sie ein junger Mensch mit Führungsqualitäten ist, der aufgrund seiner Haltung zu Europa auch Grund zum Optimismus für die Zukunft gibt. Helen I.: „Uns verbindet mehr als die gemeinsame Geschichte von Krieg und Macht“. Das beste Rezept, um Grenzen in den Köpfen zu überwinden lautet für die junge Königsteinerin: „Wir müssen Sprachen lernen und miteinander sprechen!“ Schließlich gehörten Frankreich und die Deutschen zusammen wie Königstein und das Burgfest.

Ehrenbrief für Wolfgang Riedel

Emotionale Momente gab es auch während dieses einmaligen Festaktes und zudem einen großen Überraschungsmoment für Wolfgang Riedel, als ihm plötzlich klar wurde, warum er zum Ende hin nochmals auf die Bühne gerufen wurde. Zum einen gab es ein Geschenk vom restlichen Komitee für die tolle Organisation des Jubiläums samt Rahmenprogramm, das auch einen Besuch der circa 50 angereisten Cannetaner in Frankfurt vorsah. Ehefrau Martina und er sollten doch eine Segway-Tour durch den Rheingau genießen, freute sich Alexander Hees mit und für Riedel, der im nächsten Moment gegen vor Rührung aufsteigende Tränen ankämpfen musste. Schließlich wird einem nicht alle Tage vor so vielen Menschen der Ehrenbrief des Landes Hessen überreicht, eine Aufgabe, die Bürgermeister Helm gerne übernahm. „Ich widme diese Urkunde dem ganzen Verein“, empfang Riedel in dieser Minute auch tiefen Dank dafür, dass er diesen Verein weiterführen darf, der so viele Jahre über vom Engagement vieler und insbesondere vom Ehepaar Siepenkort getragen wurde. Ein schöner Abschluss, der vom Eintrag ins Goldene Buch und dem anschließenden Festessen abgerundet wurde.

Der langjährige Vorsitzende der „Association pour le Jumelage“ von Le Cannet- Rocheville und Königsteiner Ehrenbürger Gaston Fischesser trägt sich ins Goldene Buch der Stadt Königstein ein.
Fotos: Schemuth

Die Mitglieder des Cannetaner Jugendparlamentes beim Singen der Nationalhymnen.

Festakt im Haus der Begegnung zum Partnerschafts-Jubiläum mit Gänsehaut-Feeling.

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